Wirtschaftspsychologe: "Schenken ist nicht nur Schenken"

Zuletzt aktualisiert: 20.12.2011 um 19:55 UhrKommentare

Geben und Nehmen könnte einfach sein, wenn die Psychologie nicht wäre. Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler verteidigt Weihnachten.

Foto © Fotolia / Hallgerd

S ie sind Wirtschaftspsychologe, was denken Sie zum Konsumfest Weihnachten? Anders gefragt: Wären Sie der liebe Gott, würden Sie Weihnachten verwünschen?
ERICH KIRCHLER: Ich würde nicht Weihnachten, aber den Stress verwünschen. Den Menschen würde ich niedrigere Erwartungen, mehr Besinnung, Ruhe wünschen, damit die Frustration geringer wäre. Nach der Hektik des Kaufens sind viele müde, voller Erwartungen und schnell enttäuscht. Ich versuche, mir wenig beim materiellen Schenken anzutun. Wenn ich gut plane, lege ich einen Geschenke-Vorrat an.


Drohende Krisen können dem Konsum offenbar nichts anhaben. Ist das gut oder schlecht?
KIRCHLER: Ob Krisen zu höherer Sparsamkeit oder zu höheren Ausgaben führen, ist unterschiedlich und hängt davon ab, welche Erwartungen über die eigenen finanziellen Möglichkeiten in Zukunft bestehen.

Kaufentscheidungen in Familien sind eines Ihrer Forschungsthemen. Unterliegen Kaufentscheidungen für das Weihnachtsfest eigenen Gesetzen?
KIRCHLER: Grundsätzlich glaube ich nicht, dass die Entscheidungsmuster andere sind. Um Weihnachten wird oft im Zeitraffer gekauft. In der Geschwindigkeit passieren Fehler und manche unvernünftige Ausgaben. Ich finde es tragisch, wenn Geschenke unter Druck gekauft und Ende Dezember wieder umgetauscht werden. Das mag dem Handel dienen. Für mich hat das aber den eigentlichen Sinn des Schenkens verloren. Der Sinn Weihnachtens geht im Rausch des Kaufens verloren. Aber damit es kein Missverständnis gibt: Ich schenke gerne und werde gerne beschenkt, nur passiert es meistens nicht zu Anlässen, die von außen gesetzt werden. Schenken ist prinzipiell gut und es gilt das weltweit gängige Gesetz der Reziprozität, Gegenseitigkeit im Geben und Nehmen. Insofern kann Schenken auch Strategie sein, etwa als Verkaufs- oder Verhandlungstaktik.

Was sind denn das für Entscheidungsmuster?
KIRCHLER: Man unterscheidet erstens zwischen Entscheidungen, die allein oder gemeinsam getroffen werden. Bei den gemeinsamen ist es interessant, dass es aufgrund der sich auflösenden Geschlechterrollen-Segmentierung heutzutage zu mehr Meinungsverschiedenheiten zwischen Partnern kommt als früher, weil sie gegenseitig in ehemals klar getrennte Domänen vordringen. Der relativ kompetentere, interessiertere Partner hat meistens den stärkeren Einfluss. Wer aber zu stark dominiert, schädigt die Beziehung.

Sie sagen, dass sich in der Art der Güter, die gekauft werden, Beziehungskonflikte zeigen?
KIRCHLER: Dazu kenne ich eine interessante Studie. Derzufolge geben Partner, die sich in Zukunft trennen werden, deren Beziehung schlechter wird, zwar gleich viel Geld aus wie Partner in stabilen Beziehungen, erstere kaufen jedoch mehr teilbare Güter. Vielleicht für Weihnachten nicht das ideale Beispiel: Man kauft zwei Einzelbetten statt ein Ehebett. Aber es gibt wenige gezielte Studien dazu und das Ergebnis bleibt deshalb Spekulation. Mich fasziniert allerdings immer wieder, wie sich in Kaufentscheidungen, überhaupt in Geldangelegenheiten die Beziehungsqualität widerspiegelt und umgekehrt natürlich das Geldmanagement wesentlich für die Beziehungsqualität ist. Da geht es dann auch um Nutzens- und Einflussschulden, die Partner wechselseitig haben, in Entscheidungen aufbauen und einlösen. Nicht mehr besonders relevant sind in unserer Kultur die relativen finanziellen Beiträge der Partner. Der Brotverdiener ist nicht mehr der, der das Sagen hat.

Wenn sich so viel Konfliktstoff in Kaufentscheidungen verbirgt, was könnten Sie Menschen denn mit auf den Weg geben?
KIRCHLER: Die Kunst ist, sich durch einen Entscheidungsprozess zu balancieren, dass die Beziehung besser, nicht schlechter wird.

Wie geht das?
KIRCHLER: Man sollte sich erst einmal bewusst machen, dass diese eine Entscheidung ansteht und getroffen wird. Um sich darauf zu konzentrieren, muss man andere Ereignisse vom Tisch räumen und sich Zeit nehmen. Man sollte sich über seine Ziele klar werden und fragen, ob es möglicherweise verdeckte Ziele gibt. Verfolgen die Partner unterschiedliche Alternativen, ist zu klären, ob dies aufgrund unterschiedlicher Informationen so ist, grundsätzlich aber das Ziel dasselbe ist. Ein derartiger Konflikt kann leicht mit guten Argumenten, die man austauscht, gelöst werden.

Klingt schön einfach.
KIRCHLER: Tiefer reichen Konflikte, bei denen Partner aufgrund unterschiedlicher Werthaltungen verschiedene Ziele verfolgen oder mehr haben wollen als der "Kuchen" groß ist. Wenn man sich bewusst macht, worum es jedem Beteiligten tatsächlich geht, ist eine Konfliktlösung oft einfacher als angenommen.



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