Hochschulzugang Vor dem Test sind alle gleich – FAZ

© Peter v. Tresckow

Er hätte ein Erfolg werden können: der Test, der von der Freien Universität Berlin aus in ganz Deutschland ein Auswahlverfahren für das Psychologiestudium etablieren sollte. Er sollte Antworten geben auf Fragen wie: Was tun, wenn 1200 Bewerber auf 60 Studienplätze kommen? Wie entscheiden, wenn die Abiturnoten von Bewerbern, die aus unterschiedlichen Bundesländern und von verschiedenen Schultypen kommen, kaum vergleichbar sind?

Das sind Fragen, die viele Hochschulen beschäftigen, seit sie im geänderten Hochschulrahmengesetz (HRG) von 2005 verpflichtet sind, einen Teil ihrer Studienplätze an Bewerber auf der Basis eines Auswahlverfahrens zu vergeben. Es muss zwar immer auf die Abiturnote zurückgegriffen werden. Zusätzlich sollen aber Berufserfahrung, Gespräche oder eben Studierfähigkeitstests berücksichtigt werden.

Manche Hochschulen entwickeln ihre Zulassungstests selbst

Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie in Berlin berief zeitgleich zur HRG-Novelle eine "Kommission Studierendenauswahl" ins Leben. Diese befragte Studierende und Professoren, was für das Studium relevant sei. Das Ergebnis lautete: vor allem Kenntnisse in Englisch, Mathematik und Biologie, zudem ein Verständnis für die Grundlagen der Psychologie sowie schlussfolgerndes Denken. Aus diesen Bausteinen entwickelten die Psychologen Olaf Köller und Oliver Wilhelm einen Test, den sie Bewerbern für den Bachelor-Studiengang Psychologie der Freien Universität vorlegten.

Die Teilnahme war nicht verpflichtend, aber sie verbesserte die Chancen für eine Zulassung. Das zog viele Kandidaten an. "Die Kette läuft oder der Propeller dreht sich. Die Kette läuft nicht", stand da beispielsweise. Lösung A lautete: Der Propeller dreht sich. Lösung B: Der Propeller dreht sich nicht. Da in der ersten Aussage "oder" stand, war A richtig.

Testergebnis und spätere Studienleistung hängen zusammen

Von 1191 Bewerbern lieferten 1187 ähnliche Testergebnisse ab. 79 erhielten einen Studienplatz: aufgrund der Testleistung, aber auch aufgrund der Abiturnote und der Wartezeit. "Eine sehr kleine Stichprobe", räumten die Testentwickler ein. Drei Jahre später überprüften sie, inwieweit sich anhand der Testergebnisse die Studienleistungen vorhersagen lassen. Sie stellten fest, dass die Abiturnote eine etwas bessere Vorhersage erlaubte als die mittlere Testleistung. Außerdem kam heraus, dass die Testergebnisse zum studienfachrelevanten Wissen für die Erklärung der Studienleistung entscheidender waren als das schlussfolgernde Denken.

Insgesamt waren sie zufrieden. "Der Test hat zur Vorhersage der Studienleistung signifikant beigetragen", sagt Stefan Petri vom Studienbüro Psychologie der FU Berlin. Dennoch ist der Test vor drei Jahren wieder in der Schublade verschwunden. Andere Hochschulen hatten zu wenig Interesse daran. Alleine konnte die FU Berlin das Projekt nicht stemmen.

Deutsche Hochschulen öffnen sich den Tests nur langsam

Solche fachbezogenen Tests sind in Deutschland erlaubt. Allgemeine Studierfähigkeitstests sind hingegen nur in Ausnahmefällen möglich, es gibt sie vor allem an privaten Hochschulen. Schließlich haben Abiturienten die allgemeine Hochschulreife und sind damit studierfähig. Die fachbezogenen Tests kommen in stark nachgefragten Studiengängen wie Medizin und Wirtschaftswissenschaften und an vielen privaten Hochschulen zum Einsatz. Andere Verfahren, die besonders häufig eingesetzt werden, sind Orientierungstests und Self Assessments. Mit ihnen sollen Schüler ermutigt werden, sich mit den Anforderungen eines Studiums und Fächeralternativen auseinanderzusetzen.

Seit Ende der neunziger Jahre weiß man, dass kognitive Tests sehr gute Prognosen für den künftigen Erfolg liefern, auch im schulischen und akademischen Bereich. "Das ist in jahrzehntelanger Forschung weltweit immer wieder bestätigt worden und einer der stabilsten Befunde der Psychologie überhaupt", sagt Stephan Stegt, Diplom-Psychologe und Projektleiter im Bereich Testentwicklung im Beratungsunternehmen ITB Consulting in Bonn. "Deutschland hinkt auf diesem Feld international gesehen weit hinterher", sagt Testentwickler Oliver Wilhelm, der inzwischen am Institut für Psychologie und Pädagogik der Universität Ulm arbeitet. Insgesamt habe man die Änderungen durch das Hochschulrahmengesetz überschätzt.

