Winterkorn und andere: Psychologie der abgestürzten Manager – manager

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Ein Interview von Helene Endres

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Wenn Topmanager scheitern, suchen sie oft Hilfe beim Wirtschaftspsychologen Jörg Wirtgen. Der ehemalige Vorstand weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, plötzlich abserviert zu werden. Jetzt hilft er anderen. Ein Gespräch übers Rasenmähen, gescheiterte Ehen und Winterkorns Sprung vom 10-Meter-Brett.

mm.de: Herr Wirtgen, warum fällt es Top-Managern so schwer, zu scheitern?

Wirtgen: Das Scheitern an sich ist in diesen Positionen nicht das Problem - jeder Vorstand ist schon gescheitert. Ehen scheitern, Freundschaften zerbrechen, ein Job passt nicht zu einem, man sucht sich schnell was Neues. Das ist für uns schon fast ein normaler Zustand. Unnormal wird er erst, wenn Sie anschließend nicht mehr reinkommen in den Job. Dann sind Sie gescheitert.

mm.de: Also die Kandidaten aus der "Was-macht-eigentlich"-Rubrik.

Wirtgen: Genau. Wenn die einen Job verlieren, sind sie erstmal ganz entspannt, gehen mit dem Hund Gassi, mähen Rasen, denken, das Netzwerk wird es schon richten. Und dann: Passiert nichts. Keiner ruft zurück. Die Verbindungen sind innerhalb von kürzester Zeit nichts mehr wert.

mm.de: Wie wird es Herrn Winterkorn gehen die nächsten Tage und Wochen?

  • Jörg Wirtgen ist Wirtschaftspsychologe und Inhaber der WM-Consult in Berlin. Der ehemalige Vorstand wechselte vor einigen Jahren die Seiten und coacht heute Top-Manager.

Wirtgen: Ich kenne Herrn Winterkorn nicht persönlich, aber ich gehe davon aus, dass es ihm nicht gut geht. Besonders schwer wiegen die absolute Machtlosigkeit und Hilflosigkeit, denn er ist an der Lösung der Thematik nun nicht mehr beteiligt, kann lediglich zuschauen, was andere tun. Er steht auf einem 10-Meter-Brett im Schwimmbad und will springen und im Becken ist kein Wasser.

mm.de: Klingt nach einer unschönen Erfahrung.

Wirtgen: Je höher man kommt, desto höher wird die Dramatik. Scheitern ist im Weltbild der Alpha-Menschen nicht vorgesehen. Deren Prinzip ist: Ich war die letzten 30 Jahre so wie ich bin erfolgreich - wieso sollte ich das jetzt nicht mehr sein? Anderen passiert das, mir nicht.

mm.de: Winterkorn mag ein Extrembeispiel sein - wie geht es mit gestürzten Managern weiter?

Wirtgen: Die Frequenz des Rasenmähens kann irgendwann nicht mehr gesteigert werden. So oft muss kein Hund pinkeln, wie Sie jetzt Zeit haben, Gassi zu gehen. Also gehen sie nur noch im Dunkeln raus. Das hat auch den Vorteil, niemanden zu treffen. Denn das Schlimmste für diese Menschen ist die Frage: "Und, was gibt es Neues?". Die Antwort ist nämlich: Nichts. Die haben nichts mehr zu erzählen, weder Freunden noch Bekannten noch der eigenen Frau. Also ziehen sie sich zurück. Die meisten gehen übrigens auch nicht zum Arbeitsamt vor lauter Scham, selbst wenn sie Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten.

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