«Wir sind Psychologen mit anderen Methoden»

Tagblatt Online, 28. Dezember 2014, 02:34 Uhr


«Horoskope in Tageszeitungen haben in erster Linie unterhaltenden Charakter»: Elisabeth Keel.
(Bild: Michel Canonica)

Dank ihrer täglichen Auftritte bei Radio FM 1 ist Elisabeth Keel (60) die bekannteste Astrologin der Ostschweiz. Für sie macht die Astrologie dort weiter, wo die Psychologie aufhört. Kritik an ihrer Methode empfindet sie oft als undifferenziert.

Roger Braun

Frau Keel, wie fanden Sie zur Astrologie?

Elisabeth Keel: So wie die meisten Astrologinnen: aus Neugier und Interesse. Ich habe mich schon in jungen Jahren für Klassifizierungen von Menschen interessiert. Mich interessierte zum Beispiel, ob sich Blonde systematisch von Braunhaarigen unterscheiden. Und natürlich war ich fasziniert von der Idee, dass man die Sternzeichen mit gewissen Charaktereigenschaften verbinden kann.

Trotzdem begannen Sie nach der Oberstufe eine Banklehre.

Keel: Ja, aber dort hörte mein Interesse, Menschen zu charakterisieren, nicht auf. Im Gegenteil: Am Bankschalter fiel mir auf, dass Kunden auf ganz unterschiedliche Arten unterschrieben. Es gab solche, die sehr klein schrieben, andere sehr schwungvoll, nochmals andere mit wenig Druck. Und meist stand dies im Zusammenhang mit ihrem Verhalten. So stellte ich zum Beispiel fest, dass dominante Personen meist viel grösser schrieben. Eines Tages schickte ich meine Notizen einem renommierten Graphologen in Zürich – und der sagte mir, dass ich eine sehr feine Beobachtungsgabe und ein gutes Gespür für Menschen hätte. Dies bestärkte mich in meiner Leidenschaft für die Esoterik.

Fand diese Leidenschaft auch beruflich ihren Niederschlag?

Keel: Nur Stück für Stück. Nach einigen Jahren verliess ich die Bank und wechselte zu einer grossen Versicherung. Dort arbeitete ich als Leiterin des EDV-Sekretariats, für die Personalabteilung und als Ausbildnerin im Bereich Informatik und Kommunikation. Ich merkte auch dort, dass mir meine Beobachtungsgabe und die Astrologie sehr hilfreich waren beim Einschätzen von Menschen.

2003 schliesslich machten Sie sich selbständig als Coach, Astrologin und Ausbildnerin. Wie reagierten Ihre ehemaligen Arbeitskollegen aus der Finanzindustrie auf diesen Wechsel?

Keel: Sehr verwundert. Du, als ehemalige Bankerin!, hiess es allenthalben. Zweifellos ging ich mit diesem Schritt ein Risiko ein, doch das zeichnet Astrologinnen aus: der Mut, ausgetreten Pfade zu verlassen und etwas Neues zu beginnen. Ich habe die Kritik nie ganz verstanden, denn die Astrologie ist mit ihren Horoskopen in der Persönlichkeitsberatung ein vorzügliches Mittel, schnell zu wichtigen Einsichten zu kommen.

Psychologen würden wohl eher einen Fragebogen benutzen, um einen Menschen einzuschätzen…

Keel: Ja, und das ist auch okay so. Wer zu mir in die Persönlichkeitsberatung kommt, kann selber entscheiden, ob ich reine Coaching-Modelle anwende oder auch die Astrologie einbeziehe. Gerade beim Coaching von Firmen lasse ich die Astrologie häufig weg. Trotzdem bin ich überzeugt, dass die Astrologie gegenüber herkömmlichen psychologischen Methoden Vorteile hat. Ein Horoskop gibt in kürzester Zeit einen umfassenden Überblick über einen Menschen und vermittelt eine ganzheitliche Sicht über dessen Potenzial. Die Astrologen sind gewissermassen Psychologen mit anderen Methoden.

Und gerade diese Methoden sind hoch umstritten. Wissenschaftliche Unter- suchungen sprechen der Astrologie die Fähigkeit ab, verlässliche Aussagen zu machen.

Keel: Die Statistik funktioniert nicht in bezug auf die Astrologie, weil sie dafür das falsche Messinstrument ist. Mit der Esoterik ist es dasselbe. Ich bin überzeugt: Die Welt wird sich weiterentwickeln, und eines Tages wird auch die Astrologie zur Wissenschaft gehören. Und dort gehört sie auch hin. Denn solange Astrologie nicht an der Uni gelehrt wird, werden Astrologinnen und Astrologen nicht ernst genommen.

In einem berühmten Experiment wurde 150 Testpersonen das Geburtshoroskop eines Serienmörders vorgelegt. 94 Prozent dieser Leute erkannten sich in diesem Horoskop wieder. Zeigt das nicht, dass Horoskope sehr schwammig und damit nutzlos sind?

Keel: Vielleicht war es in diesem Fall schwammig. Was für mich aber entscheidend ist: Astrologie funktioniert im Alltag. Ich erhalte fast ausschliesslich positive Rückmeldungen auf meine Aussagen. Dasselbe Phänomen sehen wir bei der Homöopathie: Diese Mittelchen helfen den Patienten – ganz egal, ob es wissenschaftlich belegbar ist oder nicht. Das ist das, was für mich zählt.

Für viele ist auch schwer verständlich, wieso unser Verhalten von den Planeten gesteuert sein soll.

