Verräterische Likes – Wieso Facebook uns besser kennt als der Partner

Wer fühlt sich nicht oft unverstanden von Kollegen, Freunden und Verwandten? Ein Glück, dass zumindest Facebook uns besser kennt. Schon bei zehn "Gefällt mir"-Angaben kann uns ein Computer besser einschätzen als unsere Kollegen, wie eine neue US-Studie belegt.

Niemand versteht mich - wer kennt dieses Gefühl nicht? Die Kollegen reagieren mit Unverständnis auf unseren Wutausbruch nach einem Misserfolg, Familie und Freunde können die daraus resultierenden Eskapaden in der letzten Partynacht absolut nicht nachvollziehen - und zu allem Unglück versteht auch der Partner unsere Exzesse nicht. Aber immerhin: Facebook versteht uns. Eine Maschine kann unsere Persönlichkeit mit all ihren Ecken und Kanten besser einschätzen als uns nahestehende Mitmenschen. Das zumindest legt eine neue Studie der amerikanischen Stanford University und der englischen University of Cambridge nahe, die am Montag erschienen ist.

Studie mit mehr als 86.000 Freiwilligen

Die Forscher werteten Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Persönlichkeit von 86.220 Freiwilligen aus. Sie verglichen die Ergebnisse zum einen mit den Einschätzungen von Bekannten, Freunden und Familienmitgliedern und zum anderen mit den Persönlichkeitsanalysen von Computern. Dabei schnitten die Maschinen deutlich besser ab als die Menschen.

Unter Stress stehen Männer auf dickere Frauen
Gestresste Männer bevorzugen fülligere Frauen. Zu diesem Ergebnis kommt eine britische Studie, die in der Fachzeitschrift „PLoS ONE“ veröffentlicht wurde. Nach einer stressigen Situation neigten Männer in dem Versuch dazu, dickere Frauen auf vorgelegten Fotos attraktiv zu finden. Die Wissenschaftler vermuten, dass Menschen wie Tiere in Stresssituationen auf Sicherheit setzen und weiblichere Formen mehr Nahrung und eine stabilere Gesundheit symbolisieren.

Foto: dpa


Ab 300 Likes kennt uns Facebook besser als der Ehepartner

Arbeitskollegen, Freunde und Verwandte mussten die von ihnen ausgemachten Persönlichkeitsmerkmale der Studienteilnehmer in einem Fragebogen festhalten. Die Computer konnten auf die Facebook-Konten der Probanden zugreifen und analysierten die Teilnehmer anhand ihrer „Likes“, also der von ihnen geteilten „Gefällt mir“-Angaben. Das erschreckende Ergebnis: Schon anhand von zehn Likes konnten die Computer die Studienteilnehmer besser einschätzen als ihre Arbeitskollegen.

Ab 70 Likes übertrumpfte die Familie Freunde, ab 150 Likes sogar ein Familienmitglied - und ab 300 Likes kannte der Computer die Teilnehmer besser als ihre Ehepartner. „Wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Facebook-Nutzer 227 Likes teilt, hat künstliche Intelligenz das Potenzial, uns besser zu kennen als unsere engsten Gefährten“, schreibt Studienautor Michal Kosinski.

Menschen verfallen „in nicht-rationales Denken“ - im Gegensatz zur Maschine

In vielen Bereichen haben Maschinen uns Menschen schon abgehängt, damit haben wir uns abgefunden. Aber was den Charakter, die Persönlichkeit eines Menschen, angeht, da sahen wir uns immer klar im Vorteil. Jetzt scheinen Computer uns auch auf diesem Gebiet abzulösen. Wie ist das möglich?

Kosinski zufolge verfügen Computer über einige Schlüsselfähigkeiten in Sachen Persönlichkeitsanalyse. Sie könnten insbesondere große Mengen an Information auswerten und behalten - um diese Daten schließlich durch Algorithmen zu analysieren. Gerade deshalb könnten Computer so genau und akkurat sein. Für einen Menschen ist es viel schwieriger, die gleiche Leistung zu erbringen.

Menschen tendierten dazu, ein oder zwei Beispielen des Verhaltens zu viel Gewicht zu verleihen - oder „in nicht-rationales Denken“ zu verfallen. Doch genau hier könnte der Vorteil des Menschen gegenüber der Maschine zum Tragen kommen: Die Forscher räumten ein, dass die Persönlichkeitsmerkmale, die sich nicht durch im Netz hinterlassene Daten manifestierten, und die nur unterschwellig auszumachen sind, wohl immer noch am besten von Mensch zu Mensch erkannt würden.

Erkenntnisse hilfreich bei Heirat oder Präsidentenwahl

Zwar sehen die Forscher ihre Erkenntnisse als Herausforderung für Konsumenten, Entwickler und politische Entscheidungsträger. Nutzer sollten die volle Kontrolle über ihren digitalen Daten haben, indem ihre Privatsphäre durch Gesetze und Technologien geschützt werde, so die Wissenschaftler.

Doch sie versprechen sich von ihren für viele Menschen wohl unheimlich anmutenden Ergebnissen vor allen Dingen viel Positives: So könnten Personaler für ausgeschriebene Stellen noch eher Kandidaten finden, deren Charakter auch zu dem Job passe, Unternehmen könnten ihre Produkte noch besser auf die Persönlichkeit ihrer Konsumenten abstimmen. Und: Die Fähigkeit, eine Persönlichkeit einzuschätzen sei ein essentieller Teil des Soziallebens, schreiben die Forscher um Kosinski, „ganz egal, ob es sich um alltägliche oder langfristige Entscheidungen handelt“. Als Beispiele nennen sie: eine Heirat oder die Wahl eines Präsidenten. (rer)

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