Wie Panikattacken das Leben zur Hölle machen

Seit sechs Jahren dominieren Panikattacken Theresas Leben. Die Schritte zurück in ein normales Leben sind klein und anstrengend. Und nicht immer gelingen sie. Ein Erfahrungsbericht über Krankheit, die auch vielen Medizinern noch immer ein Rätsel ist.

Gerade erst ist Theresa von zu Hause aufgebrochen, da würde sie am liebsten wieder umkehren. Zumindest würde Elfriede dann leiser werden. Theresa, 31, langes dunkles Haar, blass und hager, blickt sehnsuchtsvoll zurück zu ihrer Haustür. Elfriede schreit in ihr: „Geh zurück!“ Theresa saugt hastig an der Zigarette. Vielleicht 20 Meter liegen zwischen ihr und ihrer Wohnung, ihrem Refugium.

Elfriede ist seit Jahren ein Teil von Theresa. Ein Teil, den sie gerne aus ihrem Leben streichen würde. Ihre Angst, ihre innere Stimme, die ständige Begleiterin. Den Namen hat Theresa Elfriede vor einem Jahr selbst gegeben. Der schlimmste, der ihr eingefallen ist. Viele Psychotherapeuten raten dazu, der Angst einen Namen zu geben. Geholfen hat ihr das bisher nicht. Theresa hat eine Angststörung. Sie ist Agoraphobikerin.



Agoraphobie ist nach dem internationalen Diagnoseschema (ICD-10) eine deutliche und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei von vier Situationen: Menschenmengen, öffentliche Plätze, Reisen ohne Begleitung, Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause. Dabei treten mindestens zwei von vierzehn für eine Panikattacke relevanten Symptomen auf, etwa Herzrasen, Zittern Schwindel, Übelkeit. Deutsche Ärzte unterscheiden zwischen einer Agoraphobie mit und einer ohne Panikstörung.

Theresas Kinder wuseln um sie herum. Stefan ist acht, Marie fünf Jahre alt. Nervös kratzt sich Theresa am Arm, am Hals, im Gesicht, mit der einen Hand an der anderen, streicht sich mit den Fingern über die Stirn, immer wieder. Auch dann noch, als sie die widerspenstige Strähne längst hinter ihrem Ohr festgeklemmt hat.

Als wir uns das erste Mal sehen, fürchte ich, dass Theresa sofort wieder wegläuft. Ihr Handschlag ist zögerlich, der Blick bange, als sie durch die Haustür tritt. „Ich muss immer sofort wegkönnen, sonst spielen meine Gedanken verrückt“, hatte sie mir in einer der seitenlangen E-Mails geschrieben, die wir uns in den Wochen zuvor geschickt hatten. Es könne jederzeit passieren, dass sie mich unangekündigt stehen lässt. Mich, den fremden Journalisten, der sie über ihr Leben aushorcht.

Das Treffen am Vortag hatte Theresa wegen Kopfschmerzen abgesagt. Auch heute dröhnt ihr Kopf. Ob sie wirklich krank ist, das weiß Theresa nicht. Das könne auch ihre Angst sein, wird sie mir später sagen. Die wolle verhindern, dass sie sich überwindet. Sie wird mir auch sagen, dass sie die ganze Zeit darüber nachgedacht habe wegzurennen. Weg von hier. Weg von mir.

„Schaffst du das wirklich?“

Theresa zwingt sich, geht die menschenleere Straße entlang. Weg von zu Hause. Je weiter sie geht, umso lauter wird Elfriede; und umso kleiner werden Theresas Schritte; bis sie vollends stehenbleibt. Seit ihrer ersten Panikattacke vor sechs Jahren ist sie nicht mehr so weit gekommen. Irgendeine Straße, hundert Meter weit weg von zu Hause. Eine bedrohliche Welt. Weiter geht es nicht.

Hier draußen dröhnt Elfriede besonders laut. „Schaffst du das wirklich? Was ist, wenn nicht?“, hört Theresa sie sagen. Immer wieder. Polternd. Unerbittlich. „Halt’s Maul, Elfriede! Halt’s Maul!“ Theresas Umwelt bekommt nichts mit von diesem Zweikampf.

