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Zulangen ohne Hemmungen

Veränderungen im Gehirn bei Übergewicht schalten die natürlichen Stoppsignale aus. Auch der Fettgehalt der Nahrung beeinflusst die Balance zwischen Kalorienbedarf und -aufnahme.

Der unablässige Griff nach Nahrung befriedigt das Belohnungszentrum im Gehirn: Ein Mädchen vor einer Portion Pommes Frites.

Der unablässige Griff nach Nahrung befriedigt das Belohnungszentrum im Gehirn: Ein Mädchen vor einer Portion Pommes Frites.
Bild: Keystone

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Unbewusste Essentscheidungen
Auf die Verpackung kommt es an

Berühmt ist das Experiment mit dem nimmer leeren Suppenteller des US-Wissenschaftlers Brian Wansink. Die Versuchspersonen, die nicht bemerkten, dass von unten stetig Nachschub floss, löffelten 76 Prozent mehr Suppe als die Vergleichsgruppe – ohne sich dessen bewusst zu sein.

Was als «normale» Portionengrösse angeboten wird, bestimmt ganz massiv darüber, was wir dafür zu zahlen bereit sind und wie viel wir essen, wie Wansinks Gruppe erst kürzlich wieder nachwies: Im direkten Vergleich assen die Versuchspersonen von einer Portion Spaghetti identischer Grösse deutlich mehr, wenn diese als «normal» gekennzeichnet war, als wenn sie für «Double Size» ausgegeben wurde.Auch die Vielfalt des Angebots beeinflusst uns: Gemischte Schokolinsen in zehn Farben verführten Probanden zu 43 Prozent höherem Verzehr als bei nur sieben Farben.

Das Team von Michael Siegrist an der ETH Zürich konnte in weiteren Experimenten beispielsweise zeigen, dass nur schon eine etwas aufwendigere Verpackung von Schokolade den Zugriff zu hemmen vermag. Oder dass sich durch mehr Auswahl etwa in Mensen oder Betriebskantinen zu einer gesünderen Ernährung verführen lässt: An einem Versuchsbuffet im Labor standen neben Fleisch und «Sättigungsbeilage» entweder nur eine oder zwei Gemüsesorten zur Auswahl. Die Probanden, die zwei Sorten angeboten bekamen, füllten insgesamt mehr Gemüse auf ihren Teller – entschieden sich also unbewusst für die gesündere Variante. Sabine Sütterlin

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Die drahtigen Plastiken von Alberto Giacometti können als Mahnung zum Masshalten beim Essen dienen, wie ein Experiment an der ETH Zürich ergab. Dabei waren drei Giacometti-Figuren als Bildschirmschoner auf einem Computer in dem Raum geladen, in dem Freiwillige angeblich Schokolade degustieren sollten. In Wahrheit wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob das Bild im Hintergrund sich auf die Menge der aufgenommenen Süssigkeit auswirkt.

Das Ergebnis war eindeutig: Probanden verzehrten weniger Schokolade, wenn der Bildschirm die dürren Gestalten des berühmten Bergeller Künstlers zeigte, als wenn auf dem Rechner die Farbfelder des amerikanischen Abstrakten Mark Rothko zu sehen waren. Auf Nachfrage versicherten jedoch alle Versuchspersonen, die gezeigten Bilder hätten sie keineswegs beeinflusst.

Solche Experimente sind nicht nur für die Marketingabteilungen der Nahrungsmittelindustrie interessant, sondern für alle, die sich wundern, warum sie immer wieder Dinge essen, die sie gar nicht wollen, oder mehr davon, als der Figur guttut. «Die wenigsten Menschen sind sich bewusst, in welchem Ausmass äussere Signale sie beeinflussen», sagt Versuchsleiter Michael Siegrist. Der Psychologe erforscht am ETH-Institut für Umweltentscheidungen das Verhalten von Konsumenten, insbesondere im Umgang mit Nahrungsmitteln. Siegrists Bilanz aus vielerlei Experimenten (siehe Kasten): «Mit dem freien Willen ist es beim Essen nicht weit her.»

200 Entscheidungen pro Tag

Tag für Tag stehen wir rund 200-mal vor Entscheidungen: Habe ich Hunger? Wenn ja, wähle ich dies oder das? Esse ich weiter oder höre ich auf? Dabei bestimmt hauptsächlich der Kopf, und zwar weitgehend unbewusst.

Der Hypothalamus, Steuerungszentrum des Gehirns für alle automatisch ablaufenden Körperfunktionen, regelt unter anderem das Gleichgewicht von Kalorienbedarf und Kalorienaufnahme. Dabei funktioniert er allerdings nicht unabhängig. Einerseits verarbeitet er die aus dem Bauch eintreffenden biochemischen Botschaften «hungrig – essen» und «satt – aufhören» und leitet diese an höhere Hirnzentren weiter, die uns dann zum Kühlschrank treiben beziehungsweise die Gabel weglegen lassen. Andererseits funken im Alltag viele psychische und emotionale Signale in die Steuerung hinein.

