Arbeitskreis Gießener Studierender kämpft um Verankerung von Zivilklausel …

GIESSEN (fod). Laut der Tübinger Informationsstelle Militarisierung wurden alleine 2008 von der Bundesregierung 1,1 Milliarden Euro für Rüstungsforschung an Hochschulen und angeschlossenen Instituten zur Verfügung gestellt. Sei es nun zur Erforschung von biologischen Waffen, Entwicklung von Impfstoffen gegen Erreger oder zur psychologischen Konditionierung von Soldaten. Die im Gießener Arbeitskreis Zivilklausel engagierten Studierenden halten dies auch an Justus-Liebig-Universität (JLU) und Technischer Hochschule Mittelhessen (THM) für möglich und fordern an beiden Hochschulen die Verankerung einer solchen Klausel.

In die Grundordnung oder Kooperationsverträge aufgenommen oder als öffentliche Erklärung abgegeben, würde die Zivilklausel eine Verpflichtung darstellen, ausschließlich für friedliche und zivile Zwecke zu forschen und Lehre zu betreiben. Das Misstrauen der aktuell fünf Mitglieder des Arbeitskreises, der sich beim Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der JLU gegründet hatte und mittlerweile eigenständig ist, kommt nicht von ungefähr. Denn wie der JLU-Student Alan Ruben van Keeken bei einem Vortrag im Rahmen der jetzt zu Ende gegangenen Aktionswoche berichtete, habe es bereits Fälle von militärischer Forschung an der Gießener Universität gegeben, „die auch öffentlich geworden sind“. Am Fachbereich Veterinärmedizin im Institut für Hygiene und Infektionskrankheiten der Tiere wäre im Jahr 2000 im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums ein Impfstoff gegen Gasbrand entwickelt worden, wofür nicht-toxische Varianten des Erregers gentechnisch produziert worden seien. Verantwortliche hatten dies damals bestätigt und auch ein zweites Projekt eingeräumt, bei dem an Nachweisen für und Impfstoffen gegen den Erreger des Q-Fiebers geforscht wurde.

„Höchst fraglich“

„Aktuell“ könne man jedoch keine Rüstungsforschung an JLU und THM ausmachen, so van Keeken. Gleichwohl gebe es mehrere Fachdisziplinen, wo dies denkbar wäre, allen voran Human- und Veterinärmedizin, Physik, Biologie, Psychologie an der Universität oder in mehreren der „sehr praxisausgerichteten“ Fachbereiche der Technischen Hochschule. In vom Anzeiger bei beiden Hochschulen eingeholten Stellungnahmen - in denen man Rüstungsforschung zumindest nicht kategorisch bestreitet - wird seitens des JLU-Präsidiums darauf hingewiesen, dass bereits der Landesgesetzgeber im HHG vorgibt, dass „[a]lle an Forschung und Lehre beteiligten Mitglieder und Angehörigen der Hochschulen [...] die gesellschaftlichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnisse mitzubedenken“ haben. Während es THM-Präsident Günther Grabatin „höchst fraglich erscheint, ob es überhaupt machbar ist, die Verwertung von ingenieurwissenschaftlichen Entwicklungsresultaten dauerhaft im Sinne friedlicher Absichten zu kanalisieren“. Den Argumenten für eine ausschließlich zivil ausgerichtete Wissenschaft „steht darüber hinaus die durchs Grundgesetz garantierte Freiheit von Forschung und Lehre entgegen“, teilt er mit. „Bei vielem, was für zivile Zwecke entwickelt wurde, ist natürlich immer die Möglichkeit dabei, es auch militärisch zu nutzen“, weiß Alan Ruben van Keeken. Was für ihn und seine Mitstreiter erst recht ein Grund sei, eine Zivilklausel, wie sie bereits an acht Hochschulen existiert, zu verankern. Einen Vorstoß dazu durch den Arbeitskreis hat es bereits im Frühjahr 2011 gegeben, als dieser Vorschlag von der JLU-Senatskommission im Rahmen der Diskussion über die neue Grundordnung jedoch „abgeschmettert“ worden sei. „Man begründete dies mit der Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit, und dass in Gießen ohnehin nichts stattfindet“, berichtet van Keeken.

Erneut Antrag im Senat

Ende Mai wollen die jungen Leute einen weiteren Versuch starten und einen Antrag in den Senat der JLU einbringen, um damit eine Offenlegung aller etwa aus der Industrie an die Uni in zweistelliger Millionenhöhe fließenden Drittmittel, an normale wie auch Stiftungsprofessuren, zu erreichen. Zudem ist geplant, über das Studierendenparlament (Stupa) für eine Abstimmung unter allen Studenten bei den nächsten Wahlen im Januar 2013 zu sorgen. Zuvor wolle man in mehreren Veranstaltungen über das Thema informieren: „Wir möchten mit allen, Studierenden, Professoren, Mitarbeitern, ins Gespräch kommen.“ Einen Wunsch, den beim Vortrag ebenfalls anwesende THM-Studenten auch für ihre Hochschule äußerten.

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