Für einen Monat wurden aus Lara und Johnny Eltern – Kreis

Von Martin G. Günkel

Jochen Metzger stellte in Lauterbach sein Buch „Alle Macht den Kindern“ vor

Für Jochen Metzger war das ein besonderer Anlass, eine Lesung zu halten, wie er erklärte: Am Vorabend der Einweihung der neuen Lauterbacher Stadtbücherei präsentierte er im Zelt vor dem „Alten Esel“ sein Buch „Alle Macht den Kindern“. Die Lesung hatte der Förderverein der Stadtbücherei finanziert.

Die Bücherei hatte sich Metzger vor Veranstaltungsbeginn angesehen: Sie sei „der Hammer“ und habe nicht die typische, dem Klischee entsprechende Bibliotheks-Atmosphäre, in der man sich kaum traue, ein Geräusch von sich zu geben.

Jochen Metzger hat Psychologie und Germanistik studiert. Er arbeitet als freier Journalist, unter anderem für das Magazin „Psychologie heute“. Sein Buch beschreibt einen Selbstversuch seiner Familie vor zwei Jahren: Er und seine Frau Helga haben zwei Kinder, die damals 13-jährige Lara und den damals zehnjährigen Johnny. Einen Monat lang haben Kinder und Eltern die Rollen getauscht. Ausgenommen waren das Autofahren sowie Schule und Beruf. Diese Dinge hätten mit dem Alter zu tun, nicht mit den Rollen als Eltern und Kinder, so Metzger.

Die Kinder bekamen für diesen einen Monat die Familienkasse anvertraut, die einen Etat von 700 Euro enthielt. Bank- und Kreditkarten gaben die Eltern bei den Nachbarn ab und baten darum, sie selbst auf Bitten nicht vor Ablauf des Experiments zurückzubekommen.

Entstanden war die Idee, als Jochen Metzger mit Johnny im Keller Tischtennis spielte. Der Vater gab dem Sohn die Rolle als Trainer. Johnny zeigte sich danach überrascht, dass ein Erwachsener so höflich zu ihm gewesen war. Daraufhin wollte Jochen Metzger das gleiche Experiment eine Nummer größer probieren. Denn was sich Kinder von Erwachsenen anhörten, müssten Erwachsene als Zumutung empfinden, so Metzgers Begründung. Der Autor betonte, dass er und seine Frau weder Hippies seien noch Anhänger der antiautoritären Erziehung. Dass er nach dem Experiment pleite sein würde, daran habe er anfangs nicht gedacht.

Zuerst hat Metzger seine Kinder gefragt, ob sie den Versuch machen wollten. Lara war sofort dabei, Johnnys Antwort dagegen lautete zunächst: „Das kannst du voll vergessen.“ Er wollte nämlich morgens nicht alleine aufstehen. Dann aber überlegte er sich, dass er ja befehlen konnte, dass seine Eltern mit ihm aufstehen, wenn er das Sagen hätte. Da gab auch er seine Zusage.

Das Buch ist als Tagebuch aufgebaut, jeder Tag wird einzeln beschrieben. Am ersten Tag war alles noch ein Spiel, wie Metzger beschreibt - aber dabei blieb es nicht. Lara war schnell dabei, Dinge an ihre Eltern zu delegieren - obwohl das Delegieren selbst Erwachsenen oft schwerfällt. Johnny dachte erst einmal darüber nach, eine Spielekonsole anzuschaffen.

Lara nahm schnell eine Art Mutterrolle an und wachte über die Familienkasse. Nun durfte nichts mehr an Lebensmitteln gekauft werden, wenn zu Hause noch etwas vorrätig war. Außerdem putzte sie einmal das Haus und beschrieb das als tiefe Erfüllung. So habe sich Metzger auch gefühlt, als er mal für einige Zeit Hausmann gewesen sei - doch bald sei ihm Hausarbeit zu langweilig geworden, erklärte er in einem seiner Exkurse, die er selbstironisch als „Schlaumeier-Exkurse“ bezeichnete.

Leave a Reply