Fingerzeig ins Leere

Warum wir Zeigegesten oft missverstehen, untersuchten Psychologen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.


„Da!“ „Wo?“ „Na, DA!“ – Das kennt vermutlich jeder: Man möchte jemandem etwas zeigen – ein Sternbild am Nachthimmel, ein Reh in der Ferne – und deutet instinktiv mit dem Finger darauf. Aber der andere sieht es einfach nicht, so sehr wir uns beim Zeigen auch um Korrektheit bemühen. Zeigegesten sind ein wichtiger Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Doch sie stoßen an Grenzen, sobald es um entfernte und unauffällige Objekte geht: In diesen Fällen verstehen Betrachter oftmals nicht, worauf der andere zeigt.

Zeigegesten im Labor

Psychologen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg untersuchten in einer aktuellen Studie nun, aus welchen Gründen wir Zeigegesten so oft falsch deuten. Für ihre Untersuchung ließen sie im Labor unter anderem Testpersonen auf zuvor angesagte Zahlen auf einem senkrechten Zahlenstrahl zeigen. Dabei hielten sie die jeweilige Körperhaltung der Probanden per Motion Capturing, also mit Hilfe einer digitalen Bewegungserfassung, fest. Des Weiteren hatten die Teilnehmer die Aufgabe, die Zeigegesten anderer Probanden zu interpretieren.

Ziel zu hoch eingeschätzt

In den Experimenten zeigte sich, dass das Ziel von Zeigegesten von Beobachtern immer etwas höher eingeschätzt wird als vom Zeigenden beabsichtigt. Sollten etwa zwei Teilnehmer auf dem Zahlenstrahl immer abwechselnd auf die Zahl zeigen, auf die der andere gerade gezeigt hatte, ergaben sich zusehends immer höhere Positionen – obwohl natürlich im Idealfall immer die gleiche Stelle hätte anvisiert werden müssen.

Unterschiedliche geometrische Regeln

Nach Ansicht der Forscher nutzen Sender und Empfänger unterschiedliche geometrische Regeln: Derjenige, der etwas zeigen möchte, bringt – aus seiner Perspektive – die Fingerspitze in die Nähe des zu zeigenden Objektes. Auge, Fingerspitze und das Objekt liegen dann etwa auf einer Linie. Der Adressat hingegen nimmt die zeigende Person mit ins Bild. Er verlängert die Linie, die sich aus Schulter, Arm und Zeigefinger ergibt, in Richtung des Fingerzeigs. Dies führt dazu, dass der Betrachter oft viel zu hoch blickt.

Diese generelle Fehlinterpretation scheine jedoch, so die Forscher, kaum jemandem klar zu sein. Entstandene Missverständnisse müssten dann oft sprachlich ausgeräumt werden.

Literatur

Herbort, O. Kunde, W. (in press). Spatial (mis-)interpretation of pointing gestures to distal referents [Abstract]. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance.

10. Dezember 2015
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
Foto: © Universität Würzburg

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