Der Marathon-Mann hat ein starkes Herz – Tages

Tages-Anzeiger

Startseite ·
Abo ·
Immo ·
Job


jobwinner


alpha


·
Auto ·
Anzeigen ·
Dating

Züritipp ·
Das Magazin ·
Wetter: freundlich


Werbung

Der Marathon-Mann hat ein starkes Herz

Von Christian Brüngger.
  •   Drucken

Eine internationale Studie zeigt, dass der Herzstillstand bei Marathonläufern selten vorkommt. Und wenn doch, haben sie bessere Überlebenschancen.

Sie haben gemäss einer neuen Studie ein geringes Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben: Läuferinnen und Läufer des New York Marathons.

Sie haben gemäss einer neuen Studie ein geringes Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben: Läuferinnen und Läufer des New York Marathons.
Bild: Reuters

Todesfälle im Spitzensport

Topathleten werden in der Regel auf mögliche Herzfehler eingehend untersucht. Das aber schliesst Todesfälle nicht aus, wie das Beispiel des Langstreckenläufers Ryan Shay zeigt. Der 28-jährige Amerikaner starb 2007 während des Marathons in New York an einem Herzstillstand. Trotz Autopsie konnten die Ärzte die exakte Todesursache jedoch nicht ermitteln.

Auch im Fussball sorgen Todesfälle von (jungen) Spielern immer wieder für Schlagzeilen. Im April stoppte das Herz des 25-jährigen Italieners Piermario Morosini mitten in einem Spiel seines Clubs AS Livorno. Grund war ein entzündeter Herzmuskel. Dabei gehört Italien kardiologische Abklärungen betreffend zu den führenden Ländern. Wer in Italien darum einen Lauf bestreiten will, muss ein Attest vorweisen können. Ansonsten wird er abgelehnt.

Artikel zum Thema

  • Was New York besser macht als Zürich
  • Drama in Italien: Serie-B-Profi stirbt nach Herzstillstand
  • Patente auf Brustkrebsgene behindern den Fortschritt

Teilen und kommentieren


Ihre E-Mail wurde abgeschickt.

Korrektur-Hinweis

Melden Sie uns sachliche oder formale Fehler.

Die Riesen locken. Ob in New York, London, Berlin oder Chicago. Jedes Jahr sind jeweils über 40'000 Läuferinnen und Läufer an jedem dieser Marathons dabei. In New York versuchen jährlich gar bis zu 140'000 Ausdauerfreunde, einen der Plätze zu erhalten. Das Marathonlaufen hat sich innert 30 Jahren vom Sport für Exoten zu einer Volksbewegung mit Massenappeal und Milliardenumsatz entwickelt. Gross sind die Schlagzeilen stets auch, wenn ein Teilnehmer beim Bewältigen der magischen 42,195 Kilometer stirbt.

Eine aktuelle Studie über Herzstillstand bei Marathonläufern zeigt nun jedoch, dass diese Fälle äusserst selten sind. Nur durchschnittlich bei einem von 184'000 Teilnehmern setzt das Herz aus. Und bloss einer von 259'000 stirbt daran. Dies ergab die Arbeit eines US-Teams der Universität Harvard, die kürzlich im Fachjournal «New England Journal of Medicine» veröffentlicht wurde. Zum Vergleich: In der Allgemeinbevölkerung der Schweiz erleiden Jahr für Jahr rund 8000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand, das sind 0,5 bis 1 Person pro 1000 Einwohner.

Top-Betreuung am Marathon

Die amerikanischen Ärzte konnten in ihrer Studie von einer umfassenden Datenmenge profitieren: Ihnen standen die Angaben von 10,9 Millionen amerikanischen Läufern aus den Jahren 2000 bis 2010 zur Verfügung. Von diesen Teilnehmern erlitten nur 59 Marathonläufer einen Herzstillstand, 42 starben daran. 86 Prozent der Betroffenen waren Männer. Für 31 der 59 Läufer und 23 der Verstorbenen waren vertiefte medizinische Daten vorhanden, die einen Schluss auf die Ursache zuliessen. Demnach waren die verstorbenen Läufer im Schnitt jünger als die überlebenden. Der Grund hat meist einen genetischen Ursprung: Diese Läufer litten in der überwiegenden Zahl an einer angeborenen Herzkrankheit wie zum Beispiel einer Fehlentwicklung des Herzmuskels oder des Erregungsleitenden Systems.

