Die Psychologie des Stils Du bist, was du trägst!

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    Haarreife an einer 50-Jährigen. Minirock zu tiefem Ausschnitt. Sackartige Kleider trotz Topfigur. Hinter modischen Fauxpas steckt häufig nicht nur schlechter Geschmack. Sie können auch tiefere psychologische Ursachen haben. „Unsere Kleidung reflektiert, was wir denken und was wir fühlen“, sagt Dr. Jennifer Baumgartner. „Oft sind Kleiderpannen Ausdruck innerer Konflikte, die an die Oberfläche gelangen.“ Es bestehe immer eine Verbindung zwischen außen und innen.

    Die amerikanische Psychologin arbeitete während ihres Studiums als Verkäuferin bei Ralph Lauren und baute sich danach ein zweites Standbein als Stylistin auf. Mit ihrem Unternehmen „InsideOut“ berät sie Kundinnen mit Garderobenproblemen. Und obwohl sie selbst beteuert „Ich beurteile Menschen nicht nach ihrem Äußeren“ und „Ein bestimmter Kleidungsstil lässt nicht zwingend auf den Charakter der Person schließen“, behandelt sie in ihrem Buch „You are what you wear“ (zu Deutsch: „Du bist, was du trägst“) den Zusammenhang zwischen Erscheinungsbild und Eigenwahrnehmung und veranschaulicht diesen anhand von Fallbeispielen.

    Schon das Cover ihres Ratgebers zeigt, welche Intentionen hinter der Wahl eines Outfits stecken. „Süß und versteckt meinen Bauch“, steht als Gedankenblase neben dem Rock. „Bin ich zu alt hierfür?“ neben dem Lurexoberteil. „Extrazentimeter sind gleich Selbstbewusstsein“, bei den High Heels. Und der Satz „In diesem Outfit kann ich nicht pleite aussehen“ fasst alles zusammen.

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    Titel: You are what you wear – What your clothes reveal about you

    Text: Dr. Jennifer Baumgartner

    Verlag: Da Capo Lifelong Books, 2012

    Preis: um 11 Dollar, über Amazon.com

    Schöne Kleider machen das Leben besser

    Kleidung vergleicht Dr. Jennifer Baumgartner mit dem Panzer einer Schildkröte. „Wir erzählen der Welt das Wer, Was, Wo und Wann unseres Lebens mit dem, was wir anhaben“, so die Expertin. „Wenn wir Kleider kaufen und tragen, die unsere beste Seite zeigen, bedenken wir bewusst und unbewusst unser Alter, unsere Größe, unsere Kultur und unseren Lebensstil. Entweder unterstreichen wir diese Aspekte oder wir kämpfen gegen sie an.“

    Wer also Kapuzenpullover im Büro trägt oder viel Schmuck zum Job an der Supermarktkasse, stylt sich vermutlich gegen die Umstände seines Lebens. „Ein Schrank voll formloser Klamotten könnte zu einer Frau gehören, die sich für ihr Übergewicht schämt. Vielleicht hat sie sich die Sachen aber auch gekauft, weil sie zu faul ist abzunehmen und das nicht zugeben möchte. Oder es handelt sich um eine Mutter, die keine Zeit hat, um sich über Kleider Gedanken zu machen – und wenn sie es täte auch ihre misslungene Ehe erkennen würde“, so Baumgartner. Verlustangstgeplagte würden oft Kleider sammeln, Depressive trügen häufig auch triste Kleidung und zehn Prozent der Menschheit entwickle sogar eine Kaufsucht.

    Wenn Klientinnen sie wegen deren Looks um Hilfe bitten, sind diese angeblich oft überrascht über den „Durchbruch“, den sie dann erleben. „Kleider zu tragen, die Geborgenheit geben, uns glücklich und gut fühlen lassen, machen das Leben wirklich besser“, sagt Dr. Jennifer Baumgartner. „Die kleinste Änderung im Kleiderschrank kann zu einem Domino-Effekt an Abenteuerlust und Neuerungen führen.“

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    Dr. Jennifer Baumgartners Problemfälle und Lösungen

    Fall 1: Die Kaufwütige

    Wer den dringenden Wunsch verspürt einzukaufen, obwohl er genug besitzt und dabei vielleicht sogar Schulden macht, sollte seiner Motivation auf den Grund gehen. „Das Bedürfnis shoppen zu wollen ist normal“, weiß die Psychologin. „Aber das Gefühl von gespannter Erwartung und Erleichterung, das mit dem Kauf zusammenhängt, kann eine eigene Dynamik entwickeln und chronisch werden“. Das dabei ausgeschüttete Wohfühlhormon Dopamin könne sogar süchtig machen.

