Hochstapler-Syndrom: Eingebildete Betrüger

„Je mehr ich mich anstrenge und je besser ich werde, desto stärker wird mein Gefühl, dass der Erfolg, den ich habe, ein großes Missverständnis ist“, berichtet Watson in einem Interview. „Es fühlt sich für mich so an, als ob jeden Moment jemand herausfinden könnte, dass ich eine totale Betrügerin bin und das, was ich bisher erreicht habe, gar nicht verdiene.“ Dabei gilt die 23-Jährige in der Filmbranche als großes Talent und heimst für ihre Rollen in schöner Regelmäßigkeit Preise ein.

Gut gemacht – falsch begründet

Ihre Erfolge zwar zu sehen, sie aber nicht sich selbst zuschreiben zu können, sei genau das Problem von Menschen mit Impostor-Gedanken, weiß Birgit Spinath: „Ihre Attributionen gehen in die falsche Richtung“, sagt die Expertin aus Heidelberg. Als Attributionen bezeichnen Psychologen die Erklärungen, die wir bei bestimmten Ereignissen in unserem Leben heranziehen. Es sind die Antworten auf die Frage, wer oder was verantwortlich ist, wenn einem etwas Gutes oder etwas Schlechtes widerfährt.

Bei positiven Vorkommnissen wie der bestandenen Diplom-Prüfung zu sagen, „das lag daran, dass ich eben schlau bin“, erfordert schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein. Normaler wäre vielleicht zu denken, „es hat zu Recht geklappt, denn ich habe mich vorbereitet und hatte die richtige Strategie.“ Menschen mit Hochstapler-Syndrom machen für positive Ereignisse nicht sich selbst verantwortlich, sondern die äußeren Umstände. „Auch wenn es die eigentliche Ursache ist, sagen sie nicht, 'super, das hab ich jetzt geschafft, weil ich es kann' “, beschreibt Spinath deren emotionale Lage. Mit dem Gefühl, etwas nicht wirklich verdient zu haben, macht sicherlich jeder ab und zu Bekanntschaft. Vom Impostor-Phänomen Betroffene meinen aber, die Hauptleistungen ihres Lebens seien zu Unrecht zustande gekommen.

Geringes Selbstwertgefühl

Das Syndrom erstmals beschrieben haben 1978 Pauline Clance und Suzanne Imes von der Georgia State University. Die Psychologin Clance traf in ihren gruppentherapeutischen Sitzungen immer wieder auf äußert leistungsstarke Frauen, die beruflich sehr erfolgreich waren – jeden Beleg ihrer Kompetenz aber wegdiskutieren.

Untersuchungen zeigen, dass Personen mit Hochstapler-Syndrom ein geringes Selbstwertgefühl besitzen. Einerseits, weil sie sich all ihre Schwächen zu sehr vor Augen führen. Andererseits, weil sie dazu neigen, die Stärken und Fähigkeiten anderer zu überschätzen – so dass sie im Vergleich mit ihnen subjektiv schlecht dastehen. „Und sie stellen auch übertriebene Anforderungen an sich selbst“, sagt Birgit Spinath. „Das macht es ihnen schwer, mit dem Erreichten zufrieden zu sein.“

Leave a Reply