Keel: Das ist sowieso eine falsche Formulierung. Die Planeten wirken nicht auf uns. Sie senden keine guten oder bösen Strahlen auf die Erde und interessieren sich auch nicht für unsere Finanzen und Partnerschaft. Nur weil Mars dominant am Himmel steht, werde ich nicht aggressiver.

Und wieso soll es dann einen Zusammenhang zwischen Planetenkonstellation und menschlichem Verhalten geben?

Keel: Die Astrologie ist eine Erfahrungswissenschaft, und die Erfahrung zeigt, dass es einen Zusammenhang gibt! Die Quantenphysik rüttelt ausserdem am Grundprinzip, dass Gesetzmässigkeiten in der Natur kausale Zusammenhänge voraussetzen. Es gibt viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die nicht abschliessend erklärbar sind. Wichtig ist, dass die Methode der Astrologie funktioniert – und das tut sie.

Würden Sie sich als spirituell bezeichnen?

Keel: Ja. Ich glaube an etwas Übernatürliches, das für uns noch nicht fassbar ist. Ich bin überzeugt, dass es eine grosse Kraft gibt, die uns im Leben leitet. Ich glaube auch, dass da mehr ist als das Leben hier und jetzt.

Sind Sie auch religiös?

Keel: Ich bin in einer katholischen Familie in dörflichem Umfeld aufgewachsen, wo man zweimal pro Woche in die Kirche ging. Als ich älter wurde, häuften sich allerdings die Zweifel. Gegen christliche Gebote liess sich offenbar ungestraft verstossen. Auch zweifelte ich daran, dass ausgerechnet die christliche Lehre die richtige sein soll.

Die christliche Kirche wirft der Astrologie vor, fatalistisch zu sein. Zu Recht?

Keel: Nein. So, wie ich die Astrologie betreibe, ist diese nicht fatalistisch. Ich mache keine Prognose à la nächstes Jahr werden Sie den Job verlieren. In der Astrologie geht es vielmehr darum zu klären, wie sich die Ausgangslage präsentiert, und Wege für die Zukunft aufzuzeigen. Es gibt zum Beispiel bessere und schlechtere Zeitpunkte für eine Weiterbildung oder einen Jobwechsel. Die Kritik, dass die Astrologie fatalistisch sein soll, halte ich deshalb für unqualifiziert.

Was halten Sie von Tageshoroskopen in Zeitungen?

Keel: Das sind für mich Zwischen-Tür-und-Angel-Horoskope. Für eine seriöse Aussage reicht es nicht, nur das Sternzeichen einer Person zu kennen. Horoskope in Tageszeitungen haben in erster Linie unterhaltenden Charakter. Für ein aussagekräftiges Persönlichkeitshoroskop braucht es aber mehr, nämlich die möglichst exakte Geburtszeit und den Geburtsort. Wichtig ist mir daneben auch das persönliche Gespräch zu einem Horoskop.

Wieso ist das nötig? Erzählen die Sterne nicht die ganze Geschichte?

Keel: Was die Grundanlagen einer Person angeht, schon. Gleichzeitig steht jede Person an einem anderen Punkt im Leben. Deshalb ist es mir wichtig, die Person in einem Gespräch kennenzulernen. Meine Beobachtungsgabe sowie meine sensible Wahrnehmung als systemischer Coach ermöglichen mir, sehr präzise Aussagen zu machen.

Nächste Woche feiern wir Neujahr. Was natürlich alle wissen wollen: Wie wird das Jahr 2015?

Keel: 2015 ist ein Jupiterjahr und verspricht daher viel Schwung, Optimismus, Wachstum und Expansion. Das ganze Jahr über gibt es immer wieder höchst dynamische Sternkonstellationen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit von grossen, einschneidenden Ereignissen wie zum Beispiel Naturkatastrophen oder politischen Umwälzungen. Weil aber Jupiter die Jahresherrschaft übernimmt, werden wir insgesamt viele Glücksmomente erleben.

Kann man also damit rechnen, dass der FC St. Gallen nächstes Jahr Schweizer Meister wird?

Keel: In der Tat sieht es nicht schlecht aus. Wenn ich mir das Gründungshoroskop des FCSG ansehe, fällt mir auf, dass Mars bei der Vereinsgründung genau am gleichen Ort stand wie zu Beginn des Jahres 2015. Das ist eine sehr gute Ausgangslage für die zweite Saisonhälfte. Aus astrologischer Sicht ist es gut möglich, dass der FC St. Gallen im obersten Drittel der Rangliste zu liegen kommt – und sogar Chancen auf den Meistertitel hat. Realistischerweise fehlt es aber im Vergleich zu Basel an Budget und an einem Goalgetter.

Und was erwarten Sie für die Schweiz insgesamt?

Keel: Mit Geburtsdatum 12. September 1848 ist die Schweiz ein Jungfrau-Land. Nächsten Sommer nun wird der Glücksplanet Jupiter ins Zeichen der Jungfrau wechseln. Das sind sehr gute Ausgangsbedingungen für die Schweiz. Allerdings gibt es noch andere Konstellationen, die anzeigen, dass wir uns weiterhin gegen den Rest der Welt behaupten müssen. Gerade im Verhältnis mit der EU werden wir gefordert sein.

Das tönt jetzt wieder sehr schwammig.

Keel: (Lacht) Ja, auch Astrologinnen können keine definitiven Ereignisse voraussagen. Das kann doch niemand, oder?

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