Wie kinderlose Single-Frauen trotzdem glücklich werden

Berlin –  

Ungewollt alleinstehend? Und ungewollt kinderlos? Das gibt es immer häufiger. Und ist manchmal schwer zu ertragen. Kinderlose Single-Frauen fühlen sich oft sozial isoliert. Was hilft.

Mein Name ist Stephanie, ich bin 40 Jahre alt, Single und kinderlos – und es ist nicht das, was ich für mich selbst wollte.“ Es ist eine andere Form von Coming-out, von dem Stephanie Booth in ihrem Blog „Climb to the Stars“ berichtet. Denn es handelt sich um einen Satz, der gleich zwei gesellschaftliche Tabus enthält: Die Anglo-Schweizerin aus Lausanne ist eine – ungewollt – alleinstehende Frau, die – ungewollt – kinderlos geblieben ist.

Zusammengenommen erhöhen sie die Schamgrenze, darüber zu sprechen, für Booth deutlich: Wenn eine Frau schon keine Kinder hat, so das Klischee, dann wohl aus voller Überzeugung oder womöglich, weil es körperlich nicht möglich war – aber einfach, weil die Lebensumstände es nicht zuließen?

Viele Gründe für Kinderlosigkeit

Frauen, die dieses Schicksal teilen, haben oft große Probleme, darüber zu sprechen. Das offenbart die Online-Community Gateway Women, der sich auch Stephanie Booth angeschlossen hat. Die Londonerin Jody Day, 50 Jahre alt, Single und kinderlos, hat die Community ins Leben gerufen, um zu zeigen, dass es viele Gründe für eine Frau geben kann, kinderlos zu sein – und dass der gesellschaftliche Druck, der auf ihr lastet, enorm hoch ist.

Die Community startete sie im Jahr 2011, wie sie schreibt, um „childless-by-circumstance-women“ zu unterstützen, also Frauen, die aus welchen Umständen auch immer, kinderlos geblieben sind. Eine von fünf Frauen in Großbritannien, in Australien und auch in den USA werde 45, ohne ein Kind geboren zu haben. Die Tendenz ist steigend. Und das gilt auch für Deutschland.

Hinter jeder kinderlosen Frau steht eine andere Geschichte: „Der Raum namens Kinderlosigkeit hat viele Türen“, heißt es bei Gateway Women, nicht nur die mit der Aufschrift „wollte keine“ oder „konnte keine bekommen“. Stellvertretend für die vielen unterschiedlichen Gründe zählt Day auf ihrer Website 50 davon auf.



Immer mehr Frauen bleiben kinderlos: Von den Frauen, die 1935 geboren wurden, hatten noch neun Prozent keine Kinder. Im Jahrgang 1960 sind es schon 26 Prozent. Schätzungen zufolge sind es bei der heutigen Elterngeneration bis zu 30 Prozent.

Die Gründe dafür, warum Frauen kinderlos bleiben, sind vielfältig.

Sie sind vielfältig: Ob man nun ab Mitte 30 keinen Partner finden konnte, oder ob der Partner, mit dem man während der fruchtbaren Jahre zusammen war, keine Kinder wollte, oder ob man es sich nicht leisten konnte, allein ein Kind großzuziehen, oder ob man während der fruchtbaren Jahre sehr oft krank war. Doch so vielfältig die Gründe sind, so gering ist die gesellschaftliche Akzeptanz für dieses Schicksal. „Ich habe Gateway Women ins Leben gerufen, um unsere Isolation zu beenden“, schreibt Jody Day, „und einen sicheren Ort zu schaffen, an dem wir über unseren Schmerz und unsere Trauer sprechen können.“

Dass diese Erfahrung tatsächlich in die soziale Isolation führen kann, weiß Tewes Wischmann, Dozent am Institut für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Heidelberg, nur zu gut. Er beschäftigt sich seit Jahren mit den Nöten von ungewollt Kinderlosen. Die Situationen, mit denen die Frauen am Arbeitsplatz, im Freundeskreis oder in der Familie konfrontiert würden, seien oft nur schwer auszuhalten, sagt Tewes Wischmann. Manche würden sich kaum noch auf Familienfeste mit vielen Neffen und Nichten trauen. Wenn die Eltern und Geschwister bei jedem neuen Zähnchen des Neffen aus dem Häuschen sind, aber angesichts des eigenen kinderlosen Lebens kaum Emotionen zeigen, könne das sehr wehtun.

