Es könnte so schön sein: Abiturienten, die ein Numerus-Clausus- Studienfach (NC) wie etwa Psychologie studieren wollen, legen ein Konto bei hochschulstart.de an. Sie erhalten eine Bewerbernummer, mit der sie sich bei Hochschulen bewerben. Wenn mehrere Zusagen kommen, entscheiden sie sich über das Portal per Mausklick für eine Hochschule - alle anderen Unis bekommen dann sofort Bescheid und können eventuellen Nachrückern den freigewordenen Platz anbieten. Die Nachrichtenagentur dpa meldete, dass Hochschulen jedes Jahr 20 000 NC-Studienplätze aufgrund von Doppeleinschreibungen und Mehrfachbewerbungen nicht besetzen können.
Das neue Portal, so glauben Experten, könnte diesen Missstand beseitigen. Doch die Realität sieht anders aus: Das 15 Millionen Euro teure Programm der Firma T-Systems liegt seit einem Jahr ungenutzt in der Schublade der Stiftung für Hochschulzulassung in Dortmund. Der Grund: Die Software der meisten Unis in Deutschland ist nicht kompatibel mit der von T-Systems. Es ist, als ob man ins Ausland fährt und keinen passenden Adapter für seine Elektrogeräte dabei hat.
Rund 80 Prozent der deutschen Hochschulen nutzen Programme der Hochschul-Informations-System GmbH (His), einem Unternehmen des Bundes und der Länder. Das Beispiel der Uni Konstanz zeigt, warum die im Ansatz gute Idee nicht funktioniert: Die Hochschule benutzt für die Studienplatzvergabe die Software His-GX. Um sie mit der von T-Systems kompatibel zu machen, müsste GX umgerüstet werden. "Dafür wäre ein fünfstelliger Betrag nötig", sagt Helmut Salewski, Leiter des Studienbüros. Da die Uni ihr System aber bald umstellen möchte, scheut sie die Kosten und kauft lieber eine ganz neue Software. "Wir werden frühestens im Wintersemester 2013/14 dabei sein", sagt Salewski. Die Leerstände in den NC-Fächern seien dennoch überschaubar. "Wir sind im Schnitt zu 90 bis 100 Prozent ausgebucht."
Viele Hochschulen hatten sich beim Start des Projekts mit dem sperrigen Namen "Dialogorientiertes Serviceverfahren" auf eine Aussage der Entwickler verlassen: "An der Uni-Software sind keine Veränderungen nötig." Heute teilt die His mit: "Man hat unterschätzt, was für ein Aufwand es ist, die beiden Systeme aneinander anzupassen." Nun fehlten Geld und Mitarbeiter, um die Uni-Rechner umzurüsten.
Auch Tübingen nutzt das alte His-GX-System und geht davon aus, frühestens zum Wintersemester 2013/14 an hochschulstart.de teilnehmen zu können. "Vielleicht brauchen wir das Programm gar nicht", scherzt Sprecherin Myriam Hönig. Bis Semesterbeginn im Oktober 2011 seien 90 Prozent aller NC-Fächer belegt gewesen, zwei Wochen später waren es schon 100 Prozent.
An der Universität Heidelberg sind in diesem Wintersemester wenige Studienplätze frei geblieben - "möglicherweise aufgrund von Mehrfachbewerbungen", sagt eine Sprecherin. Die letzten Nachrückverfahren endeten im November. Die Uni will am Pilotbetrieb 2012/2013 teilnehmen, "sofern die derzeit noch nicht gesicherte technische Anbindung geklärt ist".
Die Uni Freiburg teilt durch ihren Sprecher Rudolf-Werner Dreier mit: "Wir sind sehr enttäuscht über die Verzögerungen." Die Hochschule nimmt seit Dezember 2010 an einem Pilotprojekt der Stiftung Hochschulstart teil. "Wir sind bereit", sagt Dreier. Unbesetzte Plätze gebe es an der Uni nicht.
An der Universität Mannheim lief dieser Test zwar nicht schlecht aber auch keineswegs reibungslos. "In den kommenden Wochen wird man sich entscheiden, ob man an dem geplanten, eingeschränkten Pilotbetrieb des neuen Verfahrens mit ausgewählten Studiengängen teilnimmt", sagt eine Sprecherin der Hochschule. Auch ohne das Verfahren seien aber kaum Studienplätze freigeblieben und im Nachrückverfahren, das Studium beginnt dort im September, seien diese bis Ende September besetzt worden.
In Ulm steht fest, dass die Universität 2012/13 wegen technischen Problemen nicht an dem Pilotbetrieb teilnimmt. Einen Hauptschuldigen für die verschobene Einführung des Systems will Professor Ulrich Stadtmüller, Vizepräsident für Lehre, nicht nennen. Da seien von Beginn an von mehreren Seiten Fehler gemacht worden, sagt er. Im laufenden Wintersemester ist es der Hochschule aber auch so gelungen, die Studienplätze in den zulassungsbeschränkten Fächern zu besetzen. Laut Pressesprecher gibt es nur einen freien Platz.