Die Psychologie der Donauinsel « DiePresse.com

Dieser empfahl allen Hobbysportlern in der Vorwoche an dieser Stelle nämlich, am Hitzewochenende zu baden statt zu sporteln. Diese Freiheit, nichts zu tun, hätten wir Hobbysportler den Profis ja voraus. Ich ignorierte das. Das Hoch Annelie sollte doch nicht meinen Trainingsplan über den Haufen werfen.

Am Sonntagmorgen – eigentlich war es schon fortgeschrittener Vormittag – zog ich mir die Laufschuhe an und radelte auf die Donauinsel. Ich wollte neben dem Wasser joggen. Vermutlich versprach ich mir davon eine Art psychologische Abkühlung. Los ging es auf Höhe der Nordbrücke. Ich bin den Treppelweg, auf dem Fahrverbot für Radfahrer gilt, entlanggelaufen. Kilometer um Kilometer sah ich zu meiner Linken die Donau durch die Sträucher blitzen und zu meiner Rechten ausgedörrte Wiese. Nur vereinzelt lagen schon Badegäste in ihren an den Bäumen fixierten Hängematten, und so manch der Hitze trotzender Hundebesitzer drehte seine Runde. Hätten die Grillen nicht so laut gezirpt, dann wäre es völlig ruhig gewesen. Idyllisch könnte man dazu sagen – oder eben langweilig. Denn kilometerlang geradeaus zu laufen und dabei das gleiche Bild bei gleicher akustischer Untermalung zu sehen ist für mich eine psychologische Herausforderung. Jeder Kilometer wird gefühlt um ein paar Meter länger und das Laufen zusehends anstrengender.

Nach rund viereinhalb Kilometern beschloss ich umzukehren, aber nicht denselben Weg zurückzulaufen. Ich wählte die asphaltierte Straße. Hier brannte die Sonne – da es anders als auf dem Treppelweg keine Schatten spendenden Bäume gab – noch intensiver vom Himmel, und die Rennradfahrer schossen nahezu im Sekundentakt an mir vorbei. Das war definitiv zu stressig. Bei der nächstmöglichen Abzweigung lief ich zurück auf den Treppelweg. Dann eben doch lieber Langeweile. Diese bot genügend Zeit zum Nachdenken. Und schlussendlich erinnerte ich mich doch noch an die Worte meines Kollegen. Mein Lauf endete vorzeitig im Wasser.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2015)

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