Alles nur eine Frage der Psychologie – Kreis

Ironie und Sarkasmus, Bos- und Gemeinheiten: Thomas Reis und sein Rundumschlag im Fresche Keller

Pünktlich um acht Uhr läuteten die Glocken in der Ortenberger Altstadt, Thomas Reis betrat die Bühne des Fresche Keller, begrüßte - „Liebe Genossinnen und liebe Genossen“ - und eröffnete seinen „Reisparteitag“, so der Titel seines aktuellen Programms. „Die Macht geht vom Volk aus zu den Parteien und dann ist sie weg.“ Weshalb er selbst eine Partei gegründet habe, eine Einmannpartei. Über seine Erfolgsaussichten mache er sich wenig Illusionen: „Die Intelligenten werden sich für mich entscheiden, aber die Mehrheit wär‘ mir lieber …“

Damit war gleich zu Beginn der Tenor vorgegeben, vor allem aber die Taktzahl oder, um in der Sprache moderner Musik zu bleiben: die Beats per Minute. Denn was der 48-Jährige an Treffern landete, reicht bei anderen Kabarettisten gut und gerne für drei Programme: bitterböse, schwärzer als die Nacht, durch die dann immer wieder herrliche Wort- und Gedankenspiele blitzten.

Denn Thomas Reis - bekannt durch Auftritte und Textbeiträge in vielen Medien, wobei der Kabarettlandschaft des Fernsehens eine Dauerpräsenz von ihm sehr gut tun würde - beherrscht alle Facetten des Genres, den feinen Humor, auch jenen, der am Galgen baumelt, die Ironie, Sarkasmus und Zynismus, Bonmots und Aphorismen; er weiß umzugehen mit Feile, Florett und Säbel und drischt bisweilen mit dem Dampfhammer.

Mit einer Parade der Bundespräsidenten ging es los, endend bei Christian Wulff, der völlig überrascht worden sei von der Hausdurchsuchung. „Was? Ich habe ein Haus?“ Wulff habe seine Bettina geheiratet, da hätte Berlusconi gleich einen Puff gekauft. „Ja, ja, die Würde des Amtes. Man beachte den Konjunktiv.“ In fliegendem Wechsel weiter zur Umweltpolitik, zur Klimakonferenz in Durban. Indien, China und andere Zwergstaaten wie die USA hätten dort ja nicht so richtig mitgezogen. „Dafür hat Frankfurt eine Umweltzone und Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten.“

Im Kosmos von Thomas Reis, der alle und alles in einer wahnwitzigen Vielfalt zu umspannen scheint, ist es von da kein großer Sprung mehr zum Papst. Einer von drei Solisten, die es bislang fertigbrachten, das Berliner Olympiastadion zu füllen: „Er, Goebbels und Mario Barth.“ Immerhin werde der jetzige Papst liberaler und spreche sich mittlerweile für das Kondom aus, „wenngleich noch nicht in ganzer Länge.“

Ganz aktuell: Dass die Amerikaner im November Mitt Romney wählen, könne er sich nicht vorstellen. „Das wäre beinahe so wahnsinnig, als wäre Röttgen im Mai Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen geworden.“ Im Sinne einer schizophrenen Spaltung habe der aber überhaupt nicht gewusst, wohin er eigentlich wollte. „Berlin.“ „Nein, Münster.“ „Nein, Düsseldorf.“ Nur schwer vorstellbar, dass Obama überhaupt US-Präsident sei. „Ein afro-amerikanischer Linkshänder. Und ein Intellektueller. Unvorstellbar in den USA.“ Das sei so unwahrscheinlich, als werde eine marokkanische Molekularbiologin der nächste Papst.

Meist unaufgeregt trägt Thomas Reis vor, minimalistisch sein Körpereinsatz, kaum bewegt er sich von der Stelle. Nur manchmal bricht es aus ihm heraus, wedeln die Hände, rollen furchterregend die Augen, überschlägt sich die Stimme. Und es lohnte, einige Passagen in Zeitlupe zu wiederholen, versteckten sich doch in manchen Sätzen zwischen harmlos klingenden Worten Bos- und Gemeinheiten. Was der Unterschied zwischen Osama bin Laden und der FDP sei, fragt er rhetorisch. Nun, keiner weine ihnen eine Träne nach.

Klar, einer wie Reis kommt um die Finanzkrise nicht herum, sie ist, im Gegenteil, ein gefundenes Fressen. „Wie schlecht der Kapitalismus ist, merkt man erst, wenn man Geld hat. Dann ist es jedoch zu spät, um dagegen zu sein.“ Die Logik der Hilfe für die Banken: „Das ist so, als würde einer betrunken eine Bank überfallen, das Geld liegen lassen, zurückkommen, das Geld fordern und recht bekommen.“

Schließlich: „Egal ob Mark, Drachme oder Kaurimuschel, egal ob du dein Kind Kevin oder Melanchthon nennst - das ändert nichts am IQ. Höchstens an der Note.“ Alles nur eine Frage der Psychologie, reine Psychologie.

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