"Alle Achtung, ich bin beeindruckt"

"Auf gehts Mädels. Noch 15 Minuten", ruft Carmen Thiel in den "Friseursalon" der Gewerblichen Schule. Sechs ihrer Schülerinnen der "K3Fr1B", sprich sechs Friseur-Azubis aus dem dritten Lehrjahr, sind seit gut zwei Stunden dabei, ihre "Kundinnen" zu stylen.

Das Ganze ist ein Experiment. Initiiert von Simone Schaptke, "PP"-Lehrerin der Eingangsklasse des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums (SG) in der benachbarten Emil-von-Behring-Schule. "PP" heißt "Psychologie und Pädagogik" und ist ein Hauptfach der SGler. Was die Elftklässler seit einem halben Jahr in der Theorie pauken, wird - in mancher Hinsicht - von den Friseurinnen als Basiswissen vorausgesetzt: Psychologie rein intuitiv.

"Wirke ich, wie ich wirken will? Nimmt die Friseurin mich so wahr, wie ich mich selbst?" Mit diesen Fragen im Hinterkopf lernten am Donnerstag - dem letzten von vier solcher Praxistage - drei Schülerinnen, ein Schüler sowie Schulleiterin Gabi Braun und Simone Schaptke ihre jeweiligen Stylisten kennen. Kurze Begrüßung, unauffälliges Taxieren für wenige Sekunden: Nach dieser kurzen Zeit wird von den Friseur-Schülerinnen erwartet, dass sie ihr Gegenüber einem bestimmten charakterlichen Typus mit entsprechenden Styling-Wünschen zuordnen können. Sie fixieren ihre Eindrücke schriftlich, außerhalb des Raums tun die EvBler dasselbe in Bezug auf ihre Eigenwahrnehmung.

Alle sechs Mädchen schaffen diese Aufgabe verblüffend gut. Nicht immer war das in den vergangenen Praxistagen der Fall, erzählt Carmen Thiel. Dilay besteht darüber hinaus noch eine spezielle Herausforderung: Simone Schaptke, die um einiges jünger aussieht als ihre 29 Jahre, gibt sich nicht als Lehrerin zu erkennen. Doch die 25-jährige Dilay, die bereits eine Ausbildung zur Kosmetikerin hinter sich hat, merkt es relativ schnell. "Wegen der vielen neugierigen Fragen, die sie mir gestellt hat", erklärt sie mit sympathischer Offenheit.

Nachdem die Beurteilungsbögen verglichen und gemeinsam ein "Behandlungsplan" erarbeitet wurde, herrscht erstmal eine Weile geschäftiges Schweigen. Doch langsam finden die Friseurinnen und die Gymnasiasten einen Draht zueinander. Die einzelnen "Paarungen" unterhalten sich ungezwungen. Ellen merkt schnell, dass Ilona ausgesprochen schüchtern ist. Um sie aus der Reserve zu locken, stellt sie ihre Fragen so, dass Ilona nicht nur mit Ja oder Nein antworten kann. So kann sie besser auf ihre Kundin eingehen.

Jasmin hat die verantwortungsvolle Aufgabe zugeteilt bekommen, die Schulleiterin der Emil-von-Behring-Schule zum Typ passend zu schminken und zu frisieren. Beide haben sich schnell auf "dezentes Styling" geeinigt. Schritt für Schritt erklärt die 19-Jährige, warum sie welche Mittel anwendet, wieso sie blauen Lidschatten passend findet und warum sie Lippenkonturenstift empfiehlt.

Patrick hat sich inzwischen in die Hände von Imran begeben. Die wird schnell mit dem 17-jährigen Footballer einig, dass sie ihm die Augenbrauen "ein bisschen" zupfen darf, die Hautunreinheiten wegschminken und die Haare stylen. Patrick ist am Ende total begeistert: "So will ich das selbst hinkriegen", meint er - der sich im Vorfeld als "Badmuffel" geoutet hat, der nicht mehr als nötig Zeit dort verbringen will.

Auch Saskia (mit Simona) und Laura (mit Osanna) sind am Ende mit ihrem Erscheinungsbild zufrieden - und das, obwohl Laura sich dezent schminken lassen wollte. Am Ende wirkt die 17-Jährige ausgesprochen extravagant, aber es gefällt ihr sehr gut.

An diesem Donnerstag haben die Friseurinnen bewiesen, dass sie in der Lage sind, ihr Gegenüber richtig einzuschätzen. Dem einen oder anderen Schüler wurde deutlich, was Psychologie im Alltag bedeutet.

Und Gabi Braun brachte mit ihrem Lob die intensiven 150 Minuten auf den Punkt: "Alle Achtung, ich bin beeindruckt!"

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