Arbeitswelt: Der Druck im Kessel steigt!

Von Psychologie aktuell Ressortleiterin Susanne Frisch.

Druck im Betrieb und emotionale Folgebelastungen schlagen sich auch in der Frühberentungsstatistik nieder. Einer Aufstellung der Deutschen Rentenversicherung gemäß ist die Zahl der mit seelischen Störungen und sonstigen Stressfolgen begründeten Frühberentungen seit 1993 fast durchgehend angestiegen.

Steigende Frühberentungen als Warnzeichen?

Mittlerweile haben diese Frühberentungen mit einem Anteil von über 30% den Spitzenplatz unter den angezeigten Ursachen des vorzeitigen Ruhestands erstiegen. 2007 klagten in der wiederkehrenden „Schweizer Gesundheitsbefragung" zwei Drittel der Erwerbstätigen über Stress und Zeitdruck am Arbeitsplatz. 41% bejahten starke nervliche Anspannungen. Die Folgekosten werden auf jährlich 4,2 Milliarden Franken geschätzt.

In den USA gaben laut „Brain Facts 2003" 60 % der befragten Erwachsenen an, wenigstens einmal die Woche unter einer ausgeprägten Stressbelastung zu stehen. 60 % der Gesundheitsprobleme, derentwegen erwachsene US-Amerikaner einen Arzt aufsuchen, sind durch Stress ausgelöst oder damit assoziiert. Der durch Stress verursachte volkswirtschaftliche Schaden - stressbedingte Arbeits- und Produktionsausfälle sowie Ausgaben im Gesundheitssystem - wird auf jährlich 300 Milliarden US $ geschätzt.

In einer weiteren Studie (Grebner et al.) wurde festgestellt, dass 34,4 Prozent der Schweizer Arbeitnehmer angeben, häufig bis sehr häufig Stress am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein. Dies entspricht einer Zunahme von 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2000.

Der Krankenstand steigt!

Der Krankheitsstand aufgrund psychischer Erkrankungen steigt signifikant weiter an. Die Zahl solcher Störungen unter den Beschäftigten ist in den letzten Jahren um fast die Hälfte angestiegen und nach orthopädischen Leiden auf den zweiten Platz der Krankenstatistik geklettert. Bei ca. 25% der psychisch Leidenden sind die Arbeitsbedingungen der Hauptauslöser für die Erkrankung.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des „Centrums für Disease Management" unter Psychiatern. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz europaweit zunehmen. Immer mehr Arbeitnehmer fühlen sich gestresst und ausgebrannt. Daraus können sich gravierende und bleibende psychische Erkrankungen entwickeln, so die Krankenkasse MobilOil.

Unvorstellbare Summen, die auch noch steigen!

Jedes Jahr ermittelt das Statistische Bundesamt die Krankheitskosten. Für 2008 waren das zum Beispiel gut 250.000.000.000 Euro. Gut 10% Prozent davon entfielen auf psychische Störungen. Darin enthalten sind Medikamente, Therapien, stationäre Aufenthalte und vieles mehr. Auch die anteiligen Kosten der Verwaltung gehören dazu. Zusammen sind das die sogenannten direkten Kosten. Zum Vergleich: Kostenintensiver sind lediglich Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen, mahnt die IG Metall in ihrem Ratgeber Stress kostet Geld.

Anti-Stress-Initiative der IG Metall von 2012. Diese besagt, zu den direkten Kosten kämen aber noch indirekte Kosten hinzu: Dabei betrachtet man die verlorenen Erwerbsjahre. Das sind pro Jahr etwa 763.000 "Jahre" aufgrund psychischer Störungen! Die Produktionsausfallkosten und die verlorene Bruttowertschöpfung steuern noch einmal 26 Milliarden bzw. 45 Milliarden Euro zu der Rechnung bei. Und man darf nicht vergessen: Depressionen und ähnliche Diagnosen nehmen seit 10 Jahren stetig zu. Stellt sich die Frage: Wie ist der Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und der Arbeitswelt?

Seelischer Druck schadet auch den Unternehmen!

Psychische Erkrankungen beeinträchtigen damit nicht nur die Gesundheit und Lebensqualität des Einzelnen, was schlimm genug wäre. Auch aus unternehmerischer sowie volkswirtschaftlicher Sicht sind die Konsequenzen dramatisch. Psychische Erkrankungen mindern die Leistungsfähigkeit der betroffenen Arbeitnehmer, sie verursachen inzwischen gut 15% der Arbeitsunfähigkeitstage und stellen mittlerweile den häufigsten Frühverrentungsgrund dar.

Auch der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm: Auf knapp 30 Milliarden Euro schätzt das Statistische Bundesamt nach letzten Zahlen die Krankheitskosten von psychischen Erkrankungen. Dies ist auch dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt, dass ist einer Schrift „Gemeinsam gegen Stress bei der Arbeit" (2015) entsprechend warnt.

Hat das Arbeitsumfeld eine seelische Tiefenwirkung?

Die Wissenschaft ist sich inzwischen sicher, dass Arbeiten an sich, in einem gesunden Arbeitsumfeld und ohne allzu großen negativen Stress sogar gesundheitsförderlich sein kann - insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer oder Selbständige einen Sinn in seinem Tun erfährt. Die Erfahrung von „Wirkungsmacht" im Gegensatz zu gefühlter „Ohnmacht" ist hier das Stichwort.

Grundsätzlich kann Arbeit demnach einen positiven Einfluss auf die Gesundheit und die persönliche Entwicklung des Einzelnen haben. Gut gestaltete Arbeit stabilisiert die Psyche des Menschen. Wissenschaft und Fachwelt stimmen gleichwohl überein, dass psychische Belastung und ihre Wirkung auf die Beschäftigten auch eine wachsende Herausforderung unserer modernen Arbeitswelt sind.

Immer mehr Erwartungen bei immer geringerer Toleranz für Fehler?

Arbeitsverdichtung, Termin- und Leistungsdruck, häufige Störungen oder ständig wiederkehrende Arbeitsvorgänge werden von den Beschäftigten am häufigsten genannt, wenn sie nach psychischer Belastung befragt werden. Die potentiell positive Wirkung von Arbeit kann dann ins Negative umschlagen und die Entstehung von Erkrankungen begünstigen, wenn arbeitsassoziierter Stress nicht nur zeitweise, sondern systemisch und permanent auf die Beschäftigten einwirkt und die Beanspruchungsfolgen nicht ausreichend kompensiert werden können.

Der Schutz vor gesundheitlichen Risiken ist damit eine nicht ausschließlich ethische Frage. Auch aus ökonomischen Gründen ist es notwendig, mögliche Schädigungen durch arbeitsbedingte psychische Belastung beizeiten zu erkennen und zu minimieren, um spätere lange Fehlzeiten zu vermeiden. Künftig wird es in Deutschland erheblich weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter geben, und das Durchschnittsalter der Beschäftigten wird steigen.

Wird sich etwas ändern?

Auch deshalb sind die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt so einzurichten und gesundheitsbewusstes Handeln so zu fördern, dass die Menschen widerstandsfähig, mit Freude und befähigt bis zum Rentenalter arbeiten können. Daher ist es wichtig, Vorsorge zu betreiben und dem Einzelnen es zu ermöglichen, genug Zeit, Ressourcen und helfende Hände zu bieten, um sich selbst gesund erhalten zu können.

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