Einer von hundert Deutschen erkrankt zumindest einmal in seinem Leben an einer Agoraphobie, doppelt so viele Frauen wie Männer. Die Betroffenen leiden an zusammenhängenden und sich häufig auch überschneidenden Ängsten. Sie haben Angst davor, das eigene Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, sich in Menschenmengen oder auf öffentlichen Plätzen zu bewegen, zu verreisen, in einen Aufzug zu steigen, zum Arzt zu gehen, mit Menschen zu sprechen. Die Symptomatik äußert sich vielfältig. Eine Schlüsselangst aber eint alle Betroffenen: Die Angst, einer bestimmten Situation nicht entkommen zu können, keinen Fluchtweg zu haben.

Von dort, wo sich Menschen sammeln, will Theresa weg. Dort ist sie machtlos, es ist unübersichtlich, für sie nicht kalkulierbar. Dort geht sie gar nicht erst hin.

Zu ihr nach Hause können wir aber auch nicht, das will sie nicht. „Das ist mein sicherer Bereich.“ Ein anderer Ort für das Gespräch kommt nicht in Frage. Schon die Holzbank, die am Ende der Straße steht, ist für Theresa unerreichbar. Da traut sie sich nicht hin. Hinsetzen könne sie sich ohnehin nicht, in ungewohnten Situationen würde sie da nur unruhig werden.

Alle paar Minuten laufen Menschen an uns vorbei. Manche bleiben kurz stehen, manche schütteln den Kopf. Niemand grüßt. So, als würden sie alles über Theresa wissen – und sie dafür verachten.

Theresa steht noch immer an derselben Stelle, 100 Meter von ihrem Haus entfernt. Eine kleine Straße in der oberbayerischen Kleinstadt, in der sie seit zehn Jahren lebt. Auf der einen Seite kleine Häuser, Geranienkästen an Fenstern und Balkonen, Gemüse in den Vorgärten, die Hecken sauber gestutzt. Auf der anderen ein Rinnsal, das Weizenfeld dahinter schlägt Wellen im Wind.

Flucht vor Gefahrenmomenten

„Gehen wir ins Schwimmbad, Mami?“, fragt ihr achtjähriger Sohn mit wehleidigem Blick und zerrt an ihrem Arm. „Nein! Jetzt nicht, habe ich gesagt!“ Theresa ist gereizt, ihr Sohn schnell wieder ruhig.

Theresa zündet sich die nächste Zigarette an, durchwühlt ihre Handtasche, kramt ihr Handy hervor und ruft zu Hause an. „Besetzt, wieso telefoniert der denn jetzt?“, murmelt sie unruhig vor sich hin. Wäre ihr Mann nicht gerade zu Hause, hätte sie sich zu dem Spaziergang gar nicht erst durchringen können. In der Vorwoche hat sie sich schon getraut, allein mit den Kindern zum Supermarkt zu gehen. Das erste Mal seit Jahren. Im Notfall ist da jemand, der sie abholen, der sie retten kann. Sie drückt auf Wahlwiederholung.

In der Regel entwickelt sich eine Angststörung aus wiederholten Panikattacken. Um der Panik zu entkommen, fliehen viele Betroffene vor jenen Situationen, unter denen der Anfall aufgetreten war. Sie verlassen ihr Haus nur noch, wenn es sich nicht vermeiden lässt, ziehen sich zurück. Bei manchen gewinnt die Angst irgendwann die Kontrolle über ihr Leben.

Theresa heißt eigentlich anders. Ihren Namen, den ihres Mannes und ihrer Kinder will sie nicht abgedruckt sehen. Aus Scham und ihren Kindern zuliebe. Wenn Theresa über ihre Krankheit spricht, sagt sie: „Das ist meine Büchse der Pandora.“

Es beginnt im Juni 2009. Theresa sitzt am Steuer ihres Wagens, als sie plötzlich das Gefühl hat, sie würde sterben. Auf einer Autobahn irgendwo im Münchener Umland. Ihr Mann neben ihr, ihr zweijähriger Sohn auf der Rückbank, die ungeborene Tochter in ihrem Bauch. Zwanzigste Schwangerschaftswoche. Vor ihren Augen wird es dunkel, manchmal blitzt es grell, ihr Puls rast. Theresa wird schwindelig, die Umgebung zerfließt. Sie hat das Gefühl, jeden Augenblick das Bewusstsein zu verlieren.

