Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin: Migranten werden im Asylverfahren …

05-05-12
Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin: Migranten werden im Asylverfahren zusätzlich traumatisiert

Migranten, die nach Deutschland fliehen, sind häufig traumatisiert. Eine posttraumatische Belastungsstörung lässt sich bei einer großen Zahl objektivieren. Während der - meist langwierigen - Prüfung des Asylantrags erleben die Migranten einen unsicheren Aufenthaltsstatus, der die Krankheit oft deutlich verstärkt. Zu diesem Befund kommt eine Studie der klinischen Psychologen Christian Gerlach und Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky (Universität Düsseldorf). Die Details werden in "Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin" 1/2012 publiziert.

Die Bundesrepublik praktiziert mit einer Anerkennungsquote von weniger als zwei Prozent eine restriktive Asylpolitik. Viele Flüchtlinge befinden sich oft über Jahre hinweg in der aufenthaltsrechtlich prekären Situation der ´Duldung´, in der eine unfreiwillige Rückkehr in das Heimatland jederzeit droht. So lebten z.B. im Jahr 2006 rund 200.000 geduldete Personen in der Bundesrepublik, davon 140.000 bereits länger als fünf Jahre und 50.000 länger als zehn Jahre.

Da der Postmigrations-Stress die psychischen Traumafolgen verschärft, folgern Gerlach und Pietrowsky, dass ein sicherer Aufenthaltsstatus obligate Voraussetzung einer sinnvollen Traumabehandlung sein muss. Eine Rechtsgrundlage für die Vergabe einer Aufenthaltserlaubnis im Fall einer Posttraumatischen Belastungsstörung sehen die Psychologen in §60.7 des Aufenthaltsgesetzes: "Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht."

Allerdings, fürchten die Wissenschaftler, bietet diese Bestimmung den Behörden "relativ großen Interpretationsspielraum." Für diesen fordert die EU-Aufnahmerichtlinie (2003/9/EG) in Kapitel 4, Artikel 20: Die Mitgliedsstaaten haben dafür zu sorgen, "dass Personen, die Folter, Vergewaltigung oder andere schwere Gewalttaten erlitten haben, im Bedarfsfall die Behandlung erhalten, die für Schäden, die durch genannte Handlungen zugefügt wurden, erforderlich ist".

C. Gerlach, R. Pietrowsky: Trauma und Aufenthaltsstatus - Einfluss eines unsicheren Aufenthaltsstatus auf die Traumasymptomatik bei Flüchtlingen. In: Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin 1/2012

 

H.C. Traue, R. Johler, J.J. Gavrilovic (Eds.): Migration, Integration, and Health - The Danube Region.

Pabst, Lengerich/Berlin/Wien, 368 pages, ISBN 978-3-89967-641-9

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