Wenn Männer rotsehen

Welche Gefühle löst rote Kleidung bei Männern und Frauen aus? Und warum tragen wir diese Farbe? Die Psychologie hat einige überraschende Antworten

Durham/Wien - Sucht man in wissenschaftlichen Datenbanken nach Studien über die Auswirkungen der Farbe Rot, dann scheint es so, als ob die Psychologie längst schon alles weiß, was es darüber zu wissen gibt.

Grundsätzlich gilt, dass Männer Frauen besonders attraktiv finden, wenn diese rote Kleidung tragen. Weil aber beide Geschlechter Rot als sexuelle Signalfarbe betrachten, kann das sehr leicht dazu führen, dass Frauen rot gekleidete Geschlechtsgenossinnen für untreu und gefährlicher für ihre eigene Beziehung halten. Das berichteten US-Forscher im Vorjahr im der Fachblatt "Personality and Social Psychology Bulletin".

Ob soziale Prägung oder biologische Mechanismen der Grund dafür sind, blieb in der Untersuchung allerdings offen. Faktum ist, dass Schimpansinnen, die neu zu einer Gruppe stoßen, besonders aggressiv von Geschlechtsgenossinnen angegangen werden, wenn sie begattungsbereit sind. Und genau dann sind ihre Geschlechtsteile gut durchblutet, geschwollen und rot.

Rote Kleidung zum Eisprung

Das führt uns zu einer anderen Studie aus dem Bereich der evolutionären Psychologie: Kanadische Forscher haben 2013 herausgefunden, dass Frauen um die Zeit des Eisprungs herum offenbar häufiger Rot und Rosa tragen als zu anderen Zeiten des Zyklus. In konkreten Zahlen bedeutet das: Von den Frauen, die Rot oder Rosa trugen, befanden sich rund 80 Prozent in der Zeit rund um ihren Eisprung, so Forscher im Fachblatt "Psychological Science".

Was aber passiert, wenn Männer Rot tragen? Auch dazu liegen bereits einige einschlägige Untersuchungen vor: So etwa untersuchten deutsche Forscher, wie 42 erfahrene Taekwondo-Kampfrichter die Leistungen gleich starker Kämpfer einschätzten, die mit rotem und blauem Brustgurt zum Kampf antraten. Das erstaunliche Ergebnis: Der Kämpfer in Rot wurde systematisch besser bewertet.

An der nordenglischen Universität Durham kamen Psychologen um Robert Barton und Russell Hill bereits vor zehn Jahren ebenfalls zum Ergebnis, dass rot gekleidete Sportler häufiger siegen als andere. Die englischen Psychologen warteten damals allerdings mit einer anderen Begründung auf: Die roten Trikots würden auf Gegner einschüchternd wirken - man denke nur an die "Furia roja", die spanische Fußballnationalmannschaft. Barton, Hill und Kollegen hatten damals die Resultate olympischer Box- und Ringkämpfe sowie die Spiele der Fußballeuropameisterschaft ausgewertet.

Die beiden damals beteiligten Forscher legen nun in einer neuen Studie nach, an der auch die Anthropologin Diana Wiedemann beteiligt ist: Das Forscherteam zeigte diesmal 50 Männern und 50 Frauen Bilder von Männern, deren T-Shirt-Farbe sie am Computer manipuliert hatten. Die Probanden sollten dann auf einer Skala von 1 bis 7 bewerten, wie freundlich oder aggressiv und wie unterwürfig oder dominant sie den Mann auf dem Bild wahrnahmen.

Die Wirkung roter T-Shirts

Das Ergebnis: Männer in roten T-Shirts wirken auf andere Männer dominanter und aggressiver als blau oder grau gekleidete. Frauen lassen sich dagegen von roter Kleidung an Männern weniger beeindrucken, wie die Forscher in den "Biology Letters" der britischen Royal Society berichten.

Grau-Träger wirkten auf sie zwar etwas weniger aggressiv als Männer in Rot. Im Hinblick auf die Wahrnehmung von Dominanz mache die Farbe des T-Shirts für sie aber keinen Unterschied. Nicht zuletzt würden Männer wie auch Frauen Männer in roten T-Shirts besonders oft für verärgert halten. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 13.5.2015)

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