Das Gefühl purer Erschöpfung: Burn-out – Rhein

Das Gefühl purer Erschöpfung: Burn-out

Prof. Rolf Verres. Foto: RNZProf. Rolf Verres. Foto: RNZ

Von Birgit Sommer

Leistungsanforderungen und Leistungsdruck werden in der Gesellschaft immer stärker, psychische Belastungen in der Arbeitswelt summieren sich manchmal zum völligen Ausgebranntsein. Der Kongress "Burnout? Burn on?" der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie vom 20. bis 22. September in Heidelberg soll nach dem Wunsch des Kongressleiters, Prof. Rolf Verres, dem Ärztlichen Direktors des Institutes für Medizinische Psychologie, das aktuelle Wissen zu sozialen, biologischen und psychologischen Aspekten bündeln.

Was ist Burn-out - medizinisch betrachtet?

Mit dem Sammelbegriff Burn-out-Syndrom drückt man Beschwerden aus, die um Erschöpfung kreisen, das Gefühl von Verausgabung, das Gefühl, dass es keine Balance gibt zwischen dem, was man braucht, und dem, was man gibt. Dazu kommen Müdigkeit und Reizbarkeit.

Haben die Betroffenen den Eindruck, dass sie ihre Lebenswelt nicht mehr verstehen und gestalten können?

Das kann man so sagen. In schlimmen Fällen kann das zur völligen Verzweiflung und schweren Depression führen. Ich habe Patienten erlebt, die über Jahre hinweg krankgeschrieben waren, weil sie ihr Ausgebranntsein viel zu spät gemerkt haben und nicht mehr rechtzeitig gegensteuern konnten. Das ist auch ein Ziel des Kongresses: Früherkennung und Prävention zum Schutz der Menschen. Das soll konkret ausformuliert werden.

Was ist falsch an der heutigen Arbeitswelt, wenn das Phänomen Burn-out so überhandnimmt?

Die meisten Fachleute sagen, dass die sogenannten "Gratifikationen" nicht ausreichen. Das heißt, Menschen brauchen in irgendeiner Weise Anerkennung; sie wollen "gesehen" werden.

Bekommen sie davon weniger als früher?

Es spricht vieles dafür. Fühlt man sich am Arbeitsplatz warm und geborgen oder kalt und bedeutungslos, als Rädchen im Getriebe, ohne angemessene Würdigung? Ich habe den Eindruck, die Kälte hat zugenommen.

Das Thema Burn-out kann nicht in den Arztpraxen bleiben. Was muss sich in der Gesellschaft tun?

Mein Ziel als Kongressleiter ist, dass möglichst viele Fachleute den neuesten Stand der Erkenntnis präsentieren. Führungspersönlichkeiten zum Beispiel müssen die Erkenntnisse umsetzen. Dr. Joachim Galuska etwa wird über Unternehmenskultur aus Sicht eines Ärztlichen Direktors referieren. Seine psychosomatischen Heiligenfeld-Kliniken in Bad Kissingen erhielten 2011 eine Auszeichnung als Deutschlands bester Arbeitgeber im Gesundheitswesen. Aber auch die Mitarbeiter müssen untereinander mehr Solidarität und Achtsamkeit entwickeln. Man muss sensibel wahrnehmen, wo Menschen wehgetan wird, und darf das nicht einfach geschehen lassen, sondern muss eingreifen. Also muss man auch die Selbstheilungskräfte von Gemeinschaften aktivieren.

Gibt es Menschen, die für Burn-out besonders anfällig sind - oder auch nicht?

An meinem Institut haben wir zum Beispiel 200 Ärzte befragt. 20 Prozent klagten häufig über Burn-out-Probleme, 80 Prozent kommen gut zurecht. Wenn diese 80 Prozent an die Grenzen ihrer Kraft stoßen, schaffen sie es, noch mehr Kraft zu mobilisieren. Sie haben auch bei starker Belastung noch Energiereserven, aber sie können auch Nein sagen und ihre Grenzen gezielt definieren. Das Risiko, auszubrennen, ist für einfühlsame, empathische Menschen, die sich gerne verausgaben, besonders hoch.

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