Warum Schwule homophob werden!

Von Psychologie aktuell Autor Dr. Hubert Steinberg.

Homosexuelle Menschen, die gegen Homosexualität ankämpfen? Das ist gar keine Seltenheit. In den USA gibt es zahlreiche Gruppen, die diese besondere Form der Verlogenheit öffentlich zum Thema machen. Aber wir brauchen gar nicht erst in die USA schauen.

Mietfrauen und Alibi-Ehen?

Ein Blick in die Fußballlandschaft genügt schon. Thomas Hitzlspergers gelungenes Coming-out hin oder her, unter der Fassade modert es gewaltig. Dazu muss man sich nur einmal den Änderungsverlauf des Wikipedia-Eintrags über Herrn Hitzlsperger anschauen. Wie dort von der "Schwarmintelligenz", beziehungsweise von den "Schwarmdiskriminierern", gerungen wurde, um das Thema zu marginalisieren.

Immer noch gibt es im deutschen Fußball zwar schwule Spieler, die sich aber auch im Jahr 2015 mit Mietgattinnen und Alibi-Affären einem vorschnellen Karriereende entziehen.

Wirklich frei und liberal?

Natürlich gibt es hierzulande kaum offen geäußerte Homophobie mehr, doch verschwunden ist sie nicht. Meine Frau ist Vorsitzende eines Turnvereins, alleine ihre Anekdoten aus Vorstandssitzungen und Wettbewerben sprechen allen Beteuerungen Hohn, es gebe keine Diskriminierung mehr gegen Homosexuelle, insbesondere gegen schwule Männer.

Zerstörung mit Samthandschuhen!

Die heutige Diskriminierung ist in so mancher Hinsicht sogar noch sadistischer als die frühere, offene Verfolgung der sexuellen Minderheit. Stärker noch als Frauen, stoßen homosexuelle Männer in Unternehmen an die Gläserne Decke.

Einerseits sprechen die Unternehmen von Diversität im Personalmanagement, andererseits zeigen zahllose konkrete Erfahrungsberichte, dass man auch heute noch allzu oft wegen seines Schwulseins in der Wirtschaft scheitern kann.

Keiner merkt es, aber es wirkt!

Letztendlich merken die Diskriminierten noch nicht einmal selbst, dass sie diskriminiert werden. Es werden schließlich andere, rechtssichere Gründe vorgeschoben und irgendwelche Schwächen findet man bei jedem, man muss nur lange genug suchen. Diese werden dann als Alibibegründungen angeführt und der Diskriminierte verinnerlicht die vermeintlich "sachliche" Kritik meist auch noch.

So wird das Ende eines weiteren beruflichen Aufstiegs ohne Murren akzeptiert. Dass eine eiskalte Diskriminierung stattgefunden hat, wird niemals irgendjemand erfahren. Diesen sozialen Mechanismus bestätigen auch die Recherchen von David James und Judith Nixon.

Warum erfolgt kein Aufbegehren?

Psychologisch interessant ist die Frage, warum es keine echte Wehrhaftigkeit der Betroffenen gibt? Die Antwort könnte die Studie A Sense of Powerlessness Fosters System Justification: Implications for the Legitimation of Authority, Hierarchy, and Government geben.

Diese besagt, dass Ohnmachtsgefühle dazu verleiten, eine bestehende Ordnung nicht zu bekämpfen, sondern sie zu unterstützen, selbst dann, wenn man dadurch benachteiligt wird.

Warum verrät jemand seine Interessen?

Dahinter versteckt sich ein Überlebensmechanismus aus der Urzeit der Menschen. Bevor das Rudel ein Mitglied attackiert, zeigt dieses Demutsgesten der Unterordnung, damit es unbehelligt weiterleben kann. Man kann das überall in der Tierwelt beobachten und der Mensch bildet hier leider keine Ausnahme.

Es führt zu einer unbewussten inneren Unstimmigkeit, wenn man bemerkt, dass man in einer Situation herabgesetzt wird. Dadurch, dass die Betroffenen sich selbst vormachen, ihre Situation sei akzeptabel und die anderen im Recht, versuchen sie, diese Unstimmigkeit aus der Welt zu schaffen. Damit wird der Diskriminierte zum Komplizen des Diskriminierenden.

Schlimm, aber wahr!

Dieser psychische Mechanismus sorgt dafür, dass Schwule und Lesben immer noch allzu oft zu den Komplizen ihrer Unterdrücker werden. Doch das Phänomen betrifft nicht nur sexuelle Minderheiten, sondern so genannte "Randgruppen" als Ganzes. Der einzige Ausweg ist, sich dieses Mechanismus bewusst zu werden und seinem Impuls nicht zu folgen.

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