Ich, ich, ich – Die typischen Eigenschaften eines Narzissten – Kölner Stadt

Protzen, angeben, zeigen, dass man besser ist: Dieses Verhalten wird immer gern Männern zugeschrieben. Doch es gibt auch die Form des weiblichen Narzissmus. Dieser sei eher verdeckt und zeige sich in Perfektionismus, Leistungsdruck und einem extremen Schönheitsideal, sagt die Münchener Psychotherapeutin und Buchautorin Bärbel Wardetzki.

Während narzisstische Männer sich meist als grandios empfinden, schwanken Frauen häufig in ihrem Selbstwert hin und her zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitskomplexen. Der Kern des männlich-offenen und weiblich-verdeckten Narzissmus sei aber gleich: Das ganze Leben dreht sich nur um die eigene Person.

Überzeugung von der eigenen Großartigkeit

Die Figur des „Narzissus“ ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Flussgottes Kephisos und der Nymphe Leirope. Der Flussgott umschlingt die Nymphe mit seinen Mäandern und schwängert sie gegen ihren Willen.

Narzissus wächst als ungeliebtes Kind auf und kann selbst nicht lieben. Er ist eitel und berauscht von seiner eigenen Schönheit. Verehrerinnen weist er zurück, darunter auch die Bergnymphe Echo. Die Göttin Aphrodite verflucht ihn daraufhin.

Es ist sein Schicksal, sich unsterblich in sein Spiegelbild zu verlieben. Als er mal wieder am See sitzt und ins Wasser schaut, fällt plötzlich ein Blatt ins Wasser und bringt sein Spiegelbild durcheinander. Der Sage nach stirbt er daraufhin, schockiert von seiner Hässlichkeit.

„Ich, icher, am ichsten“, beschreibt der österreichische Psychiatrie-Chefarzt Reinhard Haller (Die Narzissmusfalle) das narzisstische Credo. „Ein normales Maß an Narzissmus, das jeder braucht, um ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln, wird weit überschritten,“ sagt der Leiter des Vorarlberger Behandlungszentrums für Suchtkranke.

Klassische Merkmale sind Egozentrismus, Eigennutz, Überschätzung der eigenen Person und kritiklose Überzeugung von der eigenen Großartigkeit. „Der Narzisst braucht den Applaus wie ein Süchtiger die Droge“, erklärt Haller. Deshalb sollte man dem Narzissten als Freund oder Partner das Lob nicht komplett entziehen, sondern dosiert und authentisch austeilen.

Hunger nach Anerkennung

„Narzisstische Frauen fahren ständig ihre Antennen aus, um herauszubekommen, wie sie gut ankommen können“, beschreibt Bärbel Wardetzki. Wenn ihnen ihr Auftritt gelinge, fühlten sie sich als die Tollsten, die Besten, die Schönsten. „Sie denken, dass sie nur gemocht werden, wenn sie etwas Besonderes sind.“ Die äußere Fassade sei ihnen extrem wichtig. Schönheit, Schlankheit, Jugendlichkeit - alles müsse perfekt sein.

Dieses Gefühl schlage jedoch schnell um in Minderwertigkeit, wenn sie nicht bestätigt werden oder sogar Kritik ernten. Folge: Der gesamte Selbstwert breche zusammen. Der unstillbare Hunger nach Anerkennung werde oft auch mit Essattacken kompensiert. Deshalb trifft Wardetzki in ihrer Praxis auf besonders viele essgestörte, bulimische Narzisstinnen.

Ehrliches Interesse als Gegenmittel

Letztlich sei ehrlich gemeintes Interesse von Freunden, Partnern oder Therapeuten das Gegenmittel zum Narzissmus, meint Psychotherapeutin Wardetzki. Es gehe beispielsweise darum, der übereitlen oder überperfekten Freundin deutlich zu machen: „Ich mag dich, so wie du bist - und nicht dafür, was du leistest oder wie du aussiehst.“

Das Dilemma: Oftmals interessiere sich ein Narzisst gar nicht wirklich für die andere Person. Nähe wird eher abgelehnt, weil dadurch die Gefahr besteht, dass jemand hinter die Fassade blickt.

„Das Zusammenleben mit Narzissten ist sehr anstrengend“, sagt Psychiater Haller. „Sie pressen Anerkennung und Lob aus einem heraus, für sie ist der Mitmensch ein Instrument.“ Manchmal sei es daher am besten, einen großen Bogen um solche Menschen zu machen.

In Führungspositionen zu finden

Auch am Arbeitsplatz wollen Narzissten brillieren: Teamarbeit ist ein Fremdwort. Nicht selten sind sie mit ihrem extremen Leistungsbedürfnis in Führungspositionen zu finden, sagt Hans-Werner Bierhoff, Professor für Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum.

Sozialkompetenz und Einfühlungsvermögen gehören nicht zu ihrem Profil. Im Gegenteil. „Narzissten entwerten gerne andere, um sich selbst besser zu fühlen.“ Weil der Narzisst dazu neige, sein Gegenüber auszubeuten, rät Bierhoff zur Distanz. Andererseits könne es für einen Narzissten oder eine Narzisstin eine Chance sein, an einen nicht-narzisstischen Chef zu geraten, meint Wardetzki. „Von ihm kann man lernen, wie man Wissen teilt, wie man Menschen für Projekte gewinnt und auch die Leistung von anderen anerkennt - nicht nur die eigene.“

Verwöhnte oder vernachlässigte Kinder

Für Mitmenschen sei es oft hilfreich, zu verstehen, was hinter der narzisstischen Fassade steckt. Meist entwickelten sie sich aus verwöhnten oder vernachlässigten Kindern, erklärt Sozialpsychiater Bierhoff. Wenn jemand wenig Liebe im Elternhaus erfahren habe, werde er sich stets auf die Suche nach Anerkennung machen. Wenn andererseits ein Kind sehr verwöhnt und überbehütet aufwächst, dann lernt es nicht, sich realistisch einzuschätzen.

Bierhoff empfiehlt als Narzissmus-Prophylaxe, Kinder nicht mit großartigen Erwartungen zu überziehen - nur weil ein Kind eine Eins in Mathe schreibe, gehöre es noch nicht zu den späteren Nobelpreiskandidaten. Kinder müssten dagegen lernen, zu verlieren und mit Misserfolgen umzugehen.

Aus dem narzisstischen Gefängnis befreien

Insgesamt schätzt Bierhoff die Chancen als eher gering ein, dass Narzissten sich änderten. Denn meist haben die anderen ein Problem mit ihnen, sie selbst mit sich aber nicht. Beim verdeckten, weiblichen Narzissmus liegt der Fall laut Bärbel Wardetzki anders: Die Frauen würden unter ihrem schwankenden Selbstwert sehr leiden. Sie könnten sich aus dem narzisstischen Gefängnis befreien, wenn sie zur Selbsterfahrung und Selbstreflexion bereit sind, etwa mit Hilfe eines Psychotherapeuten oder anderen Kursen. Ziel sei es, zum wahren Selbst vorzudringen - und wegzukommen von den Extremen. (dpa)

Geht nicht, schaff' ich nicht, klappt sowieso nicht - der innere Kritiker hält uns von so mancher Veränderung ab. Mitunter nimmt er uns sogar jeglichen Mut. Warum eigentlich? Und wie kommt man diesem ständigen Nörgler am besten bei? (Bild: dpa)


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