So melden manche Hirnregionen Wahrnehmungen wie Geruch, Geschmack und Aussehen von Speisen an den Hypothalamus. Erinnerungen, Gedanken oder Vorsätze mischen sich ein. Und schliesslich kommen Empfindungen wie Lust – oder auch Abneigung – aus dem Teil des Gehirns hinzu, der für Emotionen zuständig ist. Wie man heute weiss, ist dabei das «Belohnungszentrum» von zentraler Bedeutung, das auch bei der Entstehung von Sucht eine wichtige Rolle spielt.

Sofort, alles, jetzt!

Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob Essen süchtig machen kann wie Alkohol oder Drogen es können. Als medizinische Diagnose hat sich «Esssucht» bislang nicht durchgesetzt. Nahrung ist schliesslich lebensnotwendig, es ist zumindest schwieriger als bei den gängigen Substanzen, die Grenze zur Abhängigkeit zu ziehen. Womöglich bewegt sich der unwiderstehliche Drang zu ­essen im Grenzbereich zu den Verhaltensstörungen, von denen etwa die Spielsucht mittlerweile anerkannt ist.

«Essen kann wie Sex oder soziale Anerkennung als positiver Verstärker wirken», sagt die Neurobiologin Annette Horstmann vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Menschen, die diesen angenehmen Effekt immer und immer wieder ­suchen, «haben irgendwann kein natürliches ‹Genug›-Signal mehr».

Horstmann hat in einer Studie die Beziehung zwischen Gewicht und Gehirnstruktur untersucht. Die Wissenschaft­lerin liess gesunde normalgewichtige sowie übergewichtige und adipöse Versuchspersonen in einem Magnetresonanztomografen (MRT) ein Kartenspiel am Computer spielen. Dabei müssen die Probanden zwischen Kartenstapeln wählen, die entweder schnelle Sofort­gewinne bei langfristig hohen Risiken versprechen oder aber wenig Risiko, dafür Erfolg erst auf längere Sicht.

Im Ergebnis setzten sich vor allem übergewichtige Frauen in ihrem Spielverhalten deutlich von den anderen Probanden ab. Normalgewichtige Frauen lernten im Verlauf des Spiels, den Stapel mit den Langzeitverlusten zu meiden, während die übergewichtigen Frauen sich beharrlich an den Sofortgewinn hielten. Die Erwartung eines Gewinns löst dabei vergleichbare Glücksgefühle aus wie der vorweggenommene Belohnungseffekt beim Griff zu Chips oder Schoggi.

Für Horstmann spiegelt das Spiel deshalb das Essverhalten wider: «Schlanke Frauen beweisen häufiger Weitsicht. Sie vermeiden langfristige negative Konsequenzen, auch wenn diese kurzfristige Belohnung versprechen.» Zwischen normal- und übergewichtigen Männern gab es kaum Unterschiede; die Männer zielten aber insgesamt ähnlich wie die übergewichtigen Frauen eher auf den schnellen Gewinn ab und blendeten die langfristigen Verluste aus.

Die Befunde deuteten darauf hin, dass das Gehirn Übergewichtiger anders arbeite, fasst Annette Horstmann zusammen. Allerdings sei noch offen, ob ein Essverhalten mit eingeschränkter Kontrolle über den Impuls die Veränderungen der Gehirnstruktur verursacht oder umgekehrt.

Übergewicht scheint das Gehirn umzuprogrammieren. In einem Experiment an der Universität Tübingen verzehrte eine Gruppe Freiwilliger fettarmes ­Joghurt, die Vergleichsgruppe einen mit Fett angereicherten. Auch dabei wurde die Gehirntätigkeit der Probanden aufgezeichnet. Ergebnis: Allein der zusätzliche Fettgehalt reichte aus, die Aktivität im Hypothalamus herunterzufahren, der eigentlich für die Balance zwischen ­Bedarf und Aufnahme sorgen soll.

Resistenz gegen Satt-Meldungen

Inzwischen weiss man auch, dass das Gehirn eine Art Resistenz gegen die ständigen «Satt»-Meldungen entwickelt, die von den Zellen des Fettgewebes ausgehen und eigentlich als Signal dienen, dass die Speicher gefüllt sind.

Für Übergewichtige wird es also immer schwieriger, den Impuls zur Nahrungsaufnahme zu unterdrücken, je länger sie ihre Polster herumtragen. Die Veränderungen im Gehirn sind zwar umkehrbar, wie Studien an Schwergewichtigen gezeigt haben, die eine Magenbandoperation vornehmen liessen. Besser wäre, ein Umfeld zu schaffen, durch das es gar nicht so weit kommt.

Zu erkennen, wann wir nur aus Stress oder Kummer futtern, steht am Anfang. Und es hilft, die Einflüsse zu kennen, welche die Selbstkontrolle schwächen und die automatische Steuerung des Körpers austricksen. Nur so lässt sich den Marketingstrategen der Nahrungsmittelkonzerne ein Schnippchen schlagen.
(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 03.08.2013, 10:02 Uhr


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