Geiz ist überhaupt nicht geil

Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt der Volksmund. Und geteilte Freude ist doppelte Freude. Aber warum eigentlich? "Untersuchungen haben gezeigt, dass faires Teilen allen zugute kommt", sagt Brigitte Rollett, emeritierte Professorin am Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien. "Alle, die an dem Besitz der gesamten Gruppe Anteil haben und denen das auch bewusst ist, kooperieren viel besser, und am Ende kommt mehr für alle heraus. Es ist ökonomisch vernünftig: Ich helfe dem anderen, er hilft mir, und wir beide gemeinsam kommen zu mehr als jeder für sich allein."

Teilen bringt also auch für den Gebenden einen effektiven Nutzen. Freilich zeigt sich bei Spielen, in denen es um eine faire Verteilung geht, mitunter auch, dass jemand einen kurzen Vorteil hat, wenn er für sich den größten Anteil zu bekommen versucht. "Langfristig wird dadurch aber sein Stand in der Gruppe schlechter, und irgendwann wollen die anderen nicht mehr mit ihm kooperieren", sagt Rollett. Geiz kann also zwar kurzfristig einen Vorteil bringen, langfristig isoliert man sich dadurch aber. Und dennoch: "In der modernen Ökonomie können Gesellschaftssysteme so aufgebaut sein, dass tatsächlich Einzelne alles haben und damit gut fahren", attestiert Rollett.

Wie es um die Verteilungsgerechtigkeit steht, zeigt der sogenannte Gini-Koeffizient, benannt nach dem italienischen Statistiker Corrado Gini. Demnach bewegen sich die verschiedenen Staaten dieser Welt zwischen den beiden Extremen völlige Gleichverteilung (0) und totale Ungleichverteilung (1). Und im globalen Vergleich zeigt sich: In Staaten mit einem relativ ausgewogenen Verhältnis ist das Wachstum besser und wird zum Beispiel auch mehr für Bildung ausgegeben. "Und letztendlich gehen Ökonomien, in denen wenige viel haben, irgendwann unter", sagt Rollett. Nachsatz: "Auch wenn es vielleicht länger dauert."

Das Thema Verteilungsgerechtigkeit spielt auch im Islam eine große Rolle: Elsayed Elshahed, Leiter des Instituts für Interkulturelle Islamfoschung in Wien, zitiert dazu aus dem Koran: "Vom Vermögen der Reichen haben die Armen und die Mittellosen ein Recht auf einen Teil des Vermögens.‘ Eine der wichtigsten Arten der Glaubenskonkretisierung ist also die Abgabe eines Teils des eigenen Eigentums an die Armen." Wichtig ist dabei, so

Elshahed, dass der hilfsbedürftige Empfänger auch das Gefühl hat, dass er "nicht bloß eine Last darstellt, sondern auch einen Beitrag zur Gesellschaft leisten kann".

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