Ein grosses Herz half der kleinen Sophia – Tages

Erst drei Wochen war die kleine Sophia alt, als ihr Herzchirurg Michael Hübler Ende Dezember im Kinderspital Zürich ein neues Herz einsetzte. Sophia ist damit das jüngste Kind, das in der Schweiz jemals ein Herz transplantiert bekommen hat. Das Mädchen kam mit einem Tumor am Herzen zur Welt.

Die Stunden nach ihrer Geburt Ende November waren dramatisch verlaufen. Kaum auf der Welt, lief Sophia blau an. Die Ärzte mussten sie intubieren, um sie zu beatmen. Schnell stand fest, das Baby litt an einem gutartigen Tumor, einem Fibrom, der sein Herz durchzog. Das ­Tumorgewebe störte den Blutfluss zum Herzen, drückte auf die Atemwege und hatte sogar die Herzklappen verzogen. Um zu überleben, konnte Sophia nur ein Spenderherz helfen.

Wenige Tage nach der Geburt operierte Hübler das Mädchen, um das ­Tumorgewebe zu entfernen. Gleichzeitig setzte der Leiter der Herzchirurgie am Kinderspital ein Unterstützungs­system ein, um dem angeschlagenen Herzen bei der Arbeit zu helfen. Dann begann das Warten.

Blutgruppe war entscheidend

«Es ist schwierig, für so kleine Kinder passende Spender zu finden», sagt ­Michael Hübler. Trotzdem kam zweieinhalb Wochen später der Anruf von Swisstransplant. Es gebe im europäischen Umland ein Spenderherz, das Sophia möglicherweise retten könnte. Allerdings war das verstorbene Kind acht ­Monate alt und 11 Kilo schwer. Sophia wog erst 3,3 Kilo. Der Spender hatte ­jedoch die gleiche Blutgruppe, und Hüblers Team entschied sich zum Eingriff.

«Es war anspruchsvoll, das grosse Herz in dem kleinen Brustkorb zu platzieren», sagt Hübler. Doch das Herz schlug bereits kräftiger als das eines Neugeborenen, was Sophia nach dem Eingriff half. Schon wenige Tage nach der Operation konnten die Ärzte das Mädchen von der Intensivstation auf die allgemeine Abteilung verlegen.

«Technisch ist es anspruchsvoll, ein so kleines Kind zu operieren», sagt Herzchirurg René Prêtre vom Universitäts­spital Lausanne. Prêtre war Hüblers Vorgänger in Zürich und hatte 2009 und 2011 schon Transplantationen durchgeführt bei Kindern, die jünger als ein Jahr waren. Je kleiner das Kind ist, desto winziger sind die Gefässe und Knochen.

Operationen an erst wenige Tage ­alten Babys sind für die Kinder-Herzchirurgen allerdings nichts Aussergewöhnliches. Es gibt verschiedene Herzfehler, die gleich in den ersten Lebens­tagen operiert werden müssen. Sind etwa die beiden grossen Gefässe vertauscht, die Hauptschlagader und die Lungenarterie, müssen die Herzchirurgen diese abtrennen und neu annähen.

Der Vorteil beim Immunsystem

Doch es gibt auch einen grossen Vorteil, wenn man so früh transplantiert. «Bei so kleinen Babys ist das Immunsystem noch nicht ausgereift, deshalb ist die Wahrscheinlichkeit viel geringer, dass der Körper das fremde Organ abstösst», sagt René Prêtre. Bei älteren Kindern und ­Erwachsenen versteht das körper­eigene Immunsystem das fremde Organ als Eindringling und will es nicht akzeptieren. Um eine Abstossung zu vermeiden, müssen Transplantierte ein Leben lang Medikamente schlucken, die das Immunsystem unterdrücken, was sie anfälliger für verschiedene Krankheiten macht. Zwar muss auch Sophia solche Immunsuppressiva nehmen. Doch die Dosis wird sie in Zukunft vermutlich reduzieren können.

Ein Tumor ist zudem eine einfachere Ausgangssituation für eine Transplantation als ein anderer schwerer Herzfehler. Bei Sophia waren auch alle Gefässe am richtigen Ort, was die Operation erleichterte.

Das Schweizer Team ist weltweit nicht das erste, das einen derartigen Eingriff durchgeführt hat. In den USA operierten Spezialisten am Phoenix Children’s Hospital im Januar 2015 beispielsweise einen erst sechs Tage alten Jungen und setzten ihm ein neues Herz ein.

Obwohl sich Sophia gut erholt hat, sind auch die ersten Wochen nach einer Transplantation nicht einfach. Um zu testen, ob der Körper das neue Organ nicht abstösst, müssen die Ärzte beispielsweise Gewebeproben entnehmen. Auch das ist bei einem so kleinen Kind anspruchsvoll und belastend.

Noch liegt Sophia im Spital, vermutlich kann das Mädchen aber in einigen Tagen nach Hause. Zuerst müssen die ­Eltern alles vorbereiten, damit ihr erstes Kind ideale Bedingungen hat. So müssen sie beispielsweise sicherstellen, dass keinerlei Schimmelspuren in der Wohnung vorhanden sind. Und auch Haustiere wären keine gute Gesellschaft für das angeschlagene Kind.

Insgesamt stehen Sophias Überlebenschancen jedoch gut. Das neue Herz wird mit ihr mitwachsen. Durchschnittlich liegt die Lebenserwartung mit ­einem transplantierten Herzen bei 20 Jahren. Auch eine zweite Operation wäre dann theoretisch möglich. Doch es gibt auch Patienten, die 30 Jahre nach dem Eingriff weiter mit ihrem neuen Herzen leben.

(Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 03.02.2016, 07:44 Uhr)

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