    Wenn Sie das Gefühl haben nur zu kaufen, um zu kaufen, sollten Sie sich zuerst über die Auslöser klar werden. Shoppen Sie zum Beispiel aus Frust oder bei Stress? Jagen Sie nach Schnäppchen, die Sie dann nicht einmal tragen? Ein Trick gegen zwanghaftes Shopping ist die „Texas hold ‘em“-Taktik: Lassen Sie sich in den Geschäften bis zum nächsten Morgen zurücklegen, was sie am liebsten gleich mitnehmen würden. Dann gehen Sie nach Hause, analysieren Sie Ihren Kleiderschrank und überlegen Sie genau, welches Teil Sie noch brauchen – und welches nicht.

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    Fall 2: Die Sammlerin

    Wir horten gerne Dinge. „Es ist schwierig etwas herzugeben, was man irgendwann noch einmal brauchen könnte“, erklärt Dr. Jennifer Baumgartner. „Viele können sich auch nicht entscheiden, was sie mit den ausgemusterten Sachen machen sollen oder empfinden deren Anwesenheit als Fels in der Brandung. Im schlimmsten Fall stehen diese für ein Trauma in der Vergangenheit, wie zum Beispiel den Verlust einer bestimmten Person oder für eine aktuell schwierige Situation.“

    Weil aber ein überquellender Kleiderschrank auch die Psyche vereinnahmt, rät die Expertin dringend zum Ausmisten. Ihr Tipp: „Ohne groß über den Prozess nachzudenken, sortieren Sie den ganzen Inhalt Ihres Kleiderschranks auf einer leeren Fläche – zum Beispiel dem Bett – nach Kategorien. Werfen Sie alles in große Mülltüten, was out oder kaputt ist und nicht mehr passt."

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    Fall 3: Die Gelangweilte

    „Zombies sind unter uns“, sagt Dr. Jennifer Baumgartner. „Manchen ziehen triste Kleidungsstücke in Weiß, Grau und Schwarz die Farbe aus dem Gesicht. Ich nenne diese leichte Depression eine Garderoben-Dysthymie.“ Menschen, die sich langweilig anziehen, wollen sich ihrer Erfahrung nach oft vor Anderen verstecken – und letztendlich auch vor sich selbst.

    Ihre Tipps für ein aufregenderes Auftreten: Denken Sie in Kontrasten (z.B. mit pinkfarbenen Accessoires zu nudefarbenem Outfit), wählen Sie drei neutrale Farben als Grundstock und zwei der aktuell angesagten Akzentfarben als Zusatz, kombinieren Sie jedes Outfit mit einem Statement-Piece, geben Sie Ihr Geld lieber für trendy Extras wie Schuhe anstatt für trendy Kleidungsstücke aus. Finden Sie Ihr Lieblings-Label, kaufen Sie nach ihren Lieblings-Mottos (z.B. Marine oder 50ies-Look) und kreieren Sie eine multifunktionale Garderobe mit Stücken, die Sie mit Accessoires down- oder upgraden können.

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    Fall 4: Die Versteckerin

    Wenn Kleider die Figur nur verhüllen sollen, dienen sie oft auch als Versteck vor einem selbst. Aber laut Baumgartner hilft gerade gute – also gut sitzende, proportionierte und stylische – Kleidung dabei, das Auftreten und die Laune zu verbessern. Wen das Anprobieren in Shops meist deprimiert, der sollte „sich von Größenschildern befreien, weil die bei jedem Label anders ausfallen, und kaufen, was am besten passt“. Schauen Sie sich auch jedes Teil in Ihrem Kleiderschrank an und fragen Sie sich, wann Sie aufgehört haben, sich gemäß Ihrer Figur zu kleiden. Eine Therapiemethode ist die „Als ob“-Taktik. „Tun Sie so, als ob Sie Ihren Körper lieben und kleiden Sie sich auch so“, rät Baumgartner.

    Der Trick für einen schmeichelnden Look: „Die Proportionen müssen stimmen. Also höchstens ein Oversized-Stück einsetzen.“ Bei extremer Angst vor den kritischen Blicken Anderer hilft eine Konfrontationstherapie zum Beispiel in der Fußgängerzone mit Tanktop und enger Hose. Die Erkenntnis: Niemandem wird das negativ auffallen!

    Lesen Sie auf der nächsten Seite, was sich gegen extremen Enthüllungsdrang unternehmen lässt, wie Mütter aus ihren Hausfrauenklamotten entfliehen, Workaholics aus ihren Arbeitskleidern schlüpfen und Label-Süchtige gegen ihre Logo-Liebe kämpfen können.

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