Wenn Autoren auf Künstler treffen

Er streift den Körper. Er klopft, schlägt, zupft, nutzt den gesamten Resonanzraum. Zehn Finger, die eigenständig denken, ein Musiker, der diese nur noch unterbewusst steuert...

Heiko Bloemers holt alles aus seinem Instrument heraus. Er spielt mit der Gitarre wie ein brasilianischer Fußballstar mit dem Ball. Seine Freestyle-Technik erlaubt es ihm, sein eigenes Spiel mit hölzernem Trommeln und unorthodoxen Klängen zu hinterlegen. Mit diesem meisterhaften Gitarrensolo gibt der junge Musiker die Bühne für einen literarischen Abend der Jugendkulturszene frei.

Skurril und unterhaltsam

„Autoren treffen Künstler“ so heißt die Aktion, bei der das Jugendzentrum Zuff zum Schauplatz verschiedenster künstlerischer Ausdrucksformen wurde. Dramatisch, kritisch, melancholisch, witzig, absurd und inspirierend. Das Prinzip: Autoren und Poeten des größten deutschsprachigen Literaturforums „KeinVerlag.de“ waren eingeladen, ihre Texte im Jugendzentrum vorzustellen. Rheinberger Künstler machten es sich zur Aufgabe, die teilweise verwirrenden und anspruchsvollen Kurzgeschichten auf ihre ganz eigene Weise zu interpretieren.

Die Ergebnisse: ebenso skurril, wie unterhaltsam. „Das Hässliche ist nie natürlich. Hässlichkeit ist stets menschengemacht“, heißt es in einer Textpassage von Jan Schönmakers, der mit seiner Frau Sarah die Lesungen einleitete. Ihre Texte sind gesellschaftskritisch, melancholisch und tiefgründig. Eigenständige Poesie in jedem Satz, weshalb ein Gesamtverständnis nach dem ersten Hören kaum möglich ist. „Die neue Freiheit des Nackens endet im Hinunterfallen des Kopfes.“ Worte, die durch den Raum schweben, Gedankenanstöße geben, aber auch auf Unverständnis stoßen.

Die Laientheatergruppe „Farbwerk“ führt ein von Jan Schönmakers „Unheilige Psychologie“ inspiriertes Stück auf. „Wir wollten es nicht nur nachspielen, sondern neu darstellen, aber die Grundaussage erhalten“, erklärt Benjamin Wurm. Zu sehen war ein immer wiederkehrendes Muster: „Wir zeigen deutlich, wie Menschen in ein Raster gepresst werden, um in der Gesellschaft zu bestehen“, erläutert Sayed Salah. Fließbandarbeiter, die knallhart ausgewechselt und psychisch Kranke, die über Stromschläge auf Funktion gedrillt werden. Kritik an Gesellschaft und Psychologie.

Ins Leben gerufen wurde die Veranstaltung von Renan Cengiz und Sayed Salah. Cengiz, der sich als Breitbandkünstler sowohl musikalisch, als auch mit Texten zu artikulieren weiß, besitzt einen guten Draht zum KeinVerlag-Verein. Zu vorgerückter Stunde nahm er selbst am Rednertisch Platz und belustigte das Publikum mit einer Geschichte über einen schiefgelaufenen Parfümkauf und kurzen, teils vulgären Versen und Witzen. Die Atmosphäre: ungezwungen, auch wenn die meisten Beiträge ernst sind und zum Nachdenken anregten.

Einen signifikanten Schnitt setzt Constanze Thum, alias „Judas“. Ihre Texte seien autobiografisch – und so berichtet sie von einem Treffen mit Jesus, der sie nach langer Zeit besuchte, auf der Toilette störte und zum Tee blieb. „Seit 2000 Jahren ist mein Karma im Eimer. Ich bin froh, dass ich mal wieder als Mensch und nicht als Bandwurm wiedergeboren wurde“, schnauzt sie den Messias an, denn der habe sie ja schließlich in die Lage eines Sündenbocks gebracht.

Eine abgefahrene Drogengeschichte

Die provokanten und von geschicktem Wortwitz strotzenden Texte von „Judas“, finden auch die Jungs von „Farbwerk“ klasse – und widmen ihr zweites Stück der abgefahrenen Drogengeschichte „Tilde“, die von der Suche nach dem Glück erzählt. Dafür rauchen die Darsteller einen falschen Joint, während sie mit dem Tod im Nacken über das Leben philosophieren.

Lukas Hübinger

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