Die beste Freundin der Stars

Als Kind wollte ich Psychologin werden. Heute ist die Psychologie das Wichtigste in meinem Beruf. Sie hilft mir, dass ich selbst bei viel Stress und Druck einen kühlen Kopf bewahre, aber vor allem hilft sie mir im Umgang mit den Stars. Wenn ich einen VIP einkleide, geht es nicht nur darum, ein bestimmtes Outfit auszusuchen. Ich lerne dabei sehr viel über den Menschen und seine Selbstzweifel. Kein Star, egal ob männlich oder weiblich, findet sich selbst wirklich schön, und beim Thema Mode wird das besonders deutlich. Natürlich kommt es vor, dass eine Anprobe einige Stunden dauert. Aber ich bin ein sehr geduldiger Mensch. Ich denke nicht, dass irgendjemand von sich aus unhöflich oder kompliziert ist. Das ist oft eine Maske, um die eigene Unsicherheit zu verbergen.

Ich habe das Talent, mich in Menschen einzufühlen und sie dazu zu bringen, dass es ihnen gut geht. Am Anfang des Fittings sind sie manchmal nervös, aber ich sorge dafür, dass sie sich entspannen und ruhiger werden. Ich sehe sofort, was für eine Person ich vor mir habe, und versuche immer, mich in ihre Lage hineinzuversetzen. Mit meiner Arbeit trage ich dazu bei, dass die Stars sich auf dem roten Teppich attraktiv fühlen. Das gefällt mir besonders an meinem Job.

Oft entstehen aus diesen geschäftlichen Beziehungen enge Freundschaften. Manche VIPs werden ein Teil der Familie. Leonardo DiCaprio zum Beispiel war 17, als er das erste Mal von uns eingekleidet wurde. Ich war damals so alt wie er und habe ihn durch Mailand geführt. Heute sind wir sehr gute Freunde. Auch mit Tom und Katie Cruise habe ich eine sehr enge Beziehung, und George Clooney kommt seit Jahren zu uns. Solche Stars rufen uns an, wenn ein großes Event ansteht und sie ein Kleid brauchen. Ich rede dann mit meinem Onkel und er überlegt sich, wie er diese Person gern einkleiden würde. Das Kleid wird dann speziell angefertigt und es finden mehrere Anproben statt. In anderen Fällen frage ich bei bestimmten Persönlichkeiten an, die ich gern einkleiden würde. So konnte ich zum Beispiel Lady Gaga und Adele für uns gewinnen, worauf ich sehr stolz bin. Nach dem Event dürfen die Stars die Kleider behalten.

Es gibt keine bestimmten Kriterien, nach denen wir die Stars aussuchen. Aber sie sollten einen gewissen Stil und die Eleganz verkörpern, für die Armani steht. Keira Knightley ist zum Beispiel sehr "Armani", sie passt sehr gut zu uns und wäre eine meiner Wunschkandidatinnen. Prinz William einzukleiden ist auch ein Traum von mir.

Generell würde ich sagen, dass eine sehr extravagante Person eher weniger zu uns passt. Dennoch haben wir Lady Gaga ausgestattet, und das war ein Volltreffer. Ich habe sie vor Jahren zum ersten Mal bei den American Music Awards in L.A. erlebt und war begeistert. Ich habe meinem Onkel gesagt, dass wir sie unbedingt kontaktieren sollten. Er hatte bis dahin noch nie von ihr gehört, aber er hat mir vertraut. Die Resonanz nach ihrem Auftritt in Armani bei der Grammyverleihung 2010 war riesig.


Die Welt hat sich sehr verändert, Mode wird für VIPs immer wichtiger. Die erste Frage auf dem roten Teppich lautet heute nicht mehr: "Welchen Film haben Sie gerade gedreht?", sondern: "Was tragen Sie?"

In den 80ern, als Armani anfing, VIPs einzukleiden, war das noch anders. Wir sehen uns als Pioniere im Bereich Celebrity-Dressing. Es begann damit, dass wir Richard Gere 1980 für den Film "American Gigolo" ausgestattet haben. Damals haben wir so viele Stars für die Oscars eingekleidet, dass die Fachzeitschrift "Women's Wear Daily" die Verleihung als "Armani Awards" bezeichnet hat. "Celebrity Dressing" war damals noch total unüblich. Heute ist der Wettbewerb unter den Designern dagegen sehr groß. Aber das spornt mich an.

Seit gut einem Monat bin ich mit der Vorbereitung für die diesjährigen Oscars beschäftigt. Wer Armani Privé tragen wird, bleibt immer bis zur letzten Minute ein Geheimnis. Als die Nominierungen für die Oscars bekannt gegeben wurden, fand gerade unsere Haute-Couture-Show in Paris statt. Die Schauspielerin Jessica Chastain sollte dort für uns modeln. In dem Moment, als die Show anfing, standen wir nebeneinander und sie bekam den Anruf mit der Nachricht von ihrer Nominierung. Sie hat vor Freude geweint und wir standen alle um sie herum und haben geklatscht. Das war ein bewegender Moment. So etwas macht mich sehr glücklich.

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