Vom Traumberuf zum Massenmord

Wenn man sich mit dem Phänomen des "Bösen" auseinandersetzen will, ist es hilfreich bei Hannah Arendt nachzulesen. Mit Hobby-Psychologie - oder Psychologie für Doofe, wie meine ehemalige Therapeutin das ausdrückte - kommt man da jedenfalls nicht weiter. Aber die Hobby-Psychologie ist ja beliebt und weit verbreitet. Leider. Ebenso wie die Eigendiagnose und die Selbstmedikation!

Psychische Störungen und Erkrankungen sind derart weit verbreitet, dass sie schon zu den alltäglichen Aspekten unserer persönlichen und gesellschaftlichen Existenz gehören. Wir brauchen uns doch nur umzugucken. Und zu den altbekannten, wie Depressionen, gesellen sich neue wie Burnout oder ADHS. Ständig stolpern wir über Betroffene und alleine das wird anstrengend. An die vielen Medikamente, die sie einnehmen, möchte man gar nicht denken. Aber wie soll das alles gehen, wenn es Leute betrifft, die große Verantwortung tragen? Wie zum Beispiel Ärzte, Altenpfleger, Lokführer und Piloten?

Ärzte in Krankenhäusern leisten Schichtdienst und haben viel zu viele Arbeitsstunden. Altenpfleger, auch Schichtdienstler, werden saumäßig bezahlt. Lokführer und Piloten müssen um ihre Arbeitsbedingungen streiken. Und das sind jetzt nur auf die schnelle Beispiele. Berufe, die Menschen ergreifen, die sich dazu "berufen" fühlen, wie Heilen und Pflegen. Oder Lokführer und Piloten, die gerne als "Traumberufe" gesehen werden. Stark motivierte Menschen also, die sich dann in miesen Arbeitsbedinungen wiederfinden, die sie auslaugen und krank machen. Vielleicht nicht alle, aber doch viele. Alle erwarten von ihnen Leistungen höchsten Niveaus und schauen ihrem Frust oder im besseren Fall ihren Arbeitskämpfen zu - und schimpfen noch darüber?

Mit dem herbeigeführten Flugzeugabsturz ist jetzt mal was ganz Dramatisches und Spektakuläres passiert. Und wir erfahren, dass ein Mensch, der psychisch angeschlagen war und dessen gesamte berufliche Existenz vermutlich auf dem Spiel stand, - und der sich sein Berufsleben sicher ganz anders vorgestellt hatte -, als Ausweg einen Massenmord mit Suizid wählte. Gott sei Dank passiert sowas selten. Aber was ist mit den vielen anderen stillen Monströsitäten, von denen wir gar nichts sehen, oder sehen wollen.

In deutschen Kliniken sterben jährlich 15000 bis 20000 Menschen an Klinikkeimen. Dunkelziffer vermutlich viel höher. All das sind "unschuldige" Menschen, die ihr Leben wegen vermeidbarer Infektionen verlieren. Vermeidbar durch Hygienestandards! Reine Geldfrage. Ist das tragisch?!!

Tragisch und trostlos. Manchmal passiert was, das einen trostlos zurückläßt. Das kann man dann vielleicht einfach Schicksal nennen. Nicht alles kann man abfangen. Depressive können zu den ganz schwierigen Fällen gehören, das weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich eine Zeitlang von Depressiven umgeben war. Schrecklich, sie ziehen einen mit in ihr Elend hinunter, so dass man sich als Gesunder schützen muss. Ohne professionelle Hilfe geht das nicht. Und wenn sie die verweigern, sieht es ganz schlecht aus. Erst recht, wenn dann noch das Böse aus einem hervorkriecht ...

Aber wir gewöhnen uns auch an schreckliche Sachen, die nicht nötig wären. Und das regt mich auf. Lernen wir unterscheiden und setzen wir uns dafür ein. Und für Leute in sehr verantwortungsvollen Berufen sollte alles getan werden, um entsprechend gute Rahmenbedingungen zu bekommen. Das wäre gut für uns alle. Dafür sollte unser Wohlstand gut sein. Wofür denn sonst. Oder sind uns doch die billigen Flugtickets, die uns am wichtigsten sind?

Es tut mir um jeden Menschen leid, der sein Leben vor der Zeit verliert. Um jeden einzelnen. Und ihre Hinterbliebenen tun mir ebenso leid.

Meine Zumba-Stunde war gestern fröhlich wie immer, bis mir die fröhlichen Menschen einfielen, die in diesem Flugzeug saßen, das ein Co-Pilot gegen das Bergmassiv fliegen ließ. Für mich ist das vordergründig Massenmord, mit einem Suizid-Aspekt. Psychische Krankheit, Suizid, auch erweiterter Suizid, das ist eine Sache. 149 Menschen ermorden, eine andere. Noch dazu Menschen, die einem anvertraut waren. Das ist ein Abgrund. Das fühlt sich an wie was Dunkles und Böses, unbegreifbar. Selten ist es dennoch nicht.

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