US-Finanzkrise: Die Psychologie des Pessimismus

Warum also sind so viele Anleger mit Blick auf die Zukunft pessimistisch?

In einem Vortrag beim Cato Institute in Washington D.C., den ich mir ansah, bot Dr. Steven Pinker, der Johnstone Family Professor an der amerikanischen Harvard Universität und Autor vieler Bücher verschiedene Erklärungen an.

Der erste und wahrscheinliche stärkste Faktor liegt in der Natur der Medien. Dort ist nahezu alles, worüber es sich lohnt zu berichten, negativ. Die Menschen wollen einfach nichts über die Gebäude hören, die nicht abbrennen, die Flugzeuge, die nicht spektakulär abstürzen oder die Surfer, die nicht von Haien gefressen werden.

Die Geschichte der modernen Welt ist eine der langfristigen Verbesserug in kleinen Schritten. Das möchte aber unglücklicherweise niemand auf der Titelseite lesen.

Dazu kommt, dass die Welt inzwischen 1.75 Milliarden Smartphones hat. Das bedeutet, wir haben 1.75 Milliarden Reporter, die Photos aufnehmen oder Videos in Echtzeit von schrecklichen Dingen filmen, die gerade rund um die Welt passieren, und diese dann im Internet posten.

Dabei gibt es jeden Tag auch Milliarden an großzügigen, humanen, freundlichen und liebevollen Handlungen, die dabei völlig untergehen. Aber schreckliches Verhalten und tragische Unfälle sehen wir nahezu sofort. Und die Medien recyclen dies dann endlos den ganzen Tag über.

Ein weiterer Grund für unsere ängstliche Betrachtung der Situation um uns herum ist unsere evolutionäre Vergangenheit. Wir stammen von den Menschen aus den Ebenen Afrikas ab, welche beim kleinsten Knacken im Gras annehmen mussten, dass ein gefährliches Raubtier auf sie wartet und folglich auf den nächsten Baum flüchteten. Die Menschen damals, die einfach mit den Achseln zuckten und zum Schluss kamen, es war wohl nur der Wind, haben nicht mal annähernd so viele Nachkommen hinterlassen.

Wir sind sehr stark auf Risiko gepolt und reagieren übersensibel auf Gefahren.

Pinker forderte uns auf der Konferenz beispielsweise dazu auf, uns zu überlegen, wie viele guten Dinge uns direkt nach dem Vortrag passieren könnten. Er sagte uns, wir sollten unsere Phantasie ruhig verrückt spielen lassen.

Dann stellte er eine andere Frage. Wie viele schlechten Dinge könnten uns heute passieren? Wir alle stimmten darin überein, dass die Liste viel länger und dramatischer war.

Im Zuge eines weiteren Gedankenexperiments bat er uns, sich vorzustellen, wie viel besser wie uns fühlen könnten als gerade jetzt im Moment. Dann fragte er uns, wie viel schlechter wir uns fühlen könnten.

Sie konnten dabei den Zuhörern praktisch zusehen, wie sie alle verspannten.

Und letztlich ist das der ganze Punkt. Wir fühlen Schmerzen viel akuter und stärker als Freude. Wir fühlen auch Verluste viel stärker als Gewinne.

Stellen Sie sich als Beispiel einmal vor, Sie hätten gerade 10.000 EUR an der Börse verdient. Wie würden Sie sich fühlen?

Nun stellen Sie sich einen Verlust von 10.000 EUR vor. Nur der Gedanke daran ist sicherlich genug, damit Sie sich etwas traurig, wütend, dumm oder beschämt fühlen. Die Angst vor Verlusten ist es, die so viele von uns davon abhält, jemals etwas am Aktienmarkt zu risikeren. Und das obwohl das langfristige Verlustrisiko viel kleiner ist als die Gefahr von kurzfristigen Fluktuationen.

Pinker führte übrigens auch einen Faktor hinter unserem Pessimismus an, über den ich bisher noch nicht nachgedacht hatte: Die Psychologie der Moralisierung.

Die Menschen stehen im Wettbewerb zueinander um moralische Authorität - wer als nobler betrachtet wird - und Pessimisten werden allgemein als moralisch engagierter wahrgenommen als Optimisten. Menschen, die sich über negative Entwicklungen sorgen oder ärgern - Klimawandel, Einkommensungerechtigkeit, die Erosion der Familie und der Familienwerte, das Wachstum der weltweiten Schulden - erscheinen moralisch engagierter und involvierter als Optimisten, die eher apathisch wirken.

Dabei sind natürlich stets gute und schlechte Trends gleichzeitig am Wirken. Aber die objektive Wahrheit ist, dass mehr Dinge für uns sich zur Zeit bessern als verschlechtern.

Die Menschen haben noch nie so lange gelebt wie heute. Der Lebensstandard war noch nie so hoch. Der Zugang zu und der Erwerb von Bildung war noch nie so breit. Ein Prozentsatz Menschen auf der Welt, der höher als je zuvor ist, lebt in Frieden. Gewaltverbrechen sind in einem langfristigen Abwärtszyklus und die amerikanischen Haushaltsvermögen auf einem Allzeithoch. Die Finanzmärkte - die nach vorne und nicht nach hinten schauen - sind optimistisch bezüglich der US-Wirtschaft, des US-Dollars und der US-Unternehmensprofite.

Wenn Sie also glauben, dass die Welt langfristig den Bach herunter geht, dann lohnt es sich einen Moment zu nehmen und zu erwägen, ob dies wirklich so ist... oder ob es einfach eine Frage der Perspektive ist, aus der Sie die Situation betrachten.

Weiterhin gutes Investieren wünscht Ihnen

Alexander Green

 

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