Bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt


(Prime Quants) - „Psychologie ist die Hälfte der Wirtschaftspolitik“ sagte einst Ludwig Erhard, deutscher Wirtschaftsminister (1949 bis 1963) und Gründungsvater des Konzeptes der sozialen Marktwirtschaft. Das wissen auch die europäischen Notenbanker der EZB, die am Donnerstag den Leitzins auf 0,75 Prozent und damit erstmals unter die magische Marke von 1,00 Prozent drückten. Unter der volkswirtschaftlichen Perspektive ist dieser Schritt nicht wirklich nachvollziehbar.

Klar, unser Geld ist wieder ein Stück „billiger“ geworden, wodurch man sich erhofft, dass das Kreditvolumen steigt, indem bspw. von den Unternehmen Maschinen gekauft werden, und so schlussendlich die Konjunktur anzieht. Doch was bringen diese Maßnahmen wirklich? Schließlich kann man so viel Wasser wie man möchte in einen Schlauch pumpen, den vertrockneten Rasen wird man jedoch erst gießen können, wenn auch das Ventil am Ende geöffnet wird. Und dieses Ventil heißt schlichtweg: Vertrauen.

„Vertrauen ist die Hälfte der Wirtschaftspolitik“ könnte man also sagen, um in den Worten von Erhard zu bleiben. Und auch das haben die Notenbanker erkannt, weshalb der Einlagensatz bei der EZB gestern auf null Prozent gesenkt wurde – die wirkliche Überraschung des Tages. Was aber heißt das? Ganz einfach, die Zentralbank versucht die Banken zum Vertrauen zu zwingen. Das aktuelle Problem: Als sich der Finanzsektor im Dezember und Februar mit günstigen Dreijahreskrediten in Höhe von fast einer Billion Euro eindecken konnte, floss nur ein geringer Teil davon in die Realwirtschaft. Der größte Batzen wird schlichtweg als Übernachteinlage wieder bei der EZB geparkt. Dafür kassierten die Banken bislang den mageren Zinssatz von 0,25 Prozent. Doch scheinbar bleibt den Kreditinstituten keine andere Wahl, denn seitdem im Jahr 2008 die Investmentbank Lehman Brothers das Zeitliche segnete, ist das Vertrauen der Banken untereinander schlichtweg auf den Nullpunkt gefallen. Egal wie groß, egal wie mächtig, niemand kann sich sicher sein, dass es den Konkurrenten/Partner und damit das verliehene Geld morgen noch gibt.

Die Währungshüter spielen also ihre nächste Karte, indem sie es den Banken so unattraktiv wie möglich machen wollen, Geld bei der EZB zu parken. Ein Blick auf die Renditen deutscher Anleihen zeigt allerdings, dass Chancen in Form von Zinsen schon lange nicht mehr der ausschlaggebende Punkt für ein Investment sind. Schließlich finden die deutschen Staatspapiere auch mit Nullrenditen reißenden Absatz. Aber warum müssen Sie sich als Aktienbesitzer oder Trader mit diesem Thema überhaupt rumschlagen?

Ganz einfach, denn solange das Vertrauen unter den Banken nicht hergestellt wird, quasi der Interbankenhandel in Schwung gebracht wird, Kredite vergeben werden und dadurch schlussendlich erst die Wirtschaft in Schwung kommt, solange werden die Maßnahmen der Notenbanken vor allem auf ihren Übernachteinlagen sichtbar sein. Die angeschlagenen Staaten werden ohne eine starke Konjunktur sowieso kaum wirkliche Fortschritte erzielen. Der DAX – und genau das haben wir jetzt zu genüge gesehen – wird auf die Maßnahmen (günstige Dreijahreskredite, niedrige Leitzinsen) immer positiv reagieren, wird aber das zurückgewonnene Kursniveau niemals halten können, solange das Kapital nicht in die Realwirtschaft fließt. Es bleibt schlichtweg bei einer Art Symbolcharakter. Denn vergessen Sie nicht was Aktien eigentlich sind. Richtig, Anteilsscheine eines Unternehmens.

Der Schlüssel zur Bewältigung der Krise liegt zum großen Teil im Vertrauen der Banken untereinander. Man mag gar nicht daran denken, was mit unserer Wirtschaft passieren würde, wenn sich unsere Unternehmer genauso ängstlich wie die Banker verhalten würden. Nein, wir reden an dieser Stelle nicht vom waghalsigen Investmentbanking. Wir reden von dem normalen Geschäft einer Bank. Der einzige Lichtblick: Sollte es tatsächlich irgendwann gelingen den Interbankenhandel in Schwung zu bringen – unsere Anmerkung nebenbei: Vielleicht sollte man auch nicht zwanghaft jedes Kreditinstitut retten, damit eine normale Selektion überhaupt erst stattfinden kann – dürfte eines sicher sein: Wir hätten einen richtigen Market Mover.

Quelle: PrimeQuants

SebastianJonkisch am 06.07.2012, 16:21

Der Text ist die persönliche Meinung des Autors und spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung von sharewise wider.

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