Wenn die Seele Hilfe braucht – Kölner Stadt

Rhein-Erft-Kreis. 

Leistungsdruck in der Schule, Zukunftsangst, Probleme im Elternhaus, Mobbing: Immer mehr Jugendliche in Deutschland seien "reich, aber unglücklich", berichteten vor einigen Wochen viele Zeitungen unter Berufung auf eine Studie der Kinderhilfsorganisation Unicef. Eine andere Untersuchung besagt, dass inzwischen rund 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen einen Psychotherapeuten aufsuchen.

Dieser hohe Wert wirkt auf den ersten Blick vielleicht erschreckend. Aber man kann das auch andersherum sehen: Die Bereitschaft, sich helfen zu lassen, wenn die Seele allzu großen Kummer hat, wächst. Es wird nicht mehr so sehr als Makel betrachtet, mit seinen Ängsten und Sorgen zum Psychologen oder zur Therapeutin zu gehen. Doch helfen Besuche beim Psycho-Experten wirklich weiter? Das habe ich Jugendliche gefragt, die den Schritt getan haben.

"Es hat geholfen"

Celine aus Frechen (alle Namen geändert) hat das seelische Gleichgewicht verloren, als sich ihre Eltern vor drei Jahren trennten. "Natürlich merkte meine Mutter, dass ich wie ausgewechselt war", erzählt die 15-Jährige, "ich habe nicht mehr gelacht, konnte einfach nicht mehr fröhlich sein. Meine Mutter hat dann entschieden, dass ich zum Psychotherapeuten gehen soll, um das Geschehene zu verarbeiten. Ich war damit erst gar nicht einverstanden, habe dann aber doch eingewilligt, mir die ganze Sache mal anzuschauen." Als es dann so weit war und sie die Praxis betrat, habe sie sich leicht unsicher gefühlt. "Man kommt rein und denkt, man muss jetzt einer völlig fremden Person sein Herz ausschütten. Doch die Psychotherapeutin war total nett und auch kein bisschen aufdringlich. Nach dem ersten Besuch habe ich mich also dann entschieden, eine Therapie zu starten."
Die nächsten Besuche verliefen für Celine unerwartet. Die Psychotherapeutin versetzte sich in ihre Lage und gab ihr Tipps, wie sie mit gewissen Situationen umgehen könne. "Wir haben viel geredet, aber sie hat mich zum Beispiel auch gebeten, meine Familiensituation in Bildern darzustellen. Das war zuerst ein bisschen komisch, denn ich konnte mir nicht vorstellen, was das bringen sollte. Aber es hat geholfen."
Trotz der guten Erfahrung spricht Celine nicht wirklich gern über ihre Therapie. Sie schäme sich zwar nicht und habe auch keine Angst, von ihren Freunden schräg angeguckt zu werden. "Ich habe die Therapie gemacht, um meine Probleme zu verarbeiten. Würde ich es jetzt frei raus erzählen, würde es mich nur wieder aufwühlen. Deshalb wissen auch nur meine engsten Freunde Bescheid."

In der Schule gemobbt

Etwas anders ist das bei Tristan (15). Er lacht nur noch über seine Vergangenheit, weil er mit dieser völlig abgeschlossen hat. Auch er war bei einem Psychotherapeuten, aber aus einem anderen Grund: Mobbing. "Wenn ich über damals rede, lache ich heute darüber, obwohl es eigentlich gar nicht zum Lachen ist. Als ich in die Grundschule kam, hatte es wohl ein Mitschüler auf mich abgesehen. Ich war eben ein Einzelgänger und konnte mich nicht wehren. Der Junge hatte viele Anhänger, und für mich war es immer eine Qual, in die Schule zu gehen. Meine Eltern waren froh, als die Grundschule vorüber war. Wir dachten, das hätte auf der weiterführenden Schule endlich ein Ende. Aber der Junge ist auch in meine neue Klasse gekommen. Da wurde es dann heftig. Ich wurde zusammengeschlagen, beklaut, beschimpft und schikaniert."

Als Tristan zu Hause andeutete, er habe keine Lust mehr zu leben, war für die Eltern klar: So kann das nicht weitergehen. Tristan ging in eine Jugendpsychiatrie. "Für mich war es schlimm. Ich habe mich gefühlt wie ein Freak - ein Freak unter vielen anderen Freaks. Ich war glücklich, dass ich schnell wieder rauskam." Trotzdem geht es ihm nun besser. Tristan hat Selbstbewusstsein entwickelt: "Es gibt immer Leute, denen man nicht passt, und Leute, die mitmachen, um nicht selber zum Außenseiter zu werden. Aber diese Leute können einem eigentlich nur leid tun."

Nicht Mobbing, sondern Angst zu versagen hat die 16-jährige Claire aus der Bahn geworfen. "Ich war wegen Leistungsdruck beim Psychotherapeuten. Das mag sich harmlos anhören, und ich kam mir auch ein bisschen lächerlich vor, als die Psychologin fragte, warum ich sie besuche. Zu meiner Erleichterung sagte sie mir, dass das kein Einzelfall sei, sondern dass das sehr häufig vorkomme."

Unter großem Druck

Oft denkt man in solchen Fällen, die Eltern würden zu viel Druck ausüben. Bei Claire war das aber anders: "Meine Eltern haben immer wieder gesagt, ich solle mir nicht so viel Stress machen. Doch ich konnte einfach nicht anders. Ich habe immer gedacht, ich muss in allem die Beste sein. Ich muss mich von den anderen abheben, aus mir muss etwas werden! Auf Dauer wird das aber irgendwann alles viel zu viel. Auch körperlich wirst du immer schwächer." Der Psychotherapeutin gelang es in vielen Gesprächen, Claire davon zu überzeugen, dass man auch ohne 1,0-Schnitt gut durchs Leben kommen kann und das Leben auch mal genießen darf. "Die Psychotherapeutin hat mir ganz gut geholfen. Immer wenn ich fast vor Druck platze, nehme ich mir jetzt eine Auszeit und lasse alles einfach mal ein bisschen langsamer und ruhiger angehen."

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