Wenn Freundschaften einfach so auseinandergehen

Ein Mann war schuld. Der Klassiker. Hannah* hatte sich bei einer Party zu lange mit ihm unterhalten. Eigentlich war er die Affäre ihrer Freundin. Oder so etwas in der Art. „Sie hat es immer heruntergespielt, gesagt, er sei ihr nicht wichtig“, verteidigt sich Hannah. „Und ich wollte ja auch gar nichts von ihm.“ Zu spät war es trotzdem. Der nette Typ schickte ihr Lieder, schrieb ihr Nachrichten - ihre Freundin platzte vor Eifersucht. Streit. Womöglich das Ende der Freundschaft.

Herzensfreundschaft oder Durchschnittsfreundschaft?

Wenn Freundschaften auseinanderbrechen, ist das in der Regel eine schlimme Erfahrung. „Es ist ein großer Verlust“, sagt Diplom-Psychologin Heike Kaiser-Kehl vom Berufsverband Deutscher Psychologen. Doch wie passiert das überhaupt? Warum hören zwei Menschen, die sich mögen und einander vertrauen, plötzlich damit auf? Eine große Kränkung kann dafür eine Ursache sein. „Ob das Diebstahl ist oder die beste Freundin im Bett mit dem eigenen Ehemann – es gibt Dinge, die kann man einfach nicht verzeihen.“

Doch nicht jede Freundschaft ist wie die andere. Und deshalb muss es nicht immer gleich ein Vertrauensbruch sein, der das Ende einer Freundschaft einläutet. Der Psychologe und Buchautor Wolfgang Krüger unterscheidet zwischen Herzensfreundschaften und Durchschnittsfreundschaften. Erstere sind besonders wichtig. „Bei so einer Freundschaft ist man bereit, viel zu investieren“, erklärt er.

Wen ruft man an, wenn es einem schlecht geht?

Durchschnittsfreundschaften sind viel oberflächlicher. Gibt es ein Problem, ist die Bereitschaft zur Aussprache geringer – schließlich ist der andere nicht so wichtig. Dazu zählen oft Schulfreundschaften. Vielleicht war das vor 10, 20 Jahren mal eine Herzensfreundschaft. Aber dann haben beide unterschiedliche Wege eingeschlagen, sich auseinandergelebt. Man telefoniert, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. „Doch diese Menschen ruft man nicht als Erstes an, wenn es einem schlecht geht“, erklärt Krüger.

Aber auch in Herzensfreundschaften kann man sich auseinanderleben. Das passiert oft, wenn sich das Leben eines Freundes ändert. Ob Kinder, neuer Job in einer anderen Stadt – „es gibt immer Situationen im Leben, in denen man andere Schwerpunkte setzt“, sagt Krüger. Auch Hannah glaubt, sie und ihre Freundin hätten sich auseinandergelebt. Sie haben sich im Studium kennengelernt, waren damals ein Herz und eine Seele. Als die Uni zu Ende ging, waren sie immer noch enge Freundinnen – zogen aber beide in unterschiedliche Städte. „Aber vielleicht war der heftige Streit um einen Typen nur möglich, weil es mittlerweile auch eine Distanz zwischen uns gab“, fragt sich Hannah.

Es herrschte mittlerweile Funkstille zwischen den beiden. Hannah war enttäuscht – auch weil sie das Gefühl hatte, ihre Freundin rede hinter ihrem Rücken schlecht über sie. „Ich dachte mir: Entweder melde ich mich, oder ich schließe endgültig mit uns ab“, erzählt sie. Sie entschied sich, ihr eine Nachricht zu schreiben. Darin forderte sie ihre Freundin zu einem Gespräch auf – ansonsten sei es aus und vorbei. „Sie hat gemerkt, dass ich es ernst meine und schrieb zurück.“

Der langsame Freunschaftstod

Krüger warnt davor, am Ende einer Freundschaft verbrannte Erde zu hinterlassen. „Freunde fortbeleidigen, pompös Schluss machen, damit bin ich etwas vorsichtig“, sagt er. Man muss immer davon ausgehen, dass man möglicherweise selbst schuld ist oder man sich irgendwann noch einmal wiedertrifft. „Ich handele immer so, dass ich mir die Möglichkeit einräume, den anderen noch einmal im Leben treffen zu können.“ Dennoch ist es sinnvoll, das Gespräch zu suchen und Probleme anzusprechen.

Kaiser-Kehl findet es wichtig, dass der andere die Möglichkeit hat, seinen Eindruck zu schildern und den Vorwürfen etwas entgegnen kann. Vielleicht ist das Ergebnis dann eine Trennung auf Zeit – so lange, bis sich die Gemüter wieder beruhigt haben. Viele meiden jedoch diese Art der Konfrontation. „Langsam reduzieren, nicht mehr jede Nachricht beantworten, zu beschäftigt für ein Treffen“, beschreibt Kaiser-Kehl den langsamen Tod einer Freundschaft. Von dieser passiven Art rät sie allerdings ab. Denn ohne richtigen Abschluss bleibt das immer ein offenes Thema im Leben. Und es ist nicht fair dem anderen gegenüber.

Ausgesprochen, es fühlt sich aber anders an

Aber egal, wie die Freundschaft endet, es ist immer schmerzlich. „Der Verlassene erlebt die Trauer in dem Moment noch stärker“, erklärt sie. Zwar ist dieser Verlust mit dem Verlust eines Partners vergleichbar. Doch Krüger beschreibt den wesentlichen Unterschied zwischen Freundschaft und Partnerschaft: „Eine Liebesbeziehung ist eine Beziehung, in der ich eigentlich immer zusammen bin – es sei denn, einer sagt, heute nicht.“ In einer Freundschaft ist es genau umgekehrt. Man verabredet sich, sieht sich nicht automatisch. Daher ist der Verlust eines Freundes unter Umständen nicht weniger schmerzhaft – aber eben anders.

Hannah hat sich zwar wieder mit ihrer Freundin vertragen – aber nur theoretisch. „Wir haben miteinander gesprochen“, erzählt sie. Doch so wie früher ist es nicht mehr, es fühlt sich anders an. „Manchmal muss man sich eingestehen, dass man vielleicht mit 80 Jahren nicht gemeinsam mit dem Rollator unterwegs ist.“ (dpa/tmn)


















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