Wenn sich Jungforscher ungerechtfertigt für Betrüger halten

Erfolge werden nicht auf Leistung zurückgeführt - Expertin spricht vom "Impostor-Syndrom"

Wien - Ein Drittel der jungen Wissenschafter glaubt nicht, dass ihnen ihr akademischer Erfolg auch zusteht - trotz der Leistung, die sie erbringen. Sie leiden unter dem sogenannten "Impostor syndrome", dem "Betrüger-Phänomen", erklärt Barbara Schober vom Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien. In einer Studie wurden 631 Doktoranden und Doktorandinnen aus verschiedenen Fächern befragt, besonders betroffen sind Frauen. Schober und ihr Team präsentierten ihre Ergebnisse bei der Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie (ÖGP) in Graz.

34 Prozent der befragten Männer und Frauen fallen in die Kategorien stark und mittel vom Impostor-Syndrom betroffen. "Das sind Personen, die sehr viel leisten, diesen Erfolg aber nicht auf ihre Fähigkeiten zurückführen", so Schober. Sie haben hohe Ansprüche, können Lob schlecht akzeptieren und leben in der Angst vor der "Entlarvung" ihrer subjektiv als nicht ausreichend eingeschätzten Fähigkeiten. Die Studie zeigt, vor allem Frauen sind gefährdet: In der Kategorie "stark betroffen" sind über 90 Prozent weiblich, in der zweiten Kategorie "mittel betroffen" immerhin noch 70 Prozent.

Ursachen und Folgen

Dieses Phänomen beeinflusst auch die "universitäre Selbstwirksamkeit" der Jungforscher: Trauen sie sich etwa zu, einen Artikel zu publizieren oder einen Antrag auf Fördermittel zu stellen? Dinge, die für eine erfolgreiche akademische Karriere unumgänglich sind. Untersucht wurde aber auch die Wechselwirkung mit Persönlichkeitsmerkmalen wie dem Selbstwert der Wissenschafter und Systemfaktoren der Universität wie männlichen Netzwerken in der Wissenschaft oder anderen Lebensentwürfen, die vor allem Frauen negativ treffen.

Den hohen Prozentwert führt Schober daher auch auf das universitäre System zurück: "Wir haben derzeit eine universitäre Kultur, die das Impostor-Phänomen fördert." Der Druck in der Wissenschaft sei hoch, ständig werde evaluiert, dabei steige die Konkurrenz um Drittmittel oder höhere Positionen. "Je besser eine Person in das universitäre System eingebunden, etwa hier angestellt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, betroffen zu sein", erklärt Schober. Die Studie zeige, dass externe Jungforscher weniger unter dem Syndrom leiden. "Das ist ein relevantes Problem für junge Wissenschafter in Österreich", so Schober weiter, "unsere Studie zeigt, dass einseitige Förderungsansätze das Problem nicht lösen werden." (APA/red, derstandard.at, 15.4.2012)


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Österreichische Gesellschaft für Psychologie

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