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Familie als Hort der Liebe und Geborgenheit

Von Lucie Machac.
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Ist Familienglück eine Illusion? «Familie ist ein Nehmen und Geben – aber ohne Gewähr auf einen Return on Investment», sagt Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello.

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Erforscht Generationenbeziehungen: Pasqualina Perrig-Chiello, Professorin am Instititut für Psychologie an der Uni Bern.
Bild: Andreas Blatter


Zur Person

Pasqualina Perrig-Chiello ist Professorin für Psychologie an der Uni Bern. Die 62-jährige Entwicklungspsychologin ist Expertin für Generationenbeziehungen, Genderfragen, mittleres Lebensalter.

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Stichworte

  • Familiensommer 2014 

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Im Rahmen des Familiensommers haben wir sechs wahre Geschichten über familiäre Schattenseiten (siehe Bildstrecke) erzählt. Kränkungen, Einsamkeit und Frustration kamen in den Protokollen zum Vorschein. Ist Familienglück eine Illusion?

Frau Perrig-Chiello, was ist Ihnen beim Lesen der sechs anonymen Ich-Protokolle über die Schattenseiten der Familie aufgefallen?
Pasqualina Perrig-Chiello: Ehrlich gesagt habe ich beim Lesen gedacht: Wann kommen endlich die Schattenseiten? Ausser in jenem Text, in dem die Tochter ihr Leben mit einer alkoholkranken Mutter schildert, habe ich nicht viel Abgründiges gefunden.

Sind permanente Kränkungen innerhalb der Familie oder amouröse Ausbruchsfantasien eines gestressten Vaters für Sie keine Abgründe?
Eigentlich nicht. Solche «Schattenseiten» gehören zum ganz normalen Familienalltag, der eben nicht nur aus Glück und Wonne besteht, sondern aus vielen Ambivalenzen und Erwartungen, die nicht unbedingt erfüllt werden.

Welche Art von Ambivalenzen meinen Sie?
Menschen, die uns nahestehen, lösen in uns widersprüchliche Gefühle aus. So sehr wir sie lieben, so sehr können wir uns über sie ärgern, sie enttäuschen oder gar verletzen. Enge Beziehungen geben uns einerseits das Gefühl von Geborgenheit, andererseits können sie uns einengen. Nehmen wir den Text des Vaters, der sich stark bei der Erziehung engagiert und gekränkt ist, dass die Tochter sein Lebensmodell nicht gebührend schätzt. Dieser Vater provoziert geradezu Ambivalenzen bei der Tochter – einerseits liebt sie ihn ja, andererseits will sie in Ruhe gelassen werden.

Dass ihn das unterschwellig verletzt, ist doch absolut nachvollziehbar.
Sicher. Jeder von uns hadert mal mit seinem Familienleben. Und es wird den Schmerz des Vaters kaum mindern, wenn ich sage, dass gerade Eltern in bestimmten Phasen geben müssen, ohne dass etwas zurückkommt. Immerhin ist die Chance gross, dass Kinder die erfahrene Liebe später zurückgeben. Familie ist ein Nehmen und Geben. Allerdings immer ohne Gewähr auf einen Return on Investment.

Aber für viele Eltern hat die Familie die Funktion einer Wohlfühloase, die den Ausgleich zur kompetitiven, hektischen Arbeitswelt schaffen soll.
Und darin liegt auch das Problem. Wir kranken an überhöhten Erwartungen an die Familie. Früher war die Familie eine Zweckgemeinschaft, die materiell die Existenz sicherte. Heute muss sie ein Hort der Liebe und Geborgenheit sein.

Wo erwarten wir konkret zu viel?
In Bezug auf Harmonie und Glück haben wir zumeist unrealistische Vorstellungen. Wir glauben, weil wir aus Liebe geheiratet und ein Kind gezeugt haben, kann unser Familienleben im Grunde nicht anders als perfekt herauskommen. Ausserdem haben viele Eltern im Gegensatz zu früher nur ein bis zwei Kinder, was dazu führt, dass sie viel Aufmerksamkeit in ihren Nachwuchs investieren. Kinder werden heute oft zu einem Projekt stilisiert.

