Wie Sie Lügen erkennen und entlarven

Jeder Mensch lügt. Alltägliche Schwindeleien sind sozialer Schmierstoff. Doch wie erkennt man, ob jemand die Unwahrheit sagt? Eine perfekte Methode dafür gibt es nicht, aber Tipps.

Ein ganz normaler Morgen am Flughafen. Passagiere durchqueren den Security-Check. Doch statt nur die Koffer zu durchleuchten und den Ausweis zu kontrollieren, stellen die Sicherheitsbeamten plötzlich private Fragen: „Können Sie mir ein bisschen über Ihren höchsten Schulabschluss erzählen? Wie hieß Ihr Schulleiter?“ Oder: „Wen besuchen Sie hier? Wie oft kommen Sie zu Besuch? Wie lange dauert die Taxifahrt vom Flughafen bis zu Ihrer Familie?“

Was das soll? Von der misstrauischen Ehefrau bis zum skeptischen Kriminalkommissar: Menschen wollen Lügner und Lügen erkennen. Auch die Sicherheitsbehörden am Flughafen. Wissenschaftler haben speziell für sie eine Befragungstechnik entwickelt, um verdächtige Reisegäste zu identifizieren. Der schematische Ablauf: erst eine allgemeine Frage, dann eine Detailfrage. Wer dabei ins Straucheln gerät, erzählt nicht die Wahrheit. Wer nicht die Wahrheit erzählt, hat womöglich etwas zu verbergen. Ein Alarmsignal für die Sicherheitsbeamten.



… sparen beim Reden an Details.

… brauchen weniger Redezeit als jemand, der eine wahre Geschichte erzählt.

… distanzieren sich sprachlich, sprechen also eher von „man“ als direkt von Personen.

Tatsächlich konnten trainierte Flughafenmitarbeiter durch die gezielte Fragestellung in einem Experiment zwei Drittel der Passagiere herausfiltern, die über ihren Reisegrund gelogen haben. Beamte, die nur wie bisher üblich auf Verhaltensauffälligkeiten achteten, entlarvten nur fünf Prozent der verdächtigen Reisenden. Ob sich die Technik auch im Alltag einsetzen lässt, ist noch nicht erforscht. Aber es reizt wohl jeden, einen Lügner direkt auf frischer Tat ertappen zu können. Denn wir wissen oder ahnen es zumindest: Unsere Mitmenschen lügen – so wie wir selbst auch. Lügen sind ein alltägliches Phänomen, und das hat soziale Gründe.

Top-Lügen: Alter, Gehalt, Gefühle und Sexualität

An einem durchschnittlichen Wochentag setzen Menschen ein bis zwei Lügen in die Welt. Jüngere mehr als ältere, Frauen ebenso wie Männer – und zwar unabhängig davon, ob jemand Lügen für unmoralisch hält. Das haben zahlreiche Befragungen ermittelt. Aber selbst diese Angaben entsprechen vermutlich nicht der Wahrheit – weil die Probanden vermutlich geflunkert haben. In einer US-Studie von 2010 behaupteten tatsächlich vier von zehn Probanden, an dem erfragten Tag überhaupt nicht gelogen zu haben. Die Forscher glaubten das nicht. Sie hakten nach und fragten eine weitere Probandengruppe, wie oft sie am Tag selbst logen, und was sie glaubten, wie oft sie von anderen belogen wurden. Natürlich waren sie allesamt selbst viel öfter Opfer von Unwahrheiten als Lügner. Ein Drittel behauptete, 24 Stunden lang nicht gelogen zu haben, aber nur jeder Sechste sei in dieser Zeit selbst nicht von anderen belogen worden. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.

Am liebsten schwindeln Menschen im Alltag über ihr Alter, das Gehalt, darüber wie sie sich fühlen, und auch, wenn es um ihr Sexualleben geht. Besonders hoch ist die Täuschungsquote im Familien- und Freundeskreis. Laut einer Umfrage des US-amerikanischen Magazins Reader’s Digest gaben 96 Prozent der Leser zu, nahestehenden Menschen gegenüber hin und wieder unehrlich zu sein. Auch wissenschaftliche Studien zeigen, dass einem bei den Liebsten eher mal verzerrte Aussagen herausrutschen als bei weniger bekannten Mitmenschen. Nicht, weil Erstere es verdient hätten, sondern schlicht, weil man mit diesen Personen besonders viel Kontakt hat und dadurch öfter Situationen entstehen können, in denen man etwas von der Wahrheit abweicht. So die Erklärung von Psychologen.

Andere Situationen, die zum Flunkern einladen: Bewerbungsgespräche und Dates. In einer Untersuchung mit Studenten, die zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurden, hielten es neun von zehn Bewerbern nicht so sehr mit der Wahrheit. Einige betonten Fähigkeiten, die sie gar nicht besaßen, andere übertrieben ein wenig mit ihren Aufgaben in bisherigen Jobs oder schwiegen über Probleme, die sie auf der Arbeit hatten. Manch einer lieh sich sogar von Bekannten ganze Abschnitte eines Lebenslaufes und gaben deren Erfolge als eigene aus.

Warum der alltägliche Schwindel?

Ähnlich läuft es beim ersten Rendezvous. Auch dort reichen die Schwindeleien von „Ach, du machst gern Radtouren? Das ist ja spannend.“ bis hinzu falschen Lebensläufen. Eine ältere Befragung unter Singles offenbarte sogar, dass zwei von drei Frauen bei einem Date die eine oder andere Unwahrheit einstreuten, um am Ende des Abends mit dem Gegenüber ins Bett gehen zu können. Der Umfrage zufolge hätten das angeblich nur halb so viele Männer gewagt.

Bei der Partnersuche zumindest schummeln Singles beiderlei Geschlechts ähnlich engagiert, offenbarte eine Befragung unter Mitgliedern einer Online-Dating-Seite in den USA. Demnach übertreiben Männer vor allem bei ihrer Körpergröße, während Frauen bei ihrem Gewicht großzügig abrunden. Manipulierte Fotos oder solche aus früheren Jahren werden auch gern zur besseren Selbstdarstellung eingesetzt. Die gute Nachricht: Wenn es um das angestrebte Beziehungsverhältnis geht, bleiben die Partnersuchenden ehrlich.

Doch warum dieser alltägliche Schwindel? Tatsächlich steckt dahinter eher selten eine niederträchtige Absicht. Vielmehr sind kleine Lügen so etwas wie der Schmierstoff im sozialen Miteinander oder unser persönlicher Schutzwall vor Konflikten. Wir wollen nett sein („Wie findest du meinen neuen Kurzhaarschnitt?“ – „Bezaubernd.“), Konflikten vorbeugen („Warum hast du nicht angerufen?“ – „Ich hatte so viel zu tun.“), besser dastehen („Die Prüfung war total einfach, oder?“ – „Ja, kinderleicht.“) oder andere schützen („Sie können da jetzt nicht hineingehen, Ihr Mann ist in einer wichtigen Besprechung.“).

Lesen Sie auf der nächsten Seite, woran man Lügen am ehesten erkennt

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