Ästhetisches Problem: Die Frisur als Ausdruck von Macht

Von Psychologie aktuell Redakteur Dr. Hubert Steinberg.

Sowohl Menschen, die aus medizinischen Gründen von kompletter Haarlosigkeit betroffen sind, wie auch all jene, denen ihre Haare aufgrund eines wie auch immer gearteten Zwangs entfernt wurden, sehen sich mit einer drastischen Konsequenz ihrer fehlenden Haartracht konfrontiert und das hat erhebliche psychische Auswirkungen.

Glatze ist kein ästhetisches Problem, es geht um Macht!

Man braucht sich nur einmal in den Chefetagen der Wirtschaft umsehen und wird erstaunt feststellen: überdurchschnittlich wenige Glatzenträger sind dort anzutreffen. Auf scheinbar wundersame Weise ist das Top-Management also ein Hort der Haaresfülle. Doch das ist kein Zufall, denn Haare bzw. Frisuren sind als Bühne des Selbst eines der wichtigsten Ausdrucksmittel des Menschen.

Auch und gerade Macht und Durchsetzungsfähigkeit werden durch Haare zum Ausdruck gebracht. Wir kennen dies aus der Tierwelt, wo das Aufplustern und Großmachen zu jeder Machtdemonstration untrennbar dazugehört.

Haare als Mittel der Kommunikation?

Durch das Schicksal der Haarlosigkeit oder nach einer zwangsweisen Schur ist es den Betroffenen nicht mehr möglich, die Aussage ihres Kommunikationsmittels Haupthaar selbst zu bestimmen.

Sie sind mit der Glatze auf eine bestimmte Aussage und Wirkung festgelegt, die von der symbolischen Bedeutung der Glatze in der jeweiligen Zeit abhängt. Das Phänomen Glatze hat somit das Potential, das Verstehen gesprochener Sprache zu beeinflussen, so wie dies auch die Mimik oder andere Rahmenbedingungen tun.

Sie liefert eine der Grundlage für die Interpretation der Aussagen und Handlungen der jeweiligen Person, da das Verständnis der verbalen Äußerung gleichsam auf dem Hintergrund der äußeren Gestalt geschieht.

Eine kommunikative Fesselung?

In der Natur der Glatze liegt der Umstand, dass durch das Fehlen von Haaren ein Mangel an Gestaltungsmaterial für das Selbst vorliegt. Der zur Glatze gezwungene Mensch ist eines wichtigen Kommunikationsmittels beraubt, ja er ist gleichsam kommunikativ gefesselt. Die unfreiwillige Glatze ist daher als Kommunikationsbehinderung zu werten, da sie den Glatzenträger auf eine bestimmte Aussage festlegt und ihm einen Teil seines Gestaltungsspielraumes nimmt.

Für Kahlheit gibt es viele Gründe, doch die Folgen sind meist gleich!

Viele von einer Zwangsschur Betroffene (Soldaten, Häftlinge, etc.) werden genau deshalb ihres Haupthaares beraubt. Jene Menschen, die aus medizinischen Gründen von Kahlheit betroffenen sind, durch Behandlungen oder schlicht aufgrund von Genen und Alter, können diesen Mangel durch eine Perücke mehr oder weniger ausgleichen.

Doch diese ist kein vollwertiger Ersatz, sondern hat allenfalls den Wert einer Prothese. "Der Leidensdruck der Patienten ist meist erheblich, wann immer es um das Thema Haar geht. Sei es aufgrund einer Glatzenbildung oder durch Behaarung an unerwünschten Körperstellen", erklärt der Arzt Dr. Navid Roshanaei, der beide Problemfelder behandelt.

Was lernen wir daraus?

Das Thema Glatzköpfigkeit ist also weit mehr als ein kosmetisches Problem. Es ist, auch in Zeiten von Haarerhaltungspillen und Haartransplantationen weiterhin ein heikles Thema, weil es unmittelbar unseren Selbstausdruck als Mensch und Individuum berührt.

Buchtipp:
Frisuren der Macht. Ein Standardwerk der Kommunikationspsychologie.
(ISBN 978-37347-8496-5)

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