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Martin Sturzenegger
Stv. Ressortleiter News


«Wir» haben gewonnen!

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Die Fussball-WM stürzt grosse Teile der Gesellschaft in Euphorie. Das fördert Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit, meint ein deutscher Sozialpädagoge.

Ein Volk im Fahnenmeer: Schweizer Fussballfans.

Ein Volk im Fahnenmeer: Schweizer Fussballfans.
Bild: Keystone

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Es gibt gute Gründe, die Fussball-Weltmeisterschaften zu boykottieren: Überteuerte Infrastrukturprojekte, die auf Kosten Einheimischer realisiert werden, Korruptionsvorwürfe gegen die Fifa oder unkontrollierte Fanmeilen mit Uringestank.

Das sind keine Vorwürfe, sondern Déjà-vus. Alle zwei Jahre – ob WM oder EM – erhebt sich der Fussball zum Volkssport Nummer 1. Allfällige ethische Bedenken werden durch den Anpfiff des Turniers weggewischt. Kaum jemand, der sich der kollektiven Euphorie entziehen kann.

Die unbeliebte Rolle des Spielverderbers

Einige versuchen den Spagat. Etwa Terrres des Hommes, die in der Schweiz zu den lautesten Kritikern der Fifa gehört, weist in ihrer aktuellen Broschüre auf Menschenrechtsverletzungen in Brasilien hin. Doch niemand gibt gerne den Spielverderber und deshalb legt die NGO grosszügig Fussballbildli bei: Nicht diejenigen von Panini, sondern die Alternativen vom «Tschutti-Sammelheftli»: 10 Rappen pro Päckchen werden an gute Zwecke gespendet. Aus der Not wird eine Tugend.

Aus der Politik ist wenig zu vernehmen. In Sotschi war der Olympiaboykott noch lauthals und quer durch alle Parteien gefordert worden. In Brasilien ersticken die wenigen kritischen Stimmen im lebensbejahenden Lärm der Sambarhythmen.

Sommerliche Seligkeit als «gefährlicher Unsinn?»

Doch es gibt sie, die ewig standhaften Kritiker. Die NZZ fragte gestern «Ist Fussball Opium fürs Volk?» und nahm dazu die deutsche Linke unter die Lupe, deren Fussballbegeisterung nun durch den anschwellenden Fan-Patriotismus getrübt wird. So beschwert sich etwa die Sozialistische Alternative Göttingen: «Wir lehnen die Fussball-Weltmeisterschaft mitsamt ihrer ganzen Inszenierung als ein Nationalismus stiftendes Instrument der Machthabenden zur Legitimation kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse ab.»

Auf der Strasse sind solche Tendenzen im Kleinen feststellbar. Etwa wenn sich der Public-Viewing-Gänger im kollektiven Wirgefühl verliert: «Wir» haben gewonnen! Jetzt haben «wir» aber ein schönes Tor geschossen! «Wir» sind besser als «sie»! Scheinbar harmlos, für den Bielefelder Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer aber bezeichnend: Die sommerliche Seligkeit und den Patriotismus bezeichnet er als «gefährlichen Unsinn» und «ein Stück Volksverdummung».

Der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung legte 2012 eine Langzeituntersuchung zu «Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit» vor. Dazu befragte das Institut über mehrere Jahre jeweils rund 2000 Deutsche und stellte fest, dass kollektiver Fussballtaumel denselben Einstellungen folgt wie Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Islamophobie: Die Idee einer Ungleichwertigkeit von Menschen und der Abwertung von Andersartigen und Entbehrlichen.

Nationalistischer als vor der WM

In seiner Befragung will Heitmeyer herausgefunden haben, dass nach der Fussball-Weltmeisterschaft befragte Personen «nationalistischer eingestellt» waren als früher Befragte. Die Vermutung, dass es sich dabei um eine neue, offene und tolerantere Form der Identifikation mit dem eigenen Land handelt, lasse sich nicht bestätigen:
Der Zusammenhang zwischen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit sei durch den «Partypatriotismus» nicht aufgebrochen worden.

Mit der «Schwarz-rot-geil-Stimmung» oder Kampagnen wie «Du bist Deutschland» wird gemäss Heitmeyer eine «Schicksalsgemeinschaft» betont, die auf schwankendem sozialen Boden stehe: «Jene Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft sollen wieder emotional integriert werden, die andererseits sozial desintegriert worden sind.»

Alle feiern gemeinsam und die Fussball-Weltmeiserschaft bringt verschiedene Schichten zusammen. Ist die WM also doch auch ein friedenstiftendes Element der Gesellschaftsverständigung? Für die linksliberale Zeitschrift «Der Freitag» ist es umgekehrt: «In Wirklichkeit ist es genau anders herum: In der Regel feiern alle gemeinsam – aber nicht weil, sondern obwohl es die Fussball-WM gibt.»

(Bernerzeitung.ch/Newsnet)

Erstellt: 27.06.2014, 13:14 Uhr


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