Der erste Sex und seine Psychologie

Uraufführung von „Die Fortpflanzung der Amöben“ im Linzer Theater Phönix

Regisseurin Heidelinde Leutgöb und Autorin Suse Grünau haben ein gutes Gespür für junge Befindlichkeiten. In gewöhnlichen Jugendstücken über das erste Mal infiziert sich jemand mit HIV, ein Mädchen wird schwanger oder beides – entweder war alles schrecklich schmerzhaft oder schrecklich grandios. So läuft erster Sex aber nicht, sondern so, wie es die beiden in „Die Fortpflanzung der Amöben“ (ab 15 Jahre) auf der Bühne des Linzer Theaters Phönix zeigen. Uraufführung: 21. Juni.

Die superreichen Eltern sind verreist, sie überlassen die Villa (tolle, schicke Bühne von Renate Schuler) ihrem wohlerzogenen Sohn Gustav. Der Bub ist 15 oder 16, gehemmt und kein Feschak. In der sturmfreien Bude steigt eine Party mit seinen Schulkollegen Max und Paul. Julia, Kathi und das Mauerblümchen Mara schauen auch vorbei. Gustav entspannt sich zusehends, Papas teure Whiskeys werden gesoffen, Peinlichkeiten über Penislängen und nicht erlebte erste Nächte werden gestanden, Hoppalas aus der Selbstbefriedigungskarriere werden erzählt. Das alles führt zu Konflikten, Verletzungen, aber auch zu der Versöhnung, dass das erste Mal die natürlichste Sache der Welt ist, der ein Zauber der Gefühle innewohnt.

Leopold Gessele wankt als Paul ein bisschen zu stufenlos zwischen Depression und Notgeilheit. Oskar-Wolf Meier ist ein routinierter Sexgott mit Talent zur Selbstironie. Beate Korntner ist der Inbegriff einer blonden Sirenenschönheit, und Lisa Schrammel behütet ihr Kathi-Geheimnis trotz Ausgelassenheit auf sinnliche Weise. Komponist Gilbert Handler hat jedem Charakter Lieder auf die Seele geschrieben, die Psychologie wird obendrein getanzt, ohne Gedanken an Waldorf-Schulen anzuregen. Die Helden des Abends sind der schauspielerisch fein entwickelte Daniel Feik als differenzierter Gustav und Nastasja Winzig, die ihre Mara von der Raupe zum Schmetterling veredelt. Tosender Beifall!

„Die Fortpflanzung der Amöben“, von Suse Grünau, Theater Phönix Linz, Regie: Heidelinde Leutgöb, Uraufführung: 21. Juni. Termine: 24., 25. Juni (20.30 Uhr), Wiederaufnahme ab 15. Oktober. Karten: 0732/666500.

OÖN Bewertung:

 

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