Irgendwann vom Traum lösen

Und es sind nicht nur die Eltern, die Druck machen, wie viele betroffene Frauen berichten, sondern auch die Freunde, die vermeintlich gute Ratschläge geben oder Trost spenden wollen und stattdessen verletzen. „Es ist ja noch Zeit“, heißt es dann oder „Was die Medizin nicht alles möglich macht“. Gerne gesagt wird auch: „Kinder sind ja auch anstrengend, sei doch froh, dass du so viel Freiraum hast.“ Und beliebt ist ebenfalls der Satz: „Wenn du bislang keine Kinder bekommen hast, wolltest du unterbewusst bestimmt auch keine.“

Um solche oder ähnliche Kommentare zu vermeiden, geben Betroffene, das weiß Tewes Wischmann, oft vor, sie hätten sich bewusst gegen Kinder entschieden. Das aber erzeugt zusätzlichen Stress, denn vielen Frauen könnte es eigentlich helfen, mit jemandem über ihre Situation zusprechen – nur mit Ratschlägen sollten sich Freunde und Familienangehörige zurückhalten, wie der Psychologe erklärt. Betroffene sollten wiederum offen sagen, dass ihnen derartige Kommentare nicht weiterhelfen. Ungewollt kinderlose Frauen sollten sich außerdem unbedingt klarmachen, dass sie keine Exotinnen sind, und sich im Freundeskreis oder in der Familie an Frauen orientieren, denen es ähnlich geht.

Für viele betroffene Frauen komme schließlich der Punkt, an dem es besser sei, mit dem Kinderwunsch abzuschließen und die Situation zu akzeptieren, statt sich weiterhin unter Druck zu setzen, sagt der Psychologe. Hier könne auch das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland helfen, das Experten vermittelt, die beim Abschied vom Kinderwunsch unterstützend zur Seite stehen.

In bestimmten Fällen sei auch eine Psychotherapie sinnvoll, rät Wischmann. Wenn Frauen das Kind, das sie nie bekommen haben, zu Grabe tragen, sei das für die Betroffenen schließlich ähnlich wie der Tod eines nahen Angehörigen. Die Trauer und der Schmerz seien vergleichbar. Allerdings könne man den Schmerz durch Trauerarbeit überwinden.

Alternativen suchen

Hilfreich sei es auch, sich nicht erst andere Lebens-Perspektiven zu suchen, wenn klar sei, dass man tatsächlich kinderlos bleiben werde, rät der Experte. Wenn ein Kind der einzige Lebenstraum sei, den man habe, sei es umso schlimmer, wenn er sich nicht erfülle. „Stattdessen sollten Frauen frühzeitig nach Alternativen für ein sinnvolles und erfülltes Leben suchen und einen Plan B oder Plan C entwickeln“, so Wischmann. Manchen Frauen helfe es etwa, sich beruflich neu zu orientieren oder eine Auszeit zu nehmen.

Gateway-Women-Gründerin Jody Day hat sich dazu entschlossen, die Energie, die sie andernfalls wohl für eine eigene Familie gebraucht hätte, in ihre Lobby-Arbeit für kinderlose Frauen zu stecken, wie sie im Guardian berichtet. „Es wird Zeit, dass wir eine Stimme bekommen“, sagt Day. „Schließlich werden wir immer mehr.“

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