Wider die Angst aus Unwissenheit


Führung schwäbischer Christen durch die neue Moschee während der viertägigen Kirmes, auf Türkisch: Kermes

In der Psychologie ist es eine Binsenweisheit: Unwissenheit erzeugt Angst. Zum Beispiel vor Menschen aus fremden Ländern. Mit fremden Kulturen. Dem entgegenzuwirken, hat die Gmünder Ditib-Gemeinde in die noch im Bau befindliche neue Moschee im Becherlehen eingeladen. Zu ihrer Kirbe, also Kirchweih oder auch Kirmes. Auf Türkisch: Kermes – eine unter vielen Ähnlichkeiten, die so manchen überraschen.

Markus Brenner

Schwäbisch Gmünd. „Ich bin Fethi Aggül, 24 Jahre alt, verheiratet und arbeite bei der ZF.“ Hochdeutsch, aber wie so viele das Schwäbische nicht verbergen könnend, stellt sich der sympathische Mann vor. Wohl bedacht darauf, gleich zu Beginn den 25 Besuchern um ihn herum so viel Fremdheit wie möglich zu nehmen. Er wird die schwäbischen Christen nun durch die Moschee führen.
Und zwar zunächst nicht dorthin, von wo sie der Duft nach gebratenem und gegrilltem Fleisch erreicht, sondern nach oben – in den provisorischen Gebetsraum. Fethi Aggül, der in der Ditib-Gemeinde die Funktion des ehrenamtlichen Dialogbeauftragten einnimmt, erklärt vor dem Eintritt in „das Herz einer Moschee“ die rituelle Waschung in ihrem genau festgelegten Ablauf. Und dass durch dieses Ritual bewusst vom eigenen Ego abgelassen werden soll, um innerlich bereit für das Gebet zu sein.
Innen, mittlerweile schuhlos, dauert es zwar, bis sich die Besucher zwischen fünf und 75 Jahren ungewohnter Weise auf den Teppichboden setzen, doch dann wird locker geplaudert. Und Fethi Aggül auf seine Bitte hin immer wieder unterbrochen, um zu fragen. Der Dialogbeauftragte erklärt die Funktionen von der Gebetstreppe, die der Imam als Predigtkanzel nutzt, von dem Gebetspult, hinter dem der Imam als Lehrer steht, und von der Gebetsnische, die immer nach Mekka zeigt. Ein Bild an der Wand zeigt den Geburtsort des Propheten Mohammed im westlichen Saudi-Arabien, voll von Pilgern, viereinhalb Millionen im Jahr seien es.
Und jeder Moslem, der finanziell, körperlich und geistig in der Lage dazu ist, muss dort einmal im Leben hin. Zumindest soll er oder sie es. Vieles im Koran wird als ein „Muss“ beschrieben und wird von außen oft als Zwang wahrgenommen. Doch: „Keiner darf gezwungen werden“, sagt Fethi Aggül. Auch nicht zur ersten und wichtigsten Säule des Islam: dem Glaubensbekenntnis, das Allah als einzigen Gott nennt. Zweite Säule ist das Gebet. Fethi Aggül spricht, übersetzt und erklärt eine Gebetseinheit, von der Muslime schon mal 40 an einem Tag leisten. „Gott hört den, der ihn lobt und preist“ und „Gott ist groß“ gehört dazu. Wie auch der Gruß über beide Schultern an zwei Engel, die die guten und schlechten Taten in ein Tatenheft schreiben. Dieses entscheidet nach dem Tod, ob und wie lange man in die Hölle muss, bevor man ins Paradies darf. Ins Paradies aber komme früher oder später jeder.
Fethi Aggül erläutert die drei weiteren Säulen: Fasten, Pilgerfahrt – und Almosen. Jede Familie, die über ein bestimmtes Vermögen verfügt, gibt 2,5 Prozent an Ärmere ihre Wahl ab. „Für das Gleichgewicht zwischen Armen und Reichen.“ Auch hier gelte: Überprüft wird das Almosen nicht, aber es wird sehr ernst genommen.
„Für die Waschung muss man ja studiert haben“, heißt es weniger ernst gemeint aus der Gruppe, die alsbald auch die Antwort erhält, dass ein Imam natürlich heiraten dürfe. Man merkt, dass auch im Islam bewanderte Gäste die Führung wahrnehmen. Wie Monika Clement (44) aus Gmünd. Sie ist unter anderem Religionslehrerin an der Realschule Lorch und hier zur „Weiterbildung“. Für Birgit Schötterl (43) aus Lindach ist es interessant, mal etwas über andere Kulturen zu erfahren, „man kennt sich ja überhaupt nicht aus“. So wie beileibe nicht jeder weiß, dass auch im Islam zum Beispiel Abraham genauso wie die Jungfrau Maria und Jesus eine, wenn auch teilweise etwas andere Rolle spielen.
Und zwei Frauen aus der Runde sind sich einig, dass sie verstehen, warum die Frauen beim Gebet nicht vor, sondern hinter den Männer knien: „Ich möchte mir auch nicht von den Männern auf den Hintern schauen lassen“, sagt die eine. Und eine weitere Dame merkt an, dass in der christlichen Kirche vor gar nicht allzu langer Zeit Männer und Frauen getrennt zu sitzen hatten.
Fethi Aggül führt die interessierten Besucher durch die restliche Moschee. Dorthin, wo es nach Essen duftet und viele Menschen auf Biergarnituren sitzen, eine Band spielt und Verkaufsstände aufgebaut sind – die Kermes, die über vier Tage geht und auf die Oberbürgermeister Richard Arnold und Bürgermeister Dr. Joachim Bläse zu Besuch kommen. Die große Halle wird noch zum Sozialbereich ausgebaut werden, der Gebetsraum wird der Gebetskuppel weichen. Und der Haupteingang wird auch erst noch gebaut.
„Bis zur Landesgartenschau wären wir gerne fertig“, sagt Ismail Öztürk, der Vorstandsvorsitzende der Ditib-Gemeinde in Gmünd, die seit 2005 von 300 auf 900 Mitglieder gewachsen ist. Er sei froh über jeden Besucher, der sich durch die Moschee führen lässt. „Wir sind eine offene Moschee.“ Die Zeiten seien vorbei, als man sich noch in der alten Moschee am Bahnhof, die mittlerweile abgerissen ist, eingeschlossen habe. „Wir haben nichts zu verbergen.“ Und doch liegt noch vieles im Verborgenen.

 www.ditib-gmuend.de

© Gmünder Tagespost 04.11.2012
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