Verliebtsein als Ehegrund? Keine gute Idee!

Von Psychologie aktuell Ressortleiterin "Frauen", Hildegard Mannheim.

Kennen Sie dieses Geschwärme? „Sie sind wahnsinnig ineinander verliebt, es ist eine ideale Ehe". Das ist eine Bemerkung, die man allzu oft mit einem Strahlen im Gesicht hört. Aber es ist eine ebenso strahlende Tatsache, dass diese „wahnsinnige" Liebe sehr häufig direkt ins komplette Chaos führt.

Unglück und Scheidung sind bei den „wahnsinnig" Verliebten vorprogrammiert. Denn ja, sie sind in der Tat „wahnsinnig", wenn sie eine Ehe auf dem biologischen Mechanismus der Verliebtheit aufbauen! Die Natur hat ihn erfunden, um uns zu animieren, Nachwuchs zu provozieren - nicht um uns glücklich zu machen!

Ja, alle wahnsinnig!

Die meisten mir persönlich bekannten unglücklichen Ehepaare waren zu Anfang „wahnsinnig" ineinander verliebt. Kann man sich darüber wundern, wenn man die Sache näher betrachtet? Die Natur, die selten dort einen Irrtum begeht, wo die ursprüngliche Menschheit in Betracht kommt, ist durchaus nicht unfehlbar, sobald es sich um die künstlichen Bedingungen unserer westeuropäischen Zivilisation handelt.

Verblendet ins Unglück?

Der jungen Leute, die in den Bann der Leidenschaft geraten, sind zeitweise blind und unzurechnungsfähig. Ihr Urteil ist getrübt, ihre Fähigkeit zu überlegen ist aufgehoben, nichts auf der Welt scheint ihnen von Bedeutung außer der überwältigenden Notwendigkeit, sich einander hinzugeben, das geliebte Wesen zu „besitzen" und ja nicht mehr loszulassen. Wenn das Schicksal mal wieder besonders zu sadistischen Scherzen aufgelegt ist, so lässt es diese beiden sich in die Ehe stürzen.

(Foto: Kratochvil via Pixabay/CC0)
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Um diesen kleinen Mann zu erschaffen, narrt uns die Natur mit "Verliebtheit".

1:0 für die Natur!

Die Natur hat ihren Willen durchgesetzt und beachtet weiter nichts. Sie ist ganz befriedigt. Die aus solchen Ehen wahnsinniger Verliebtheit stammenden Kinder sind angeblich die schönsten und stärksten, und was will die Natur denn sonst? Aber das junge Paar? Nach und nach zerteilen sich die rosa Wölkchen, die berauschenden Düfte der Verliebtheit zerstäuben, die Verzückung lässt nach und eines Tages wacht man auf und merkt, „huch, ich habe ja gar keinen Prinzen geheiratet".

Ein Kater wie nach einem Volksfest!

Prompt setzt die Wirkung des mächtigsten Giftes der Welt ein: die Wahrheit! Man findet also ein ganz gewöhnliches menschliches Wesen an seiner Seite und sich selbst in jenen Ketten, die die Menschen mit den Worten „auf ewig" bezeichnen. Diese beiden sind wirklich unglücklich, wenn sie am Grabe der Leidenschaft einander gegenüberstehen und kein anderes Band zwischen ihnen besteht als die Erinnerung an den verflogenen Rausch.

Die Dänen haben wohl Recht!

Zum Glück ist dies durchaus nicht immer der Fall, aber wenn es so ist, dann muss unvermeidlich ein sehr unglückliches Eheleben folgen. Schopenhauer gibt als Grund für das Unglück solcher Ehen die Tatsache an, dass „durch sie für die kommende Generation auf Kosten der gegenwärtigen gesorgt wird" und zitiert das spanische Sprichwort: „Quien se casa por amores, ha da vivir con dolores" (Wer aus Liebe heiratet, muss in Kummer leben).

Leidenschaft "aus" bei der Partnerwahl!

Vom Standpunkt des persönlichen Interesses und nicht des Interesses der zukünftigen Generation scheint es gewiss ein Missgriff, den Gegenstand seines heftigen Begehrens zu heiraten, wenn nicht auch geistige Übereinstimmung, Interessengemeinschaft oder seelische Gemeinsamkeiten bestehen. Aber unter dem Einfluss unterdrückter Leidenschaft verlieren die Menschen die Klarheit ihres Geistes und sind daher mehr oder weniger unzurechnungsfähig. Oder einfacher gesagt: Ehen auf Basis von Verliebtheit sind keine gute Idee, auf Freundschaft beruhende dagegen schon.

Wahre Liebe ist die extreme Form von Freundschaft
und nicht die Steigerung von Verliebtheit.

Stets einen Eimer zur Hand haben?

Ein Eimer kalten Wassers hat hier schon manche fatale Eheschließung verhindert. Denn „wirkliche, auf Übereinstimmung der Gesinnung gegründete Freundschaft tritt meistens erst dann hervor, wann die eigentliche Geschlechtsliebe in der Befriedigung erloschen ist". Sagt Schopenhauer und hat, wieder einmal, das letzte Wort in der Sache.

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