Was uns am Ende glücklich macht

Zum Glück gibt es Hamburg: Nirgendwo sonst in Deutschland sind die Menschen so zufrieden wie dort. Das war schon 2011 der Fall, und so steht es auch im zweiten "Glücksatlas", den die Deutsche Post jetzt veröffentlichte. Ausschlaggebend für die hohe Zufriedenheit der Hamburger sind insbesondere die vergleichsweise hohen Einkommen, das vielfältige Kulturangebot und die großen Sportveranstaltungen in der Hansestadt.

Zwar hat sich Hamburg mit 7,23 Punkten gegenüber dem Vorjahr (7,38 Punkte) verschlechtert, aber der Unterschied sei so gering, dass sich dafür keine Gründe finden ließen, sagt der Studienleiter, der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen vom Forschungsinstitut Generationenverträge an der Uni Freiburg.

Im Vergleich von 19 Regionen kommt Niedersachsen auf Platz zwei, den dritten Platz erreicht Bayern-Süd. Am Schluss der Rangliste liegen Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, die sich allerdings gegenüber dem Vorjahr mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt verbessert haben.

Ost und West rücken zusammen

"In puncto Lebenszufriedenheit rücken Ost- und Westdeutschland weiter zusammen", sagt Raffelhüschen. Die "Glückslücke" zwischen Ost und West sei 2012 so schmal wie nie seit der Einheit. Bundesweit bleibe die Lebenszufriedenheit mit einem Durchschnitt von 7,0 Punkten erstaunlich stabil.

Im Auftrag der Post wertete das Team um Raffelhüschen mehrere repräsentative Befragungen von mehr als 30.000 Menschen aus. Dabei konzentrierten sich die Forscher auf die Rolle von vier G: Geld, Gesundheit (dabei wurde nicht nur das Wohlbefinden erfasst, sondern auch die Zufriedenheit mit der gesundheitlichen Versorgung), Gemeinschaft (Partner, Familie, Freunde) und Genetische Disposition, also eine Veranlagung, ob man das Leben eher positiv oder negativ sieht.

Im Durchschnitt erreichen die Hamburger und ihre Stadt zwar einen Spitzenwert, allerdings gibt es auch Defizite: So liegt die Zufriedenheit mit der Wohnsituation und dem Familienleben auf vergleichsweise niedrigem Niveau - das sei wohl der Preis für das Großstadtleben, vermuten die Autoren.

Gesellschaftliche Herausforderungen

Verbesserungswürdig auch die Beschäftigungssituation: Seit Jahren liegt die Arbeitslosenquote über dem Bundesdurchschnitt. Trotzdem blicken die Hamburger optimistisch in die Zukunft: 50 Prozent meinen, dass es ihnen in fünf Jahren ähnlich gut gehen wird, 27 Prozent erwarten sogar eine bessere Lage.

Glücksstudien wie jene der Post haben in den vergangenen Jahren international in der Wissenschaft an Bedeutung gewonnen, ihre Zahl ist rapide gestiegen, weil unklar ist, was gesellschaftliche Herausforderungen - etwa die Flexibilisierung der Arbeitswelt - für die Zufriedenheit der Menschen bedeuten. Deshalb studieren mittlerweile auch Ökonomen die Bedingungen des Glücks und somit ein Fachgebiet, das lange Psychologen und Soziologen vorbehalten war. Mit der Masse der verfügbaren Daten zeichnet sich immer deutlicher ab, wie vielschichtig Glück ist. Einfache Antworten gibt es nicht.

Zum Beispiel das liebe Geld. Zwar hätten Studien gezeigt, dass Menschen in wohlhabenden Ländern überwiegend glücklicher seien, sagt der Soziologieprofessor Jan Delhey von der Jacobs University in Bremen. Niedrige Arbeitslosigkeit und hohe Einkommen seien wichtige Faktoren für die Zufriedenheit.

Eine Datenbank des Glücks

Deutlich zeigt das die World Database of Happiness, die der Soziologieprofessor Ruut Veenhoven von der Erasmus-Universität in Rotterdam aufgebaut hat. Die wichtigste Kategorie dieser im Internet zugänglichen Datensammlung heißt "durchschnittliches Glück". Die höchsten Werte erreichen fast nur Industrieländer.

