Wann beginnt die Handy-Sucht?

Das Forschungsthema von Christian Montag ist brandaktuell. Der neue Heisenberg-Professor fr Molekulare Psychologie untersucht die biologischen Grundlagen von Handy- und Internetsucht.

Das Smartphone, unser stndiger Begleiter. Selbst Prof. Christian Montag kann nicht darauf verzichten, mahnt aber zur Migung.

Foto: Uni Ulm

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Das Smartphone, unser stndiger Begleiter. Selbst Prof. Christian Montag kann nicht darauf verzichten, mahnt aber zur Migung. 

Im ICE ist es am augenflligsten: Da starrt das Gros der Fahrgste ins Smartphone, daddelt, spielt, plaudert - auf Whats-App, Facebook, Twitter. Oder, auch das gibt es noch, telefoniert. Handy-Manie ist aber nicht nur im Zug, sondern berall zu beobachten: auf der Strae, im Caf, am Arbeitsplatz, daheim. "Das Internet ist gerade mal 24 Jahre alt und hat die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschttert", sagt Prof. Christian Montag. Immer mehr Menschen sind rund um die Uhr online. Und hat man sein Handy vergessen, stellen sich bei manchem gar Entzugserscheinungen ein - bis hin zu Schweiausbrchen und Herzrasen. Ein gefundenes Fressen fr Psychologen.

Montag ist Molekularpsychologe an der Universitt Ulm. Er beschftigt sich mit der Frage, wie sich digitaler Dauerkonsum aufs Gehirn auswirkt. Was passiert bei Zuvielnutzung? Zwar sei Mediensucht noch keine klassifizierte Krankheit, aber man finde dort alle klassischen Suchtmechanismen, sagt der 37-Jhrige. Nicht die Beschftigungsdauer sei mageblich. "Suchtgefhrdet ist vielmehr, wer sich gedanklich stndig mit Handy und Co. beschftigt, wer den Drang versprt, das Level immer weiter zu erhhen, so dass seine Lebensqualitt leidet." Problematisch sei dabei fast ausschlielich die private Online-Nutzung. Anders als bei Alkoholikern knne man aber keine totale Enthaltsamkeit predigen. "Wir brauchen das Internet ja im Beruf."

Wie viel Handygebrauch ist noch normal? Diese Frage treibt Montag um. Die alleinige Nutzung von Fragebgen - sonst fr einen Psychologen methodisches Mittel erster Wahl - stt schnell an ihre Grenzen, ist er berzeugt. "Bei einer Umfrage wrden wir jede Menge geschnter Antworten bekommen."

Um der Wahrheit auf die Spur zu kommen hat er mit dem Bonner Informatik-Professor Alexander Markowetz eine App namens "Menthal" entwickelt - zu Studienzwecken. Fast 50 000 freiwillige Teilnehmer haben die Forscher gewonnen, auf deren Handydaten sie Zugriff haben. Herausgefunden hat man schon, dass Studenten im Schnitt alle zwlf Minuten ihr Smartphone aktivieren - oft tun sie dies nicht mal bewusst. "Wir zeichnen keine Inhalte auf, sondern nur Metadaten", erklrt Montag. Also, wie oft das Smartphone an- oder ausgeschaltet wird, mit wie vielen Personen ein Teilnehmer kommuniziert, welche Apps genutzt werden. Worin der Reiz fr die Teilnehmer liegt, mitzumachen? "Sie bekommen ein Feedback ber ihr Nutzerverhalten." "Menthal" bermittelt jedem Probanden seine Daten zurck.

Im nchsten Schritt will das Team eine Untergruppe von 100 Probanden im Alltag begleiten. Es geht darum, herauszufinden, ob bestimmte Gen-Varianten eine exzessive Mediennutzung begnstigen - hnlich wie bei Nikotin- oder Alkoholsucht. Mithilfe bildgebender Verfahren will man zudem berprfen, ob sich bei Personen mit exzessiver Internet- oder Smartphonenutzung Vernderungen in suchtrelevanten Gehirn-Arealen finden.

Kurioserweise ist das Mobiltelefon in Montags Studien potenzielles Suchtmittel und wissenschaftliches Messinstrument zugleich. Es knnte knftig sogar eine therapeutische Rolle spielen, glaubt der Forscher. So berprft er, ob Patienten in depressiven Phasen ihr Handy-Nutzungsverhalten ndern, weniger kommunizieren und - das GPS verrt es - fter zu Hause bleiben. Dank solcher Handydaten knnten Psychologen in Zukunft den Krankheitsverlauf verfolgen und zeitnah eingreifen. "Konzerne wie Google sammeln unsere Daten zu kommerziellen Zwecken. Bei ausreichender Transparenz sehe ich kein Problem, solche Daten fr die Forschung oder eine Therapie auszuwerten."

Auch fr Ottonormal-Internetnutzer gilt: Weniger ist mehr. Wer sich zu oft ablenken lasse, werde unkonzentriert, ein vertiefter Arbeitsmodus sei da nicht mglich, sagt Montag. "Handy, Smartphone regelmig ausschalten und das Mailprogramm schlieen", empfiehlt der Forscher, bei dem tglich weit ber 100 E-Mails eingehen. Da hilft auch bei einem Psychologieprofessor nur eiserne Disziplin. Zwei bis drei Mal pro Tag setzt Montag sich feste Zeiten, um seine E-Mails zu checken.

Vom Rockmusiker zum Psychologie-Professor

Karriere Er trgt gerne Kapuzenpullis, in seinem Bro hngen ein Wimpel des 1. FC Kln und ein handsigniertes BAP-Plakat. Christian Montag (37), bekennender Klner, seit diesem Semester Heisenberg-Professor fr Molekulare Psychologie an der Uni Ulm, hat alles andere als eine schnrkellose Karriere hingelegt: Nach einer Banklehre und einer Zeit als TV-Redaktionsassistent studierte er Psychologie in Gieen, es folgten ein China-Aufenthalt als Deutschlehrer sowie Praktika im Bundestag und in einer Haftanstalt. Nicht zu vergessen: Beinahe wre er Berufsmusiker geworden. Als Gitarrist der Indie-Band "The Wildflowers" trat der damalige Student zwischen 1999 und 2006 auf groen Bhnen im Vorprogramm bekannter Acts auf. Fr ihren Webauftritt erhielt die Band einen "MTV Online Award", spter einen Plattenvertrag. "Die Fallhhe war irgendwann zu hoch", sagt er ber seinen Entschluss, sich lieber doch der Wissenschaft zuzuwenden: speziell der Molekularen Psychologie, die molekulare Grundlagen menschlichen Verhaltens erforscht. Christian Montag promovierte und habilitierte sich an der Uni Bonn.

Heisenberg-Professur Die Heisenberg-Professuren der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sollen Nachwuchsforscher auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorbereiten. Kandidaten mssen sich zuerst einer Begutachtung der DFG unterziehen und dann eine Uni finden, an der sie ein neues Forschungsgebiet etablieren knnen. Die Universitt wiederum muss zeigen, inwiefern die Heisenberg-Professur eine Profilerweiterung fr sie darstellt. Fallen die Evaluationen von DFG und Uni in den kommenden fnf Jahren positiv aus, wird Montags Stelle in eine unbefristete Professur umgewandelt.

 

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