Viele Rollen, eine Persönlichkeit – Kölner Stadt

Schon bevor wir geboren werden, wird uns eine Rolle angetragen. Wir werden (ungewollt) in eine bestimmte Familie mit bestimmten Vorstellungen, Werten und Regeln hineingeboren. Und mit zunehmendem Alter schlüpfen wir in immer mehr „Rollen“: in der Schule, in der Peergroup, im Beruf, in der Familie sind wir Kind, Elternteil, Freund, Kollege, Geschwister, Bekannter, Verwandter. . .

Wir sind schon Persönlichkeiten und bleiben gleichzeitig veränderbar und anpassungsfähig. Wenn wir bedenken, dass wir in zunehmendem Alter immer mehr „Rollen“ einnehmen, so wird deutlich, wie komplex unsere Persönlichkeit ist, wie viele Eigenschaften, Verhaltensweisen und Haltungen wir in uns vereinbaren können.

Beschäftigung mit dem Ich

So sollte uns die so provokant klingende Frage von Richard David Precht in seinem Buch „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ eigentlich gar nicht verwundern. Seit jeher beschäftigen sich Philosophen und Psychologen mit dem „Ich“ und den ganz unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen in uns. Schon vor 2000 Jahre riet der griechische Philosoph Epiktet: „Betrachte dich als einen Schauspieler: Die Rolle gibt dir der Dichter, du musst sie spielen. Will er, dass du einen Bettler darstellst, so musst du diese Rolle gut spielen, auch wenn du einen Krüppel, einen Fürsten oder gewöhnlichen Menschen darstellen sollst. Deine Sache ist es nur, die dir gegebene Rolle gut zu spielen; sie auszuwählen ist Sache eines andern.“ Aber wer wählt hier aus und wie kommen wir zu den unterschiedlichen Rollen, die wir einnehmen?

Oft haben unsere Eltern ganz bestimmte Vorstellungen und Wünsche, wie wir sein sollten, wie unser Leben aussehen sollte. Bevor wir in irgendeiner Weise lernen, über uns nachzudenken, sind wir schon (teilweise) festgelegt. Die Entwicklung unserer Rollen ist komplex und von vielen Einflussgrößen bestimmt: Zum einen ist es natürlich meine Disposition – meine ganz individuellen Anlagen und Eigenschaften; zum anderen ist aber auch die Struktur meiner Familie von Bedeutung: Welchen „Bedarf“ hat sie? Braucht sie vielleicht einen Stimmungsaufheller oder jemanden, der dieser Partnerschaft/Ehe Sinn gibt? Sollen die Kinder möglicherweise das erreichen, was den Eltern versagt blieb?

Rollen formen sich auch nach der Aussicht auf Erfolg – eine bestimmte Verhaltensart wird mit Aufmerksamkeit, Zuwendung und Wertschätzung bedacht und dann vom Kind so lange wiederholt, bis es zur Gewohnheit wird. Ebenfalls geht es um die „Verfügbarkeit“ im System: Welcher Platz, welche Nische ist noch frei, welcher Platz oder welche Rolle ist schon von den Geschwistern belegt?

Immer authentisch bleiben

Ähnlich geht es uns später in den anderen Rollen und den dazugehörigen Kontexten. Das alles ist unproblematisch, wenn wir uns in unseren verschiedenen Rollen wohlfühlen und uns in ihnen wiederfinden. Maßstab ist hier die Authentizität. Bin ich auch wirklich ich als Kollegin oder versuche ich, anderen ein Bild von mir zu vermitteln, das ich gar nicht ausfülle? Wir können uns bei jeder Rolle fragen: Bin ich das? Fühle ich mich wohl, so wie ich mich gebe? Oder ist es anstrengend und fühlt sich fremd an? Und wie sehen meine Erwartungshaltungen in jeder Rolle aus? Wo will ich perfekt sein, wo reichen 80 Prozent aus und wo vielleicht noch weniger?

Kritisch wird es, wenn wir uns auf eine Rolle festgelegt fühlen, die wir als fremdbestimmt erleben oder nicht mehr zu uns passend. Und wenn wir (oder andere Menschen) Erwartungen an uns hegen, die wir nicht erfüllen können oder auch nicht (mehr) wollen. Dann stellt sich die Frage, ob – und wenn ja, wie – man ungeliebte Rollen abgeben kann. Was ist dabei hinderlich, was hilfreich?

Dr. Christiane Jendrich ist Systemische Therapeutin. Sie leitet mit Prof. Helmut Reuter die Vortragsreihe „Psychologie im Dialog“.

Psychologie im Dialog:
„Wie viele Rollen hat mein Ich? Die komplexe Persönlichkeit“
Kurzvorträge von Professor Helmut Reuter (Universität Bremen) und Dr. Christiane Jendrich und anschließende Diskussion.
Moderation: Jürgen Orthaus
Termin: Donnerstag, 4. Oktober, 19 Uhr
Ort: studio dumont,
Breite Straße 72, Köln

Tickets gibt es zum Preis von 7 Euro (zuzüglich VVK-Gebühr) im Servicecenter Breite Straße und den Vorverkaufsstellen von Kölnticket, unter 02 21/ 28 01 und unter
www.koelnticket.de

Abocard-Inhaber erhalten einen Bonus von 25 Prozent (nicht für VVK-Gebühren). Dieser wird nur gewährt bei Kauf im Servicecenter, unter 02 21/ 280344 oder
www.abocard.de/tickets

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