Günstiger ist die Ausgangslage für ältere Betroffene. Weil deren Herzstillstände primär auf eine koronare Erkrankung zurückzuführen sind, also einer kritischen Verengung und Verkalkung der Herzkranzgefässe, sind ihre Überlebenschancen bei einer sofortigen Behandlung besser.

Fehlende Fitness ist ein Risiko

Insgesamt starben in dieser Studie 71 Prozent der 59 Betroffenen – bedeutend weniger als bei Herzstillständen in Alltagssituationen, wo durchschnittlich 92 Prozent der von einem Herzstillstand Betroffenen auch daran sterben. Grund für diesen Unterschied ist, dass an Marathon-Veranstaltungen ein viel besseres medizinisches Dispositiv aufgezogen wird. Das Netz an Sanitätern und Ärzten ist über die ganze Strecke sehr dicht, eine Intervention damit rasch möglich.

Dass die Anforderungen gerade auch an das Herz-Kreislauf-System bei einem Marathon dennoch hoch sind, zeigt der Vergleich mit dem Halbmarathon. Auf der 21-Kilometer-Strecke war die Zahl an Herzstillständen drei- bis fünfmal tiefer. Irritiert zeigten sich die Autoren, dass die Zahl an tödlichen Herzstillständen in der zweiten Phase der untersuchten Jahre zugenommen hat. Sie führen diesen Fakt auf den fehlenden Fitnessstand vieler Debütanten zurück.

Nur wenige Hobbysportler lassen sich checken

Für den Kardiologen Christian Schmied, der in Zürich die erste Sportkardiologie-Abteilung an einer Uniklinik aufbaute, sind die relativ tiefen Herztodesraten bei Marathonläufen erfreulich. Er warnt aber vor voreiligen Schlüssen: «Viele Läufer wiegen sich nach solchen Erkenntnissen in falscher Sicherheit. Während Spitzensportler in der Regel kardiologisch gut abgeklärt sind, haben in der Schweiz nur etwa neun Prozent aller ambitionierten und kompetitiven Hobbysportler einen entsprechenden Check hinter sich.» Nach Schmied sollten sich alle Ausdauersportler, die an Wettkämpfen teilnehmen, untersuchen lassen. Darunter fällt gemäss dem Kardiologen jeder, der leistungsorientiert denkt. Also schon der Jugendliche, der schneller als seine Kollegen sein will.

Bis ins Alter von 35 Jahren sind solche Checks, die mögliche tödliche Herzerkrankungen erkennen, rasch, billig und mit einer hohen Treffsicherheit durchzuführen. Es braucht dazu ein eingehendes Ruhe-EKG, das Ausfüllen eines spezifischen Fragebogens und eine ärztliche Untersuchung. Das gesamte Screening dauert etwa 15 Minuten und kostet 50 bis 60 Franken, was die Athleten in der Regel selber bezahlen müssen.

Ängste vor einer Abklärung abbauen

Komplizierter wird die Diagnosefindung bei älteren Sportlern, weil nicht das Aufspüren angeborener Herzfehler im Vordergrund steht, sondern die Anfälligkeit auf Krankheiten der Herzkranzgefässe. Da die koronare Herzkrankheit mit dem Basis-Screening nur ungenügend detektiert werden kann, rückt die Suche nach Risikofaktoren für Gefässverkalkung wie zum Beispiel Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck oder Fett- und Zuckerstoffwechselstörungen in den Vordergrund. Dies erschwert die Analyse und macht sie zeitintensiver und teurer.

Schmied berät auch den Weltfussballverband (Fifa) und hat schon viele junge Topfussballer untersucht. «Diese verschweigen mir allfällige Probleme immer wieder, weil sie Angst vor möglichen Konsequenzen haben.» Hobbysportler würden ähnlich funktionieren, sagt der Mediziner, dem auch die Aufklärung des Durchschnittsläufers am Herzen liegt. Beim Swiss Alpine Marathon mit bis zu 2600 Höhenmetern wird er mit einem Team in Davos anwesend sein, um Ängste vor einer Abklärung abzubauen und die Teilnehmer zu einem Check zu motivieren.

Denn selbst wenn Schmied eine Herzerkrankung feststellt, ist ein betroffener Läufer nicht zum Stillstand verurteilt. Ein angepasstes Lauftraining ist mit konkreten Empfehlungen fast immer möglich. Es muss schliesslich nicht immer gleich ein Marathon sein. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 17.06.2012, 10:11 Uhr


Ihre E-Mail wurde abgeschickt.

Leave a Reply