Theresa biegt auf einen Rastplatz ab. Dort wird sie zur Ruhe kommen, ganz bestimmt. Wie gerne würde sie jetzt eine Zigarette rauchen. Aber da ist ja das Kind in ihrem Bauch. Wieso hat sie nur aufgehört zu rauchen? Wieso nicht, wie bei der ersten Schwangerschaft, nur noch drei Zigaretten am Tag? Dann dürfte sie jetzt.

Sie blickt ihrem Sohn in die Augen und erinnert sich an die eigene Kindheit. An die Scheidung ihrer Eltern, als sie zehn, an den Tod ihrer Mutter, als sie fünfzehn war. An das Alleinsein. Die Panik schwillt.

Was ist da gerade passiert? Was war das? Wie wird sie den übrigen Weg zu ihrer Tante überstehen? Und wie erst die Heimfahrt? Mehr als hundert Kilometer. Ihr Mann hat damals noch keinen Führerschein.

Theresa fährt weiter. Sie dreht das Radio auf, um sich abzulenken. Die Dunkelheit, der Schwindel, der rasende Puls: Sie gehen nicht weg.

Irgendwie schafft sie es trotzdem bis nach Hause.

Wie am Abgrund einer Klippe

Als ich nach einiger Zeit Block und Stift aus meiner Tasche ziehe, blickt Theresa mich misstrauisch an. „Jetzt legen Sie also los mit dem Verhör?“ Sie schluckt, weicht einige Schritte zurück. Als würde sie gleich ihre Ankündigung wahr machen – und verschwinden. Bis ich meinen ersten Satz schreibe, warte ich mehr als eine halbe Stunde.

Es wird noch einige Male passieren, dass Theresa schluckt und zurückweicht. Als wir über ihre erste Panikattacke sprechen. Über ihre Mutter, ihren Vater. Dann wechseln wir das Thema, reden über Online-Shopping, ihr neues Auto, die Nachbarn, die Theresa nerven, die Preise im Supermarkt, das Wetter. Small Talk.

Die Panikattacken häufen sich nach der Autofahrt – und sie werden schlimmer. Woher sie kommen, weiß Theresa nicht. Wenige Wochen nach der ersten Panikattacke fährt sie zu einer Familienfeier ihres Mannes nach Leipzig. Für die Fahrt braucht man normalerweise vier Stunden. Sie braucht sechzehn. Jeder Rastplatz eine rettende Insel.

Einige Monate später traut sie sich nicht mehr, selbst zu fahren, kann nur mehr in einen Wagen steigen, wenn ihr Mann ihn steuert. Autobahnen und weite Strecken erträgt sie auch auf dem Beifahrersitz nicht mehr. Kein Zug, kein Bus, kein Flugzeug. Am Grab ihrer Mutter war sie seit Jahren nicht mehr. Das ist mehr als hundert Kilometer weg. Unerreichbar.

Die Panikattacken fühlen sich für sie an, als würde sie am Abgrund einer Klippe stehen: Einen Schritt weiter, und es endet in der Katastrophe. Dann immer wird ihr schwindelig, übel, sie bekommt kaum noch Luft. Mal schwächer, mal stärker. Manchmal mehrmals in der Woche, dann über Wochen gar nicht.

Es gab eine Phase in Theresas Krankheit, in der ihr jede Form von körperlicher oder emotionaler Veränderung als Gefahr erschien. In der sie nicht mehr lachen konnte, Aufgeregtheit automatisch in Angst umschlug, alles Ungewohnte ihr die Luft abschnürte. In der sie froh war, wenn der Sex mit ihrem Ehemann endlich vorbei war. Sie hatte Angst vor offenen Fenstern, vor Messern, die sichtbar in der Küche herumlagen. Vor sich selbst, vor Elfriede. Kochen war für Theresa eine Qual, wegen des Wartens. Brauchten ihre Kinder beim Uno-Spielen einmal etwas länger mit dem Herauslegen, wurde sie ungehalten.

Auf Begleitung angewiesen

Dabei spielt Theresa doch so gerne. Sie sammelt Brettspiele. An die hundert hat sie sich im Laufe der Zeit von ihrem wenigen Geld gekauft. Früher hat sie immer mit ihrer Mutter gespielt.

Theresa wächst als Einzelkind auf. Als ihre Mutter an einer Gehirnblutung stirbt, weiß sie nicht, was sie tun soll. Sie ist hilflos, von der Mutter verhätschelt, vom Vater seit der Scheidung größtenteils ignoriert, von den Mitschülern gehänselt.

