Die Berufung in Augsburg gefunden

Im Vergleich zu den ersten Ereignissen in bedeutend kleinerem Rahmen, doch für die betreffende Person nichtsdestotrotz ebenfalls von enormer Tragweite: Die am 4. und 5. März 1989 im Kreis Höxter erstmalig ausgetragenen Deutschen Crossmeisterschaften. Dieser Wettbewerb in Vinsebeck wurde für eine Ausnahmesportlerin aus dem Kreis Höxter, die mit ihren konstant guten Leistungen die Chronik der Leichtathletikfreunde Lüchtringen über Jahre entscheidend mitprägte, zur Stätte ihres größten Triumphes:



Unter dem frenetischen Jubel hunderter Zuschauer löst sich Carmen Fromme am letzten Anstieg der 5200 Meter langen Strecke der weiblichen Jugend A von ihrer Konkurrentin Carmen Hegmann und wird mit sieben Sekunden Vorsprung Deutsche Meisterin.

Zahlreiche Titel und Platzierungen hat Carmen Fromme in den 80er Jahren gesammelt. Halle, Open-Air, Mittel- und Langstrecken, Einzel- oder Mannschaftserfolge. Lange Jahre war sie eines der weiblichen Aushängeschilder der Leichtathletikfreunde Lüchtringen; und des Sportkreises Höxter. Trotzdem wird Vinsebeck immer ein absoluter Höhepunkt bleiben:

"Trotz vieler schöner und auch erfolgreicher Wettbewerbe stehen mir dieses Rennen und dieser Sieg immer noch am deutlichsten vor Augen. Und ja, ich glaube schon, dass diese Deutsche Meisterschaft der schönste Sieg war", erinnert sich Carmen Fromme. Die Erinnerung an diesen bewegenden Moment wird beständig aufrecht gehalten, wenn auch von einem recht banalen Gegenstand: "In meiner ‚Nostalgiekiste’ befindet sich neben vielen anderen Erinnerungen an meine Leichtathletikzeit auch ein Handtuch mit dem Stick ‚Deutscher Crossmeister 1989’.", erzählt Carmen Fromme lachend. "Sogar ein Nagel-Etui, das ich damals im Rahmen einer Ehrung von der ehemaligen Bürgermeisterin Dorothee Baumgarten bekommen habe, ist noch funktionstüchtig und in Gebrauch."

Es sind anfassbare Erinnerungen für Carmen Fromme. "Auch wenn es mir manchmal so erscheint, als wenn diese Dinge aus einem früheren Leben stammen. Denn hier weiß niemand etwas von meiner Leichtathletik-Vergangenheit und spricht mich demzufolge auch nicht darauf an. Wenn ich in Lüchtringen bin, ist das gänzlich anderes", beschreibt Carmen Fromme.

Mit "hier" ist Augsburg gemeint. Seit 2002 ist Carmen Fromme dort als promovierte Diplom-Psychologin bei dem "Verein zur Familiennachsorge Bunter Kreis" beschäftigt. Der mit 40 Standorten bundesweit vertretene "Bunte Kreis" unterstützt Familien mit chronisch- oder schwerstkranken Kindern von der Klinik zurück ins Kinderzimmer. Die Kinder selbst, ihre Geschwister und auch Eltern sind durch die Krankheit der kleinen Patienten häufig sowohl finanziell als auch seelisch bis weit über ihre Grenzen belastet. Hier bietet der teilweise spendenfinanzierte "Bunte Kreis" Unterstützung. Interdisziplinäre Teams aus Ernährungsberaterinnen, Ärzten, Psychologen, Seelsorgern und Sozialpädagogen stehen den schwer geprüften Familien zur Seite. "Ein zugegebenermaßen manchmal sehr zehrender Beruf. Einige Schicksale fordern einem eine Menge ab. Trotz allem habe ich meine Berufung gefunden. Sowohl die präventive als auch therapeutische Arbeit speziell mit den Kindern bedeutet mir sehr viel und ist unglaublich erfüllend", beschreibt Fromme.

Nach ihrem Psychologie-Studium in Bielefeld arbeitete Carmen Fromme sechs Jahre lang als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Lehre und Forschung am Lehrstuhl für Klinische Psychologie der Universität Bremen. Dort promovierte sie dann über das Thema Adipositas. Die sozusagen logische Fortführung ist die derzeitige Bereichsleitung eines 30-köpfigen Teams, das vordringlich mit Patientenschulungsgruppen im Bereich Adipositas, Diabetes, Asthma und Neurodermitis arbeitet. "Hier kommt mir meine Leichtathletikzeit zu Gute, denn ‚kräftezehrend’ hat in diesem Job auch wirklich eine physische Komponente", sagt Carmen Fromme.

Apropos Laufen. Heißt es nicht immer, dass man diese Leidenschaft nie wirklich ablegen kann, wenn man sie denn lange Jahre so intensiv und erfolgreich ausgeübt hat? "Meine erste Wohnung in Augsburg hatte ich mir extra am Waldrand ausgesucht. Jetzt ziehe ich in eine Gegend um, die viele Felder in unmittelbarer Nachbarschaft hat. Natürlich laufe ich noch", berichtet die lachende Carmen Fromme. Wohl tatsächlich ein Virus, der einen nie loslässt.

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