Halten wir unsere grauen Zellen auf Trab!

«Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.» (Henry Ford)

Nein, die Teilnehmer des Gehirntrainings sitzen nicht still am Pult und lösen irgendwelche furchteinflössenden Prüfungsaufgaben. Vielmehr sind die drei Männer und fünf Frauen im mittleren und fortgeschrittenen Alter, die am Braintraining in Spiez mitmachen, in Bewegung. Dabei lachen sie und freuen sich an den gestellten Aufgaben.

Hinter dem Training, das Körper und Geist fordert, steht Braintrainerin Mareke Bänziger. Die 44-jährige ehemalige Spitzentennisspielerin hat sich nach ihrer Karriere zur Personaltrainerin ausbilden lassen und sich im Laufe ihrer Tätigkeit aufs Brain-, also Gehirntraining, spezialisiert. In ihren Kursen lernen die Teilnehmenden spielerisch, was ihre grauen Zellen auf Trab hält. «Bewegung, Herausforderung, Freude und Inspiration sind der Motor für unser Gehirn», erklärt Bänziger.

«Es ist dabei nicht wichtig, alles sofort zu können», setzt die Trainerin die Anfangshürde bewusst nicht allzu hoch. «Ziel ist es vielmehr, die Leute stets neu an ihre Grenzen zu bringen. Wenn das Verlangte klappt, wird die Herausforderung erhöht.»

Inspiration hält jung

Bänziger, die mit Matthias Novak, dem ehemaligen Technik- und Kreativtrainer der Frauen des FC Bayern München zusammenarbeitet, beginnt den Kurs, indem sie einen Ball in die Runde wirft. Jeder Teilnehmer nennt seinen Namen. Dazu kommt ein zweiter Ball: Jeder Teilnehmer nennt den Namen des Fängers. Ein dritter Ball: Der Name desjenigen, der geworfen hat, wird genannt. Die Wurfreihenfolge muss bei allen Bällen eingehalten werden. Dann der vierte Ball

Freude kommt nicht zu kurz

«Spitzensportler, wie zum Beispiel die Fussballer des FC Bayern, trainieren mit mehreren Bällen und schnell wechselnden Aufgaben – und das alles in Bewegung und in höchstem Tempo.

Mit Senioren werde im Grunde gleich trainiert, die Anforderung aber natürlich den Fähigkeiten älterer Menschen angepasst, erklärt Mareke Bänziger.

Dann legt sie die sogenannte Koordinationsleiter auf den Boden: Eine vorgegebene Schrittfolge muss mit Armbewegungen koordiniert und mit visuellen Angaben erweitert werden. Den Höhepunkt erreicht die Übung mit der kognitiven Aufgabe, zusätzlich noch Wochentage oder Monatsnamen vor- und rückwärts aufzusagen.

Trotz der anspruchsvollen Aufgabe wird viel gelacht, auch oft über sich selber. «Das Braintraining», so Bänziger, «ist ein Mix aus Bewegung, Koordination und kognitiven Aufgaben.» Je nach Kursteilnehmer erschwert oder vereinfacht sie die Aufgaben. Das Training lasse sich beliebig ausbauen und erweitern oder einschränken: Sind es lerntrainierte Jugendliche, Leistungssportler oder, wie bei unserem Augenschein, Senioren – Mareke Bänziger passt das Training den jeweiligen Fähigkeiten und Bedürfnissen der Teilnehmer an. «Niemand soll sich abschrecken lassen», sagt sie.

«Trainierbar wie ein Muskel»

Auch spiele es keine Rolle, wie gebildet, jung oder alt jemand ist. Wichtig sei einzig, dass im Gehirn diejenigen Aspekte trainiert würden, die im Alltag zu kurz kämen. «Bewegung, Denkaufgaben, optische und akustische Wahrnehmungsübungen sollten möglichst vereint werden.»

Das Braintraining fördert die kognitiven Fähigkeiten, die innere wie die äussere Wahrnehmung ebenso wie die exekutiven Funktionen, also Arbeitszeitgedächtnis, Inhibition, kognitive Flexibilität (siehe Kasten) – die Basis unserer Lernleistung.

«Das Gehirn ist trainierbar wie ein Muskel», weiss die Braintrainerin. Sich dies bewusst zu werden, sei das Ziel der Kurse. «Der Trainingseffekt ist, dass die Teilnehmer körperlich und geistig schneller, flexibler, kreativer und leistungsfähiger werden.» Ausserdem erhöhe sich die Merkfähigkeit, das lösungsorientierte Denken und Handeln werde gefördert, das Wissen vernetzt und der Stress reduziert. «Unser Gehirn wird flexibler, schneller, kreativer.»

Dazu komme: «Je mehr neue Wege in unserem Gehirn gebaut werden, desto mehr Raum schafft das für die stetig neuen Herausforderungen des Lebens.» Es seien die positiven, aber auch die negativen Herausforderung und unsere Herangehensweise, von denen abhängen könne, wie fit unser Gehirn bis ins hohe Alter bleibe, ist die dreifache Mutter von Teenagern überzeugt.

Erfolgserlebnisse beflügeln

Für Barbara Büchi, eine der Teilnehmerinnen, ist es wichtig, in der Gruppe zu trainieren. «Zu Hause macht man doch nur, was man eh schon kann – und hat dann die Bestätigung, ohne viel dafür tun zu müssen.» Selbstüberlistung sei das, sagt die Sozialpädagogin und schmunzelt. «Es ist doch faszinierender, zu sehen, dass das, was man im Kurs erst nicht zu können glaubte, plötzlich doch klappt. Das ist dann wahre Bestätigung, die im Alltag weiterwirkt.»

Dass der ständige Gebrauch von Computern und Smartphones nicht klüger macht, ist spätestens bekannt, seit vor einigen Jahren das Buch «Digitale Demenz» des deutschen Psychiaters Manfred Spitzer erschienen ist. «Wir müssen uns heute nichts mehr merken, der Computer kann jederzeit gefragt werden», bedauert auch Braintrainerin Mareke Bänziger.

Dabei wäre es wichtig, das Gehirn zu fordern und so möglichst lange fit zu halten – sei es auch nur mit dem Auswendiglernen von Gedichten oder Telefonnummern. «Unser Gehirn braucht die Herausforderung, um gesund zu bleiben.»

Neuer Gehirn-Fitnesskurs für Seniorinnen und Senioren: ab 14. Oktober (Kennenlerntraining am 5. September). Ort: Yogilates-Studio, Seestrasse 23, Spiez.

Weitere Informationen: www.brainufit.ch oder Tel. 077 413 00 39. (Berner Zeitung)

(Erstellt: 31.08.2015, 13:20 Uhr)

Leave a Reply