Sie zieht zu ihrem Vater. Der durchwühlt ihre Post, spioniert ihr nach, schlägt sie. Sie zieht in eine eigene Wohnung, mit sechzehn. Ihr Vater müsste ihr Unterhalt zahlen, tut es aber nicht. Theresa unternimmt nichts. Sollte sie ihn verklagen? Er ist doch ihr einziger Elternteil. Sie muss ihre Ausbildung bei einer Supermarktkette abbrechen, weil ihr das Geld ausgeht. Durch Halbwaisenrente und Lohn bekommt sie 500 Euro im Monat, 420 Euro kostet allein ihre Wohnung.

Mit siebzehn lernt Theresa Thomas kennen. Nach fünf Tagen sind sie ein Paar, nach vier Wochen ziehen sie zusammen. Sie wollen heiraten, kaufen sich Hochzeitsringe auf Raten. Keine zwei Monate nach dem ersten Treffen. Nur weil sie sich die Kosten für das Standesamt nicht leisten können, sagen sie die Hochzeit noch ab. 2006 kommt der gemeinsame Sohn, 2009 die Tochter. Thomas und Theresa verbringen jede freie Minute zusammen.

Seit ihrer Erkrankung ist Theresa auf Thomas angewiesen, darauf, dass er einkaufen geht, dass er sie begleitet, dass er zu Hause ist. Thomas ist ihre Stütze. Sie hat niemanden außer ihm. Theresas beste Freundin wandte sich von ihr ab. Wegen ihrer Krankheit. Heute erzählt Theresa niemandem mehr davon. Aus Angst, in eine Schublade gesteckt, als Pflegefall abgestempelt zu werden. „Kreislaufschwäche“, antwortet sie, wenn jemand fragt.

Eine Woche nach ihrer ersten Panikattacke geht Theresa zu einem Neurologen. Der schickt sie zu einem Psychologen. Der schickt sie wieder weg. Er könne gerade nichts für sie tun und wisse nicht, was ihr fehle. Sie solle in einigen Wochen wiederkommen. Theresa geht nie wieder zu ihm.

Medikamente helfen nicht wirklich

Im März 2010 bekommt sie von einem anderen Psychologen eine Diagnose: Angststörung, Agoraphobie. Gegen die Panikattacken soll sie Psychopharmaka nehmen. Nach dem Gespräch hat Theresa weiterhin keine Erklärung für ihre Panikattacken, immerhin weiß sie jetzt, was ihr fehlt. Mehr als ein halbes Jahr nach der Fahrt auf der Autobahn, als Theresa das erste Mal um ihr Leben fürchtete.

Die Medikamente, die Theresa immer dann nehmen soll, wenn sie panisch wird, helfen ihr nicht. Bis sie wirken, ist die Panikattacke längst vorüber. Wenn sie wirken, fühlt sie sich wie im Vollrausch. Sie setzt die Medikamente ab. Für diese Krankheit gibt es keine Medizin, das steht für Theresa fest.

Seit ihrer ersten Panikattacke kommentiert Elfriede Theresas Leben, stellt alles infrage, jede Handlung, jeden Schritt in ihrem Leben.

Zuerst sehr leise, mit der Zeit immer lauter. Ein ständiger Kampf. „Soll ich oder soll ich nicht?“ – „Kann ich das?“ – „Was passiert, wenn etwas schiefläuft?“. Wenn sie badet, wenn sie kocht, wenn sie abspült. Wenn sie müde ist, wenn sie Durst, wenn sie Hunger hat. Wenn ihr heiß, wenn ihr kalt wird. Wenn sie pupst, wenn sie lacht, wenn sie liebt. Wenn sie fühlt. Ändert sich etwas in ihr oder an ihrer Umgebung, spricht Elfriede zu ihr. Ein Monolog, der ihr Leben beschwert, ihr viele Dinge unmöglich macht.

Irgendwann muss Theresa nach Hause. Ihr Mann fährt jetzt zur Arbeit. Nur weil der zu Hause war, konnten wir uns überhaupt treffen.