Daraus lässt sich allerdings nicht folgern, dass die Zufriedenheit mit der Höhe des Einkommens immer zunimmt - vielmehr gilt das wohl nur bis zu einem bestimmten Grad. Wie der US-Psychologe Daniel Kahnemann herausfand, verbessert ein Einkommen von mehr als 75.000 US-Dollar pro Jahr nicht automatisch das "emotionale Wohlbefinden". Darunter versteht er Erfahrungen wie Ärger, Freude und Traurigkeit.

Andere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Reiche Menschen sind in Industrieländern zwar glücklicher als arme Menschen, aber der Unterschied ist meist nur gering, jedenfalls geringer als in ärmeren Ländern. Jan Delhey von der Jacobs University formuliert es so: "Arm zu sein senkt die Zufriedenheit deutlicher, als reich zu sein die Zufriedenheit befördert." Zwar träumen viele von Reichtum, jedoch würde sie das wohl nicht deutlich glücklicher machen.

Weniger Korruption - mehr Glück

Allerdings ist das letzte Wort hier noch nicht gesprochen, denn ausgerechnet die Gruppe der Superreichen ist in Umfragen bisher nicht erfasst worden.

Auch andere Faktoren können einen großen Einfluss ausüben. Etwa Rechtsstaatlichkeit. "Wo es wenig Korruption gibt, sind die Menschen glücklicher", sagt Delhey. Das Vertrauensklima sei ein weiterer Faktor: "Wenn Menschen in einem Umfeld leben, in dem sie Fremden eher Gutes zutrauen, sorgt das für mehr Zufriedenheit." Besonders gut sei es hier um skandinavische Länder wie Dänemark, Schweden und Finnland bestellt, die zudem relativ wohlhabend seien. Deshalb belegten sie Spitzenplätze in der World Database of Happiness.

Noch glücklicher sind die Menschen allerdings in Costa Rica - einem Land, das nicht gerade für Wohlstand und wenig Korruption bekannt ist. Auch Kolumbien und Brasilien erreichen Spitzenwerte. "Womöglich haben die Menschen dort so etwas wie eine generelle Positivität, die wahrscheinlich kulturell bedingt ist", sagt Delhey. Dieser Zusammenhang sei aber kaum erforscht. Insofern ist auch eine genetische Disposition nicht auszuschließen.

Nicht viel Bewegung beim Realeinkommen

Warum aber schneiden diese Länder besser ab als Deutschland, das im oberen Mittelfeld liegt? Hier kommt womöglich doch wieder das Geld ins Spiel, glaubt zumindest Jan Delhey: "Deutschland ist zwar ein wohlhabendes Land, aber in den vergangenen 20 Jahren gab es bei den Realeinkommen nicht viel Bewegung." Bei Normalverdienern und insbesondere bei Geringverdienern habe es kaum Zuwächse gegeben.

Geld hin oder her - fast noch wichtiger, das zeigen viele Studien, sind zumindest in Industriegesellschaften soziale Beziehungen. Während sich die Freude am Materiellen, am neuen Smartphone, neuen Auto, schnell erschöpft, kann der Umgang mit dem Partner, mit der Familie und Freunden ein dauerhaftes Glück bedeuten.

"Jeder hat es in der Hand"

All diese Faktoren zusammengenommen gebe es eine gute Formel für das individuelle Glück, sagt Jan Delhey: "Haben plus Lieben plus Sein." Haben meine das Materielle. Lieben meine Beziehungen zu Menschen. Sein könne bedeuten, dass man sich für etwas begeistere, beruflich oder privat, dass man Herausforderungen suche und Neues lerne.

"Sein Einkommen zu erhöhen und das Materielle zu mehren kann schwer sein, hier lässt sich oft kein großer Fortschritt erzielen", sagt Delhey. "Beim Lieben und Sein aber hat es jeder in der Hand, glücklicher zu werden."

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