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Wann ist der Mann ein Mann?

Von Alina Pfund.
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Die Frage, was die Frau zur Frau und den Mann zum Mann macht, sorgt für hitzige Debatten. Das war aber nicht immer so. Im Mittelalter genossen Zwischengeschlechtliche einen besseren Status als heute.

In früheren Zeiten pflegte man einen pragmatischeren Umgang mit den Zwitterwesen: Hermaphrodit aus der Antike, Musée Maillol, Paris.

In früheren Zeiten pflegte man einen pragmatischeren Umgang mit den Zwitterwesen: Hermaphrodit aus der Antike, Musée Maillol, Paris.
Bild: PD

Spagat zwischen Körper
und Psyche

Der diesjährige Eurovision Song Contest hat neben der Musik ein weiteres Thema hervorgebracht. Der Sieg von Conchita Wurst hat die alte Diskussion um die ­Geschlechtszugehörigkeit neu entfacht. Die Vorstellung, dass sich alle Menschen in zwei Geschlechter einteilen lassen ist veraltet. Conchita Wurst repräsentiert beides auf einmal und macht deutlich, dass die Grenzen fliessend sein können. Folgende Beispiele zeigen, dass dies aber sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann:

  • Intersexualität bedeutet, dass angeborene biologische und körperliche Anomalien bestehen. Das heisst, dass geschlechtsspezifische Merkmale wie etwa äussere und innere Geschlechtsmerkmale nicht dem gleichen Geschlecht entsprechen müssen. Je nach Statistik und Definition werden jährlich 1:1000 bis 1:10 000 Kinder mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren. Hochgerechnet wären dies jährlich bis zu 80 Kinder in der Schweiz. Genauere Zahlen liegen zu Zwangsoperationen der Betroffenen vor. Die «Lübecker-­Studie» von 2009 mit Betroffenen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland ist die bisher grösste Untersuchung zum Thema. Demnach wurden 90 Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal operiert, 58 Prozent im Alter zwischen null und drei Jahren.
  • Transsexuelle sind im Gegensatz dazu Personen, die rein biologisch gesund sind. Sie fühlen sich jedoch nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig und unterziehen sich deshalb häufig einer Geschlechtsumwandlung.
  • Transgender-Personen vermeiden hingegen häufig eine geschlechtsumwandelnde Behandlung. Sie erleben eine Abweichung von der biologisch zugewiesenen Geschlechterrolle und lehnen häufig eine solche strikte Geschlechtszuweisung ab. Ihr Ziel ist die gesellschaftliche Anerkennung des anderen Geschlechts. (alp)

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Zwitter, Intersexuelle, Zwischen­geschlechtliche, Hermaphroditen – für Menschen, die mit sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen sind, gibt es viele Namen. Betroffene Kinder werden heute operiert und mit Hormonen behandelt, damit sie entweder Mädchen oder Junge sind, was seit einiger Zeit aber heftig umstritten ist. Im Mittelalter pflegte man einen pragmatischeren Umgang mit diesen Menschen. «Während heute eine starke Zweiteilung zwischen Mann und Frau herrscht, waren die körperlichen Übergänge im Mittelalter viel fliessender», sagt Almut Höfert, Historikerin an der Universität Zürich. Sie forscht in ihrem Projekt, «Hermaphroditen, Eunuchen und Priester» zu den Geschlechterrollen im Mittelalter.

«Die Grenzen waren damals viel durchlässiger», sagt Höfert. Feminine Männer, männliche Frauen und Zwitter seien deutlich stärker akzeptiert gewesen. Im lateinischen Frühmittelalter galten Hermaphroditen als wundersames und exotisches Volk – als übernatürliche Schöpfung Gottes. «Sie stellten keine Bedrohung für die Gesellschaft dar, aber sie existierten», sagt Höfert. Sie stiess in islamischen Rechtstexten aus dem Mittelalter auf Passagen, die die Rolle von Hermaphroditen als Imame regelten. Demnach durften Zwitter so wie Frauen nur bei weiblichen Gläubigen vorbeten.

Eine intellektuelle Spielfigur

«Das wird völlig selbstverständlich und beiläufig erwähnt. Das hat mich sehr fasziniert», sagt Höfert. Auch für das ­Begräbnisritual, die Frage des Erbens oder die Kleidung bei der Pilgerfahrt nach Mekka wurden in den Rechtstexten klare Regeln aufgestellt – wobei die ­Hermaphroditen generell eher der weiblichen Sphäre zugeordnet wurden. In ­einem System, das klare Geschlechterrollen vorsehe, müsse auch das Zwischengeschlecht seinen Platz darin finden, sagt Höfert.

In den Rechtsschriften wurden die Hermaphroditen allerdings vor allem als abstrakte Figur verwendet, um als intellektuelle Herausforderung verschiedene Rechtsprinzipien durchzuproben. Welche Rolle sie in der Gesellschaft tatsächlich spielten, ist unklar. In den sonst sehr ausführlichen arabischen Chroniken werden Zwitter nicht erwähnt. ­Höfert vermutet deshalb, dass der Umgang mit Hermaphroditen im Alltag konfliktfrei war. «Sonst wäre darüber geschrieben worden», so die Historikerin.

Auch im Christentum seien Hermaphroditen während des Mittelalters ­bessergestellt gewesen als heute, sagt ­Markus Bauer, Gründungsmitglied der Organisation Zwischengeschlecht.org. «Im Kirchen- und Zivilrecht gab es so­genannte Zwitterartikel, die den Hermaphroditen das Recht auf Selbstbestimmung einräumten.» So durfte ein Zwitter das Geschlecht, das er durch die ­Eltern zugeteilt bekam, vor Erreichen der Volljährigkeit ändern. «Die Möglichkeit, die elterliche Entscheidung umzustürzen war sehr fortschrittlich», sagt Markus Bauer.

Die Medizin mischt sich ein

Das konfliktfreie Zusammenleben könnte auch damit zu tun gehabt haben, dass im Mittelalter Zwitter vergleichsweise selten waren. Dies änderte sich mit dem Bevölkerungswachstum in ­Europa. Intersexuelle waren nun nicht mehr bloss ein fernes Wundervolk, es waren konkrete Individuen. Gleichzeitig seien ab dem 19. Jahrhundert die Geschlechterrollen vermehrt anhand körperlicher Merkmale definiert worden, so Almut Höfert.

Dadurch sei aus dem Zwischen­geschlecht ein gesellschaftliches Problem geworden. «Sie wurden als Zeichen für Unkeuschheit angesehen, als Zeichen von Gottes Zorn», sagt Höfert. ­Mediziner begannen über die anatomischen Unregelmässigkeiten zu diskutieren. Die Vorstellung, dass ein Kind den Körper eines Mädchen oder eines Jungen besitzen muss, führte vermehrt zu medizinischen Eingriffen bei Zwittern.

Dies setzt sich bis heute fort. Ab den 1950er-Jahren wurden Kinder, die keinem eindeutigen Geschlecht zugeordnet werden konnten, zunehmend einer operativen und hormonellen Behandlungen unterworfen. Weil es einfacher ist, die männlichen Geschlechtsorgane operativ zu entfernen, wurden die meisten dem weiblichen Geschlecht zugeteilt. Die ­Lübecker-Studie (2008) stellte fest, dass auch heute noch 90 Prozent aller erwachsenen Intersexuellen operiert sind.

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 16.07.2014, 08:15 Uhr


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