Sieben Stunden haben wir miteinander gesprochen, haben gestanden, sind vom einen Bein aufs andere gesprungen, wenn Knie und Hüften schmerzten. Auf die wichtigsten Fragen habe ich immer noch keine Antworten. Ich weiß kaum etwas über ihre Krankheit, ihre erste Panikattacke und ihre Kindheit.

Seit Jahren schon würde Theresa gerne eine Therapie machen, über ihre Vergangenheit sprechen. Einen Platz hat sie bis heute nicht. Immer wieder wurde sie vertröstet. Gerade erst hat sie mit einem Therapeuten telefoniert, er werde sich in ein paar Wochen melden. Theresa lächelt, beinahe hämisch. Sie glaubt nicht daran. Für einen Moment: Resignation.

Dann aber spürt sie wieder Hoffnung. Sie denkt an die Zeit, in der es ihr viel schlimmer ging. So vieles hat sich doch seither zum Besseren verändert.

Gerade hat Theresa eine gute Phase. Hundert Meter weg von zu Hause, das war vor einigen Jahren undenkbar.

Hilfesuche in den sozialen Medien

Vor knapp zwei Jahren hat sie eine Gruppe bei Facebook gegründet. Um mit anderen Betroffenen über die Krankheit sprechen zu können. Theresa gab ihr den Namen: „Die Angst wird nicht siegen!!!“ Elf Frauen, ein Mann, „meine Freunde“. Elfriede heißt bei anderen Gör. Oder Pumuckl. Oder Monster. Außerhalb der digitalen Welt hat Theresa noch keinen dieser Leute getroffen. Ohne die Gruppe, da ist sich Theresa sicher, wüsste sie aber auch von niemandem, der weiß, wie sie sich fühlt. Sie kämpft auch dafür, es der Gruppe zu beweisen: dass man es schaffen kann.

Theresas letzte Panikattacke ist sechs Wochen her. Da hat sie mit ihrer Tante telefoniert. Theresa sei mit ihrer Krankheit eine Gefahr für die eigenen Kinder, hat die ihr gesagt. Sie habe sich deshalb auch schon beim Jugendamt und einem Betreuungsgericht erkundigt. Wegen des Sorgerechts. Theresa brach zusammen.

Wieder schreiben wir uns E-Mails, beinahe täglich, telefonieren, verabreden uns zu einem Treffen. Genau wie in der Woche vor der ersten Begegnung.

Eine Woche später sehen wir uns wieder, in der Gasse neben Theresas Wohnhaus. Theresa setzt sich auf den Boden, ich mich daneben. Sie beginnt zu erzählen, ich höre zu. Theresa erzählt von dem Tag ihrer ersten Panikattacke. Als sie dachte, sie würde sterben. Von ihrer Mutter, von ihrem Vater.

Dann steht Theresa auf, fummelt in ihrer Zigarettenschachtel herum und zählt den Inhalt sorgfältig mit den Fingern ab. Zwölf Stück. „Das sollte reichen“, sagt sie und steckt sich eine Zigarette an. „Man wird es mir wahrscheinlich nicht ansehen, aber es wird gar nicht gut dabei gehen.“ Wir gehen los. Spazieren. „Elfriede meldet sich schon wieder.“

Hundert Meter von ihrem Zuhause entfernt, wieder mal. Theresa geht weiter, aber nie weiter weg von der Wohnung als die hundert Meter – eine Ringstraße. Sie geht vorbei am Freibad, hinter dessen zugewuchertem Zaun Kindergeschrei zu hören ist. Theresas Sohn blickt sie stumm an, fragend. Theresa kennt die Frage, ihr Sohn die Antwort. Zufrieden ist keiner der beiden. Noch nie sind sie in dem Schwimmbad gewesen. So gerne würde sie doch einmal mit ihren Kindern einen Vergnügungspark besuchen, Spaß haben, mit einer Achterbahn fahren. Das tun, was andere tun.

Dann hält ein Wagen neben uns. Am Steuer sitzt Thomas, er holt Theresa ab, muss sie abholen, weil sie nicht mehr weiter kann. Auch nicht zurück. Er ist da, um sie heimzubringen. Theresa sinkt auf den Beifahrersitz: „Später werde ich wieder schreckliche Kopfschmerzen haben.“ Zwanzig Minuten Spaziergang, hundert Meter fort von zu Hause. Zum Vergnügungspark sind es achtzig Kilometer, geöffnet hat er den ganzen Tag.





























































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