Warum nicht jeder Ironie versteht

Ironie ist in Literatur und Kunst ein besonders feines Stilmittel. Der Schöpfer des Werks will auf humoristische Weise auf eine Gegebenheit aufmerksam machen, und der Rezipient soll diese mit einem gewissen Schmunzeln oder Lachen auf den Lippen auffassen.

Nicht immer erreicht Ironie den Zweck der Unterhaltung. Die wütenden Proteste der Muslime nach den Mohammed-Karikaturen sind der eindrückliche Beweis dafür. Ironie kann missverstanden werden. Wie kommt es dazu? Welche Mechanismen werden im Gehirn in Gang gesetzt?

Der Sprachforscher und Philosoph Nicola Spotorno vom CNRS-Institut in Paris hat sich mit dieser Frage in einer Studie auseinandergesetzt. "Man könnte davon ausgehen, dass, wenn jemand die Bedeutung der Wörter und die grammatikalischen Regeln einer Sprache beherrscht, auch jeden Satz versteht. Dem ist aber nicht so." Ironie sei ein Beispiel dafür, wie Gesagtes und Gemeintes divergieren.

Linguistische Regeln genügen nicht

Wenn ein Fußballspieler nach einem verlorenen Match zu seinem Mitspieler sagt: "Heute haben wir aber super kombiniert", weiß der Zuhörer, dass die Aussage nicht ernst gemeint ist. In Wirklichkeit will der Sprecher sein Unbehagen über die Leistung der Mannschaft zum Ausdruck bringen.

Linguisten verstehen unter dem Phänomen einen "indirektiven expressiven Sprechakt". "Die Ironie offenbart, dass linguistische Regeln nicht ausreichen, eine Äußerung zu verstehen", sagt Spotorno. Man muss die Semantik des Satzes erfassen.

Und das geht nur mit Empathie. Die psychologische Erklärung für diesen komplexen Kommunikationsprozess liefert die Theory of Mind (ToM), auch Mentalisierung genannt. Nach der Definition des Psychoanalytikers Peter Fonagy bezeichnet sie die "Fähigkeit, das eigene Verhalten oder das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren". Emotionale Komponenten spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch wie lässt sich dieses Konzept in der Praxis messen?

Kurzgeschichten im MRT

Für ihre Untersuchung setzten die Forscher einen Magnetresonanztomographen (MRT) ein. Das Verfahren erlaubt es, Hirnregionen zu visualisieren, die bei Handlungen der Probanden aktiviert werden.

Ein methodisches Problem besteht darin, dass die Versuchsteilnehmer in der engen Scannerröhre meist andere, zum Teil banale Gedanken im Kopf haben und sich die kognitiven Vorgänge schwerlich isolieren lassen. "Deshalb konfrontierten wir die Probanden mit einer Reihe von Kurzgeschichten, um ihre Aufmerksamkeit auf den Inhalt zu lenken", so Sportorno. Bei jeder Story war ein Satz ironisch gemeint.

Die Analyse zeigte, dass bei der Entschlüsselung des linguistischen Codes verschiedene Hirnregionen gleichzeitig aktiv waren, u.a. auch der Precuneus, der für das (Selbst)-Bewusstsein zuständig ist. Die Gesamtheit dieser Hirnareale wird in Forschung als ToM-Netzwerk bezeichnet. Dessen Existenz konnte bereits in früheren Studien belegt werden.

Interaktion bei der Interpretation

Neu ist der Befund, dass das Netzwerk mit anderen Hirnregionen interagiert. Mithilfe einer PPI-Analyse (Psychophysiological Interaction) – ein Verfahren, bei dem man grob gesagt die Verknüpfung von Hirnregionen testet – konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass beim Rezeptionsvorgang das ToM-Netzwerk mit dem Gyrus frontalis inferior in der Großhirnrinde zusammenarbeitet. Diese Struktur fungiert als Sprachzentrum. "Unsere Studie hat veranschaulicht, wie das motorische Sprachzentrum und das ToM-Netzwerk bei der Interpretation von Sätzen interagieren", resümiert Studienleiter Nicola Spotorno.

Das Ergebnis könnte helfen, tiefgreifreifende Entwicklungsstörungen wie Autismus besser zu verstehen. Autisten interpretieren Sätze oft im Wortsinn und verstehen nicht die Bedeutung zwischen den Zeilen. Lange Zeit nahm die Wissenschaft an, dass Autisten keine Theory of Mind besäßen. Diese Annahme gilt inzwischen als widerlegt.

Eine Fülle nonverbaler und verbaler Signale

Vor dem Hintergrund der jüngsten Erkenntnis erscheint das Sozial- und Kommunikationsverhalten in einem neuen Licht. Das ToM-Netzwerk ist ein wahres Sprachlabor und entziffert eine Fülle nonverbaler und verbaler Signale – von der Körpersprache bis zum Kontext.

"Die Theory of Mind ist notwendig, um die Lücke zwischen linguistischem Code und dem sprachlichen Gehalt zu schließen", erklärt Spotorno. "Deshalb kann man annehmen, dass das ToM-Netzwerk zum Teil auch beim Verständnis buchstabengetreuer Aussagen aktiv ist."

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