Was ist falsch daran?
In Projekten verwirklicht man eigene Wünsche und Sehnsüchte, was wiederum schnell zu Enttäuschungen und Kränkungen führt. Im Grunde beginnt diese enorme Anspruchshaltung schon bei der Partnerschaft. Weil wir heute einen Partner aus romantischen Gründen wählen, macht die Ehe keinen Sinn mehr, wenn die Liebe vergeht. Wer seine Partnerschaft aufrechterhalten will, muss aber bereit sein, diese immer wieder neu zu definieren.

Aber weshalb soll man sich all die Arbeit machen, wenn man den Partner heute relativ einfach wechseln kann?
Weil Beständigkeit und Sicherheit menschliche Grundbedürfnisse sind. Deshalb zahlt es sich aus, beziehungsmässige Durststrecken zu überwinden. Sehen Sie, Partnerschaften basieren genauso wie das Familienleben auf einer simplen Kosten-Nutzen-Rechnung. Ein Partnerwechsel birgt viele Risiken und vor allem die Gefahr, verletzt zu werden. Ausserdem fallen die meisten auch in einer neuen Partnerschaft wieder in die alten Muster zurück. Gemäss Studien sind zweite Ehen scheidungsanfälliger als Erstehen.

Woran liegt das?
Daran, dass man wiederum mit unrealistischen Erwartungen in die Beziehung geht, nach dem Motto: Diesmal wird es besser. Aber man ist halt immer noch derselbe Mensch mit den gleichen Bindungsmustern.

Ist es besser, sich in amouröse Fantasien zu retten, wie dies jener Vater schildert, der seinem hektischen Familienalltag zu entfliehen versucht?
Ob es allgemein besser ist, kann ich nicht sagen. Aber solche Fantasien haben sehr viele Ehemänner und Ehefrauen. Wenn man lange mit jemandem zusammen ist, ist das völlig normal. Niemand von uns geht blind durch die Welt.

Darf man also das eigene Familienleben ohne schlechtes Gewissen einengend und langweilig finden?
Natürlich nicht auf die Dauer. Aber man muss nicht ständig nur der tolle Papi und der brave Ehemann sein, man darf durchaus auch ein paar Nuancen mehr zulassen. Dazu gehört auch die Rolle des attraktiven Mannes. Ehefrauen sind ja auch nicht nur asexuelle Mamis. Je papi- oder mamihafter der Alltag ist, desto leichter können Fantasien zur Obsession werden.

Wie viel Glück darf man denn überhaupt von der Familie erwarten?
Auch wenn das Glück je nach Lebensphase anders definiert wird, sind Sicherheit und Zugehörigkeit bleibende Werte. Das Schöne an der Familie ist: Man kann sich zeitweilig von ihr entfernen, man kann sich neu definieren, aber man weiss, am Zusammengehörigkeitsgefühl ändert sich nichts.

Das sind aber sehr selbstbezogene Bedürfnisse. Wo bleibt das Wirgefühl?
Erst, wenn man etwas hat, kann man auch geben. Wer als Kind viel Liebe erfahren konnte, hat später auch die Fähigkeit, diese weiterzugeben.

Dennoch scheint uns alle eine latente Einsamkeit zu begleiten, wie aus den Familienprotokollen herauszulesen ist. Die Schreibenden fühlen sich missverstanden oder gar verkannt.
Was die Menschen in den Texten beschreiben, ist eine emotionale Einsamkeit. Es ist niemand da, der sie versteht, keiner, der etwas zurückgeben kann. Diese Art von Einsamkeit ist in den meisten Fällen selbst gemacht. Wir lieben ja nicht, damit ewige Liebe zurückkommt, sondern weil es uns selber Freude macht. Liebe hat sehr viel mit Selbstzweck zu tun.

