Zwei Stunden im Dunkeln zu lachen kann nicht schaden« – sz

Zuschauer einer Freiluftvorführung von "Ziemlich beste Freunde" im Münchner Olympiapark.

Lindsay Doran wuchs als Tochter eines Studiobosses in Hollywood auf und hat ihr ganzes Leben im Filmgeschäft verbracht. Sie hat internationale Erfolge mitproduziert – wie »Die Firma«, »Sinn und Sinnlichkeit« und »Schräger als Fiktion«. Sie war Präsidentin von United Artists Pictures, bevor sie sich als Produzentin selbstständig machte. Als »Scriptwhisperer« berät sie vertraulich namhafte Regisseure und Produzenten, wenn diese nicht weiterwissen. Ganz nebenbei arbeitet sie mit aller Macht daran, Filme als neues Antidepressivum einzusetzen.

SZ-Magazin: Frau Doran, zu welchem Mittelchen greifen Sie, wenn Sie einen schlechten Tag haben?
Lindsay Doran:
Zur DVD von Singin’ in the Rain. Wenn ich am Boden bin, schaue ich Gene Kelly beim Tanzen zu oder John Travolta in Grease, danach bin wieder ein glücklicher Mensch. Aber wir alle haben auch schon Filme gesehen, die uns mit dem Gefühl zurücklassen: Wenn der das durchstehen kann, dann kann auch ich überleben, was ich gerade durchmache. Letzten Sommer habe ich die Treppenstufen aus Rocky in Philadelphia besucht. Alle fünf Minuten läuft da jemand rauf. Irgendwann bemerkte ich, wie vielen Menschen dabei die Tränen kamen. Sie liefen die Stufen hinauf, um einen persönlichen Kampf oder Sieg zu feiern. Und das alles 36 Jahre nach einem Film über einen Typen, der seinen Kampf nicht einmal gewonnen hat! Das ist die Macht, die wir haben, wenn wir Filme machen.

Könnten Filme Antidepressiva ersetzen?
Zwei Stunden im Dunkeln zu lachen kann jedenfalls nicht schaden. Als Eddie Murphy in Dreamgirls mitspielte, lobten ihn manche dafür, dass er nun endlich ins ernste Fach wechselte. Darauf entgegnete er sinngemäß: Glaubst du wirklich, ich würde lieber in einem Drama mitspielen als in einer Komödie? Er erzählte, wie Leute ihm auf der Straße dankten, dass seine Filme sie aus einem dunklen Loch herausholten. Seine Filme werden in Krankenhäusern gezeigt, weil die Ärzte wissen, dass Komödien Leute buchstäblich gesünder machen.

Laut New York Times befinden Sie sich auf der »heimlichen Mission«, Hollywoods Aberglauben zu widerlegen, dass ein Film nur dann Kunst ist oder einen Oscar gewinnt, wenn er eine Tragödie ist und schlimm ausgeht.

Es ist mehr als ein Aberglaube, das ist eine Tatsache, für die es Beweise gibt. Viele wollen prestigeträchtige Filme machen, und sie glauben, dafür müssten sie in die düstersten Seiten des Lebens eintauchen oder einen tragischen Helden mimen. Das hat natürlich seinen Wert, aber eben nicht ausschließlich! Ich persönlich versuche Filme zu machen, die Leute erheben, und zwar immer. Mit einer Ausnahme: Die Verfilmung von Stephen Kings Friedhof der Kuscheltiere, da ging es darum, den Tod zu akzeptieren, der Film war mir aus persönlichen Gründen wichtig.

Sollen wir uns jetzt nur noch seichte Feel-good-Filme anschauen?
Es hat nichts mit Seichtheit zu tun. Martin Seligman, der Begründer der »positiven Psychologie«, spricht von fünf Elementen, die für das Wohlbefinden von Menschen verantwortlich sind: positive Gefühle, Engagement, Sinn, Erfolge und positive Beziehungen. Als ich diese Liste zum ersten Mal sah, dachte ich: Das sind genau die Zutaten, die einen guten Film ausmachen! Es heißt immer, Hollywood produziere nur Feel-good-Filme - das Gegenteil ist der Fall. Einer der letzten reinen Feel-good-Filme war Mamma Mia! - und der ist von 2008.

Aber es kommt doch eine Komödie nach der anderen ins Kino!
Ich meine Filme, die einfach nur fröhlich sind und zu hundert Prozent positive Gefühle zeigen. Ich lasse die Komödien weg, in denen man zusammenzuckt, also Hangover, Jackass oder Borat. Aber wenn ich in Hollywood herumfrage, warum machen wir denn keine Filme mehr, die Leute einfach glücklich machen, dann höre ich: Das ist nicht cool.

Man könnte auch einwenden: Das Kino soll vom Leben erzählen, und das ist eben nicht immer zum Lachen.
Richtig, deshalb mache ich so gern Filme, in denen man weint und lacht wie Sinn und Sinnlichkeit oder Schräger als Fiktion. Obwohl ich Seligmans Thesen noch gar nicht kannte, als ich Schräger als Fiktion produzierte, wurde mir im Nachhinein klar, dass der Film wie eine Betriebsanleitung für positive Psychologie ist: Will Ferrell tut all die Sachen, die jedem von uns guttun würden. Er macht einen spontanen Spaziergang, schaut sich am helllichten Tag einen Monty-Python-Film an, er beginnt, Gitarre zu lernen, und er beschließt, das Mädchen zu erobern, das er liebt. Beide Filme haben Preise und gute Kritiken bekommen und bauen einen auf, es geht also!

Dann hat es Sie sicher gefreut, dass in diesem Jahr The Artist den Oscar gewonnen hat?
Genau! Und im letzten Jahr The King’s Speech. Beides sind Filme über Ausdauer und persönliche Kämpfe. Psychologen nennen das posttraumatisches Wachstum. Es spricht viel dafür, dass Menschen nach einer schrecklichen Erfahrung stärker und reifer werden als zuvor. The Artist hat einen dunklen Aspekt. In der Mitte ist es sehr traurig und hart, dennoch geht man ziemlich beseelt aus dem Kino.

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