Ziel ist mehr Chancengleichheit

Das zeigt das Beispiel Baden-Württembergs: 2007 führte das Bundesland die Regelung ein, wonach in zulassungsbeschränkten Studiengängen ein Studierfähigkeitstest durchgeführt werden muss. Ende Dezember 2011 schaffte es sie wieder ab. "Die Regelung hat sich nicht bewährt", sagt Arndt Oschmann, Sprecher im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. "Bei einem Großteil der zulassungsbeschränkten Studiengänge steht der Aufwand eines Studierfähigkeitstests außer Verhältnis zur erreichbaren Auswahlwirkung." Dennoch ist man im Ministerium von den Tests überzeugt: Zum einen mäßen sie über die Abiturnote hinaus Kompetenzen, die für die Eignung zu Studium und Beruf aussagekräftig seien, zum anderen stellten sie alle Bewerber vor die gleichen Anforderungen.

Um für mehr Chancengleichheit zu sorgen, hat die Universität Köln ihr Zulassungsverfahren zum Master of Business Administration um Studierfähigkeitstests erweitert. Drei Tests sollen für eine bessere Vergleichbarkeit der Bachelorabsolventen sorgen: die amerikanischen Verfahren "Graduate Management Admission Test (GMAT)" und das "Graduate Record Examination (GRE)" sowie der "Test für Masterstudiengänge in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (TM-WISO)" von ITB Consulting.

Chancengleichheit kostet

Die amerikanischen Verfahren kosten rund 300 Dollar, der TM-WISO 97 Euro. ITB sieht die Wahlfreiheit kritisch: "Die Teilnehmer an den amerikanischen Tests wenden viel Geld für kommerzielle Vorbereitungskurse auf, um ihr Ergebnis zu verbessern", erklärt Stegt. ITB verwende hingegen vor allem Aufgabentypen, bei denen empirisch nachgewiesen worden sei, dass sie kaum trainiert werden könnten.

Für die Bewerber gab vermutlich der günstigere Preis den Ausschlag: 85 Prozent der gut 1200 Kandidaten für den Masterstudiengang Business Administration haben ihrer Bewerbung das Ergebnis eines Tests beigefügt - die meisten den TM-WISO. Für die Zulassungsstelle sei das ein Verfahren mit Zukunft, wie eine Sprecherin versichert.

Selbsttests als Entscheidungshilfe vor dem Studium

Andere wie die RWTH Aachen hoffen, dass ein zentrales Verfahren bald eine Lösung bringt. Der Organisationspsychologe Lutz Hornke hat für die technische Hochschule bereits vor zehn Jahren "Self Assessments", Selbsttests, für Studieninteressierte entwickelt. Seit dem Wintersemester sind sie verpflichtend. "Aber das sind keine Auswahlverfahren", betont Hornke. Welche Ergebnisse jemand erzielt habe, spiele bei der Einschreibung keine Rolle.

"Ziel sind informierte Studienbewerber." Manchmal führt der Selbsttest aber auch zu einer Verunsicherung: In der Studienberatung von Wolfgang Loggen wollen Schulabgänger wissen, ob sie trotz einer schlechten Bewertung im Selbsttest Mathematik studieren können. Dann klopft Loggen Kompetenzen wie Motivation, Fleiß und Durchhaltevermögen ab. "Das Mentale steht vornean, das Fachliche kann man nacharbeiten."

2011/2012 entwickeln einige Hochschulen eigene Tests. Die Hochschule in Ulm stellte ein Verfahren für alle Fachhochschulen in Baden-Württemberg. Andere nutzen amerikanische Tests, zum Beispiel den GMAT für einen Master of Business Administration

2010 wird der TM-WISO an der Universität Hamburg eingeführt, seit 2011 verwendet ihn auch die Universität Köln.

2008 wird der Leuphana-Test entwickelt.

2007 wird der TMS (Medizinertest) nach zehnjähriger Pause wieder eingeführt, zunächst an fünf Universitäten, heute sind es vierzehn.

2007 wird der TestAS für ausländische Studienbewerber eingeführt.

Seit 2001 sind viele Self Assessments eingeführt worden. Zusammen mit der Abitur-note erlauben Ergebnisse aus kognitiven Tests eine gute Erfolgsprognose.


Quelle: F.A.Z.
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Vor dem Test sind alle gleich


Von Deike Uhtenwoldt

Eingangsprüfungen können gute Vorhersagen für den Studienerfolg liefern. Deutsche Hochschulen sammeln langsam Erfahrungen.

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