«Das Hirn spürt keinen Schmerz» – Tages

Die Tierversuchskommission des Kantons Zürich stoppte 2006 zwei Versuche. Warum stellen Sie ausgerechnet in Zürich ein Gesuch?
Ich möchte meine Forschung in der Schweiz machen, weil hier die Haltungsbedingungen für Affen nochmals viel besser sind als in den USA. Deshalb habe ich auf die Anfrage der Uni Zürich hin die renommierte Stanford University verlassen, wo ich ähnliche Ver­haltens­expe­rimente gemacht habe. Bereits 2007 wurde ja in Zürich Hansjörg Scherbergers Gesuch genehmigt, er ging aber 2009 nach Deutschland.

Warum ist Ihre Forschung wichtig?
Wir wollen den Präfrontalen Cortex im Gehirn besser verstehen, der für Entscheidungsprozesse wichtig ist. Zum Beispiel, wie es uns gelingt, Reize kontextbezogen einzuordnen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Bei psychisch kranken Menschen sind die dazu notwendigen neuronalen Prozesse oft gestört. Wir wollen nun feststellen, wie die komplexe Interaktion zwischen Nervenzellen in diesem Areal zu solchen Entscheiden führt. Und hoffen, dass sich aus den Erkenntnissen später Therapien entwickeln lassen. Leider lässt sich eine solche Studie nur mit Affen durch­führen, da Ratten und Mäusen diese Strukturen im Gehirn fehlen.

Für die Versuche wird der Schädel aufgebohrt und ein Elektroden-Array eingeführt. Ist das nicht Tierquälerei?
Die Operation am Schädel und die Nachfolgebehandlungen werden wie bei einem Menschen durchgeführt. Die Affen merken von der Operation unter Vollnarkose nichts. Die Schädeldecke wird danach wieder geschlossen und verheilt in den darauffolgenden Wochen vollständig. Die einzelnen Elektroden sind auf einem winzigen Array angebracht und sind viel dünner als ein Haar. Das Tier spürt davon nichts, weil das Hirn schmerzunempfindlich ist. Auch Parkin­son-Kranke bekommen routinemässig Elektroden ins Gehirn implantiert, um ihr Zittern zu behandeln. Die Mikroelektroden sind also keine Belastung.

Und der Primatenstuhl, der aussieht wie ein Folterinstrument?
Der Stuhl sieht wie ein Ungetüm aus. Aber die Rhesusaffen lernen ihn schrittweise kennen und machen freiwillig mit. Mit einem Tier, das Angst hat oder ge­stresst ist, sind solche Versuch gar nicht möglich. Für die zu lösenden Aufgaben sitzen sie vor einem Bildschirm und müssen auf relevante Reize reagieren und ­Irrelevantes ignorieren. Als Belohnung bekommen sie ihr Lieblingsgetränk. Wenn sie nicht mehr mitmachen wollen, stoppen wir die Sitzung. Und ­genug Wasser bekommen sie sowieso ­jeden Tag.­

Was ist anders als bei den damals abgelehnten Versuchen?
Unsere Fragestellungen haben grosse Relevanz für viele psychische Krankheiten des Menschen. Wir arbeiten nur mit einer kleinen Anzahl von zwei bis drei Tieren. Zudem sind die Experimente heute auf die Hälfte der Zeit verkürzt, auf durchschnittlich 1,5 Stunden. Trotzdem liefern sie ein Vielfaches an Daten, die wir dank neuer Algorithmen besser verstehen. Schliesslich werden wir auch transparenter kommunizieren, um unseren Kritikern zu zeigen, dass wir das Wohl der Tiere sehr ernst nehmen.

(Tages-Anzeiger)

(Erstellt: 18.09.2014, 18:57 Uhr)

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