Einige Schreibende versöhnen sich im Rückblick mit ihrer schwierigen Familienkonstellation, sie danken den Eltern am Schluss sogar. Ist das nicht Selbstbetrug?
Nein, es ist eine ganz normale Reaktion. Im Nachhinein versuchen wir wohl alle, aus unserem Familienleben, unserer Vergangenheit ein sinnvolles Ganzes zu machen. Auch wenn es de facto vielleicht ganz anders war. Wir legitimieren die Familie, weil sie Ursprung und Identität bedeutet. Wenn wir die Familie infrage stellen, stellen wir automatisch uns selber infrage.

Nicht einmal die Tochter, deren Mutter Alkoholikerin war, hat sich je eine andere Mutter gewünscht.
Weil es ein Verrat an der eigenen Quelle wäre. Lieber eine Mutter, die nicht perfekt ist, als eine fremde. Das Schicksalhafte der Familie wird uns schon im Schulalter bewusst, spätestens in der Pubertät kommt es dann zum Tragen, wenn sich etwa Jugendliche plötzlich einbilden, adoptiert worden zu sein.

Apropos schicksalhaft: Wiederholt man als Eltern die Fehler der eigenen Eltern?
Nicht zwingend. Manche grenzen sich aber so sehr ab, zum Beispiel vom autoritären Erziehungsstil, dass sie im anderen Extrem landen. Und natürlich landen auch viele, die alles anders machen wollen als die Eltern, oft im gleichen Fahrwasser. Die eigenen Eltern sind nun mal prägende Vorbilder. Aus der Forschung weiss man zum Beispiel, dass Kinder von schlagenden Eltern später sehr oft auch die eigenen Kinder schlagen. Es sind angelernte Muster, wie man mit Aggressionen oder Stress umgeht, die sich über Generationen erhalten.

Gilt das auch für andere Familienbereiche?
Durchaus. Wenn die Eltern für die Kinder immer da waren, werden die Kinder mit grosser Wahrscheinlichkeit ihren eigenen Kinder viel Sicherheit vermitteln. Wer emotionale Distanz erfahren hat, wird meist kein innig liebender Elternteil.

Verliert die Herkunftsfamilie gegenüber der eigenen Familie nie an Bedeutung?
Zeitweise schon, wenn die eigenen Kinder klein sind. Aber je älter der Nachwuchs wird, desto mehr Bedeutung gewinnt die Herkunftsfamilie wieder. Heute kommen Frauen zwischen 45 und 65 Jahren oft in einen zweiten Vereinbarkeitskonflikt zwischen Familie und Beruf. Sie arbeiten, haben erwachsene Kinder, einen Partner und pflegen auch noch ihre Eltern und hüten Enkel.

Welche Phase des Familienlebens ist am glücklichsten?
Gemäss Umfragen eindeutig die Grosselternschaft. Im Alter kann man auf sein «Werk» zurückblicken. Ganz wichtig ist dabei das Gefühl, die Welt verlassen zu können und Spuren hinterlassen zu haben. Man konnte anderen Generationen etwas weitergeben. Das ist eine grosse Befriedigung.

Können Freunde die Familie ersetzen?
Familie hat heute viele Formen angenommen, und ich sehe viele Chancen darin. Wir können uns im Prinzip selber eine Familie zusammenstellen.

Wie denn?
Familie ist auf einen kleinen Nukleus reduziert worden, sodass zum Beispiel Eltern nicht mehr damit rechnen können, dass im Alter ein Familienmitglied helfend für sie da ist. Deshalb werden wir künftig unsere Familie immer mehr durch sogenannte Wahlverwandtschaften ergänzen müssen.

Das heisst?
Dass man zum Beispiel im Alter ein Nachbarskind als Enkelin «adoptiert». Oder eine gute Freundin zur Wahlschwester macht. Ich kenne viele ältere Damen und Herren, die sich aus eigener Initiative neu organisiert haben.
(Berner Zeitung)

Erstellt: 10.08.2014, 12:36 Uhr


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